Herne. Hülsmann-Wirt „Sabby“ war fünf, als er mit Mutter und Schwestern Griechenland verließ und in Eickel eine neue Heimat fand. 50 Jahre ist das her.
Es ist kurz nach neun am Montagmorgen und eigentlich Ruhetag für Sabedin Houssein-Oglou, der sich erst mal einen Kaffee an der hauseigenen Maschine macht und hinter der Theke nach Getränkewünschen fragt. Auf dem Tresen im „Hülsmann“ steht noch eine leere Tasse vom Vorabend, den er mit Freunden hier in seiner Kneipe verbracht hat. Menschenleer wirkt sie irgendwie fremdartig. Vielleicht passend zu seiner Geschichte. Um sie zu erzählen, sitzt er zu ungewohnter Stunde hier.
„Sabby“, wie ihn alle nennen, erzählt von damals, als er vor 50 Jahren am 22. Februar 1970 als Fünfeinhalbjähriger zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern und seiner Mutter in Zeiten des Gastarbeiter-Zuzugs von seiner griechischen Heimatstadt Xanthi nach Wanne kam. Über die Schwierigkeiten, als junger Migrant angesichts mancher Ressentiments Fuß zu fassen, und über die Entwicklung der Stadt, wie er sie miterlebt hat.
Vater holte die Familie nach
Es beginnt mit dem Vater, den ehemalige Nachbarn aus der griechischen Heimat von Meschede, wo er zunächst ein Jahr alleine lebte und arbeitete, nach Wanne-Eickel holten. Dort fand er bei GEA Luftkühler Arbeit und in Eickel an der Hordeler Straße ein neues Zuhause für die Familie. „Meine Mutter, meine beiden Schwestern und ich haben uns Kopfkissen und Decken mitgenommen, im Grunde einen kompletten Hausstand, der in die Koffer passte“, erinnert sich Sabby im eigenen Zigarettendunst.
So bepackt ging es mit der „Bimmelbahn“ von Xanthi ganz im Westen Griechenlands, nahe der bulgarischen Grenze, nach Thessaloniki und zu einem Zwischenstopp ins ehemalige Jugoslawien, wo sich Sabby und seine Geschwister zum ersten Mal allein mit Durchsagen in unbekannter Sprache und einer fremden Umgebung konfrontiert sahen. Nach einem Irrweg durch Bochum fand sich die Familie mitten im Kohlenpott wieder. „Für uns war das alles ungewohnt, alles schwarz und verrußt. Die Wäsche etwa, die zum Trocknen aushing, war sofort wieder voll mit Staub“, weiß Sabby noch.
Spielen auf dem Gelände der Zeche Hannover
Für die Schule noch zu jung und für Kindergarten zu alt, blieb ihm so viel Zeit, um in den ungepflasterten Hinterhöfen herumzuturnen, sich im Schlamm zu wälzen oder auf dem Gelände der Zeche Hannover herumzutreiben, dessen Förderturm vom Küchenfenster aus zu sehen war.
Einige Jahre später sei er der erste Ausländer gewesen, der bei GEA Luftkühler die Lehre als Kessel- und Behälterbauer angefangen und beendet habe: „Das vergesse ich immer, aber es ist wahr,“ muss Sabby schmunzeln, dessen Weg ihn über eine weitere Lehre zum Maschinenbautechniker schließlich in die Gastronomie führte. „Knoblauchfresser“ oder „blöder Ausländer“ waren da noch harmlosere Anfeindungen, denen sich der Wahl-Wanne-Eickeler ausgesetzt sah: „Auf der Technikerschule war es schlimm. Hier hatte ich wirklich das Gefühl, die Klasse wollte keine Ausländer haben.“
Türsteher wiesen den Griechen ab
Bewerbungen kamen teilweise ungeöffnet zurück, und er kam oft nicht in die Diskotheken herein, was sich zum Glück geändert habe. Doch Eickel sei immer Eickel geblieben: „Die Häuser werden schöner und die Menschen älter. Wanne jedoch hat sich schlagartig geändert, mit dem Rückgang von Geschäften.“
Seine Heimat sei Xanthi, aber das Zuhause sei hier: „Heimat ist, wo du geboren bist.“ In Xanthi ist er fast jedes Jahr zu Besuch gewesen, dort lebt immer noch ein Teil der Familie. Sein Vater ist inzwischen gestorben, die Mutter und die beiden Schwestern in Deutschland geblieben. „Aber ganz ehrlich: Beide Orte sind meine Heimat und mein Zuhause.“