Herne. Das Alarmsignal ist angekommen: Freie Kita-Träger sollen in Herne eine finanzielle Überbrückungshilfe erhalten. Warum das aber nicht reicht.
Der Evangelische Kirchenkreis Herne hatte Ende März Alarm geschlagen: Ohne eine finanzielle Überbrückungshilfe der Stadt stünden 320 Kita-Plätze auf der Kippe, weil der Trägeranteil nicht länger zu stemmen sei, so der damalige Hilferuf. Nun zeichnet sich eine Lösung ab – zumindest fürs Kindergartenjahr 2021/22.
Bei der Höhe der Trägeranteile ist Herne Schlusslicht
Eine Überbrückungsbetrag von insgesamt 462.638 Euro sollen die freien Kita-Träger in Herne für ihre Einrichtungen erhalten. Jeweils 175.000 Euro sollen die evangelische und die katholische Kirche als größte freie Träger bekommen. Das hat der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie am Mittwochnachmittag in seiner Sitzung im Volkshaus Röhlinghausen einstimmig entschieden. Der endgültige Beschluss am kommenden Dienstag im Hauptausschuss dürfte damit nur noch Formsache sein.
„Das entlastet uns, ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagte Elisabeth Weyen, Geschäftsführerin der Kindergartengemeinschaft des Evangelischen Kirchenkreises. „Da muss auf Dauer mehr passieren.“ Das weiß auch die Verwaltung. In der Vorlage für die Politik räumt der Fachbereich Kinder, Jugend, Familie offen ein, dass die freien Kita-Träger in Herne buchstäblich arm dran sind. Im Schnitt 23,4 Prozent der Trägeranteile würden bisher übernommen, was „inakzeptabel“ sei. „Die Stadt Herne ist in der Region Schlusslicht bei der Förderung der freien Träger im Kita-Bereich“, erklärt die Verwaltung frank und frei.
Städtevergleich ruft Politiker auf den Plan
Die negativen Konsequenzen seien inzwischen deutlich spürbar. Insbesondere vor dem Hintergrund der „massiven Versorgungsengpässe“ bei der Betreuung in Herne - akut sowie perspektivisch - sei eine Neuausrichtung der freiwilligen Leistungen unumgänglich, so die Verwaltung. Nur so könne auch die gewünschte Trägervielfalt beibehalten werden.
Insbesondere der Vergleich mit anderen Städten rief die Politik auf den Plan. „Es ist nicht gerecht, dass freie Träger in Nachbarstädten mehr erhalten“, sagte Jörg Högemeier (SPD). Grüne und CDU schlossen sich dieser Bewertung an. In Richtung der freien Kita-Träger sagte Högemeier, dass diese im Falle einer Neuordnung der Kita-Finanzierung in Herne ihre Kosten nicht „nach oben schraubten“.
Evangelischer Kirchenkreis weist Bedenken der SPD zurück
Die beiden Kirchen betreiben jeweils 17 Kitas
Der evangelische Kirchenkreis und die katholische Kirche sind mit jeweils 17 Kindertagesstätten die größten freien Träger in Herne. 17 weitere Einrichtungen verteilen sich auf insgesamt neun andere freie Träger, darunter die Lebenshilfe mit sechs und die Arbeiterwohlfahrt mit drei Kitas.Derzeit im Bau sind eine Kindertagesstätte der Awo an der Castroper Straße in Börnig sowie eine Kita der Lebenshilfe an der Bahnhofstraße in Herne-Mitte als Ersatz für den Übergangsstandort Düngelstraße.Eine weitere Einrichtung der Awo ist an der Wanner Karlstraße in Planung.
Das sei gar nicht möglich, weil das Kinderbildungsgesetz in NRW (Kibiz) den Rahmen für die Pauschalen setze und die Träger darauf keinen Einfluss hätten, konterte Elisabeth Weyen. Und auch das merkte die Vertreterin des evangelischen Kirchenkreis offenbar in Richtung SPD an: Bei Kibiz handele es sich um ein Landesgesetz, dessen Folgen die Kommunen ausbaden müssten. Die freien Träger und die Stadt säßen deshalb in einem Boot, so Weyen.
Zurück zur Überbrückungshilfe: Als erster Schritt sei diese eine „gute Lösung“, erklärte Stephanie Jordan, Leiterin des städtischen Fachbereich Kinder, Jugend, Familie. Neben der evangelischen Kirche hätten auch andere Träger auf die Finanzierungslücken hingewiesen. Das aktuelle System werde aber auf Dauer nicht funktionieren. Deshalb wolle die Verwaltung schon im Herbst Vorschläge für eine Neuausrichtung der Kita-Finanzierung vorlegen.