Herne. Viele Menschen leiden unter der Corona-Krise. In Herne ist die Zahl der psychischen Erkrankungen gestiegen. Experten erklären, woran das liegt.


Die
Corona-Zeit
ist für viele Menschen belastend. Vor allem für diejenigen, die ohnehin schon mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, ist die Pandemie eine
Herausforderung
. Auch in
Herne
steigt die Zahl der Patienten, die sich professionelle Hilfe suchen.


So stellt
Psychotherapeutin
Regina Winkel in ihrer Praxis an der Bahnhofstraße einen Anstieg der Nachfragen von Betroffenen fest. Angststörungen und Depressionen seien dabei die häufigsten Erkrankungen. Vor allem Frauen litten unter der aktuellen Situation. „Sie sind häufiger einer Doppelbelastung aus Homeoffice und Kinderbetreuung zuhause ausgesetzt“, so Winkel. Für viele ihrer Patienten sei die Corona-Pandemie eine zusätzliche Belastung.

Probleme und Sorgen von Betroffenen sollten ernstgenommen werden

Oft seien es wirtschaftliche Sorgen, die die Patienten nicht mehr zur Ruhe kommen ließen. Und genau das sei ein Warnsignal: „Wenn man nicht mehr gut ein- oder durchschlafen kann, ist das ein erstes Zeichen“, sagt Winkel. Wenn jemand über einen Zeitraum von zwei Wochen unter Stimmungstiefs leide und Schlaf- und Essstörungen entwickele, dann sei das ein Hinweis, dass diese Person sich professionelle Hilfe suchen sollte.

Bevor es aber so schlimm wird, könne es helfen, sich an der frischen Luft zu bewegen und nicht in negativen Gedanken zu verharren. „Dann sollte man aufstehen, sich ablenken – und wenn es nur ein Kaffee oder gute Musik ist.“ Soziale Kontakte seien ebenfalls wichtig, auch wenn Treffen zurzeit nur online stattfinden könnten. Auch Angehörige könnten helfen: „Es ist wichtig, den betroffenen Personen zu signalisieren, dass man ihre Probleme ernst nimmt. Auf keinen Fall sollte man sie herunterspielen.“



Dr. Peter W. Nyhuis, Ärztlicher Direktor vom St. Marien Hospital Eickel, erklärt, dass es zurzeit einen ähnlichen Effekt gebe wie während der ersten Corona-Welle im März: „Aus Angst vor einer Infektion meiden Patienten Krankenhäuser, das gilt auch für uns als psychiatrische Klinik.“ So sei der Anteil der schwer erkrankten Patienten in Behandlung gestiegen, während der Anteil der mittelschwer erkrankten Patienten gesunken sei.

Corona belastet auf zwei Arten

Es zeichne sich dennoch ein Anstieg der psychischen Erkrankungen während der Pandemie ab, wie verschiedene Studien zeigten, so Nyhuis. Grundsätzlich zeige sich aus den Erfahrungen der SARS-Epidemie 2002/2003 und der ersten Corona-Welle in diesem Jahr, dass internationale Gesundheitskrisen einen Anstieg von psychischen Erkrankungen bewirkten.

Dr. Peter W. Nyhuis ist Ärztlicher Direktor des St. Marien Hospital Eickel.
Dr. Peter W. Nyhuis ist Ärztlicher Direktor des St. Marien Hospital Eickel. © Unbekannt | Elisabethgruppe



Denn das Thema Corona belaste die Menschen seit März auf zwei Arten
, erklärt der Experte. Zum einen bestehe ein direktes Gesundheitsrisiko durch das Virus. „Zum anderen erleben wir eine Einengung unserer Freiheit durch Kontaktbeschränkungen und Auflagen.“ Wenn Menschen diesen Faktoren über eine längere Zeit ausgesetzt seien, dann könne dies den Ausbruch einer psychischen Erkrankung auslösen. Die eigenen mentalen Werkzeuge reichten dann nicht mehr aus, um eine Krise zu bewältigen. So brauchten nun auch Menschen Unterstützung, die
vor Corona
ohne ärztliche Betreuung ihre Probleme lösen konnten.

Im Winter-Corona-Blues sollte man aktiv bleiben

Ab wann bei dem Einzelnen Zweifel und Ängste Überhand nehmen und das Grübeln kein Ende findet, sei individuell unterschiedlich. „Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass es ratsam ist, sich Hilfe zu suchen, wenn das Gefühl eintritt: ‘Ich komme hier alleine nicht mehr raus’“, so Nyhuis.

Gegen den Winter-Corona-Blues helfe es, aktiv zu bleiben und sich nicht zu verkriechen. Auch während der aktuellen Beschränkungen sei das Ausüben von Hobbys möglich, „darauf sollte auf keinen Fall verzichtet werden“. Hierzu zähle zum Beispiel Bewegung an der frischen Luft. Auch ein Ehrenamt könne in diesen Zeiten hilfreich sein. Gerade in der ersten Welle habe es eine große Solidarität gegeben: Junge Menschen seien zum Beispiel für ältere Menschen einkaufen gegangen, so Nyhuis. „Das ist nur ein Beispiel für eine gegenseitige Unterstützung und solche Aktionen tun beiden Seiten gut.“



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