Zum ersten Mal nicht live von der Bühne: Die Bandfusion wurde in diesem Jahr zum charmant moderierten Wettstreit der Videoclips.

Mit dem eingefügten „Clip“ hat die diesjährige Bandfusion Royaltrotz allen Verzichts aus der Not eine Tugend gemacht und in ihrer ersten Internet-Ausgabe eine prächtige Figur. Statt Live-Musik gab es pro Band ein Musikvideo, vom Grundgedanken jedoch blieb alles beim alten: Zehn unterschiedlichste Musikgruppen buhlten am Donnerstag um die Stimmen ihrer Zuschauer, die via Livestream von Moderator Le Pierre in gewohnt charmant spitzbübischer Manier aus den Flottmann-Hallen durch den Abend begleitet wurden.

Sihna Maagé eröffnet die Runde

Den Anfang macht Sihna Maagé, „die Hintergrundmusik auf deiner Hochzeit, die alleine zuhause sitzt und Hits schreibt“ und sich so mit einer Menge Groove und perfekt sitzendem Make-up an alle wendet, die für die Kunst allerhöchstens ein bisschen Kupfergeld übrig haben. Das Problem, dass Künstler umsonst spielen, habe es auch schon vor Corona gegeben: „Lieber nichts in den Hut werfen, als Cent-Stücke“, das sei der Grund gewesen, diesen Song zu schreiben, erzählt die Musikpädagogin nach den immer paarweise gezeigten Musikvideos.

Des weiteren präsentieren sich die gut frisierten The Bunburies, von der Kamera durch enge Gassen über gepflasterte Straßen verfolgt. Sie tragen den unverkennbar britischen Sound eines Pete Doherty im Blut, bei dem es glücklicherweise auch bleibt. Die Band Traveller hingegen spielt Metalcore ohne Ecken und Kanten; wuchtig bringen sie die Kamera zum Erbeben und erkunden metaphorisch im Caspar David Friedrich-Style die Grenzen über die sichtbare Welt hinaus, inklusive der obligatorischen Dampfhammer-Riffs, die sie sich mit ihren Genre-Kollegen von Maelføy teilen.

„Jede Band hat ein gutes Musikvideo“

Das Bandfusion-Team in den Flottmann-Hallen: v.l. Chris Wawrzyniak, der Moderator Pierre Cournoyer alias Le Pierre, Merlin Morzeck, Patrick Praschma und Stephan Bradler.
Das Bandfusion-Team in den Flottmann-Hallen: v.l. Chris Wawrzyniak, der Moderator Pierre Cournoyer alias Le Pierre, Merlin Morzeck, Patrick Praschma und Stephan Bradler. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Das Konzept funktioniere auch deshalb so gut, weil wirklich jede Band heutzutage ein gutes Musikvideo habe, erzählt Mitorganisator Chris Wawrzyniak, bevor es losgeht: „Und doch haben wir bei der Bandfusion sehr lange gebraucht, bis wir das eigentliche Konzept übersetzen konnten. Wir hatten dann die Idee, die wir technisch umsetzen mussten“, so Chris Wawrzyniak weiter. Eine wackelige Internetleitung kostet dann nur kurzzeitig etwa 40 Zuschauer, die wieder rechtzeitig im vom seichten und doch ausdrucksstarken perkussiven Gitarrenspiel und dem marinen Vokabular der Ein-Frau-Band Wolke fortgetragen werden.

Die Halbzeit leitet anschließend die Dauerwerbesendung der Band Strommasten ein, in der Konsumkritik mit NDW-Einschlag allen möglichen Unsinn zu verkaufen versucht, weil: „Neu ist immer besser“. Und weil zu viel des Guten manchmal einfach zu viel des Guten sein kann, bringt Le Pierre zwischen den Blöcken die jeweiligen Bands in einem Zoom-Meeting zusammen und kitzelt ihnen manch einen Schwank aus der Jugend heraus oder überlässt sie einfach sich selbst, was in unterhaltsamem Aufeinandertreffen der Folkpunks von The Schabernacks und der ebenso trinkfreudigen Schlagerkapelle Vadda sein Sohn mündet. So gelöst wie beide sich und die Zuschauer vorher in Schunkelstimmung versetzt haben, wird mit derben Sprüchen geklotzt. Das macht Spaß, da kommt noch mehr Stimmung auf.

Publikum bestimmt die Siegerin

607 Euro wurden gespendet

Durch die Möglichkeit zu spenden kamen 607 Euro zusammen, die unter den Künstlerinnen und Künstlern aufgeteilt werden.Jede der Bands bekam einen Preis, etwa einen Gutschein für Instrumentenreparaturen, Proberaummieten oder das Drucken von Bandshirts.Am 24. Mai soll die nächste Bandfusion in den Flottmann-Hallen stattfinden, in welcher Form, ist abhängig von den dann geltenden Hygienemaßnahmen.

Zum Schluss geht Jaana Redflower, mit klarer Vorstellung davon, wie moderner Rock zu klingen hat, mit ihrer Reibeisenstimme nach vorne: Sägend kündigt sich ein Solo an, verschwindet im dichten Riffing und zusammen mit ihren Marionetten im Video erinnert sie dabei nicht wenig an Tool in einer Lightversion. Gefolgt von Formosa, die ihre Amps auf elf gedreht haben und sich mit ihrem Okkult-Rock vor den 70er- und 80er-Jahren einschließlich ihrer Lichtgestalten verneigen. Und eben weil elf besser ist als zehn, sagt auch die Gewinnerin des letzten „Herbert!“-Jugendkulturpreises, Johanna Bojarzin, zum Ende hin noch einmal Hallo, bevor das PublikumSihna Maagé nach einigen Verwirrungen zur rechtmäßigen Siegerin erklärt. Ja, die Zeit ist gerade keine einfache, um so schöner ist es, live mitzuerleben, wie resistent der Wille weitermachen zu wollen ist.