Frank Heu ist neuer Chef der überparteilichen Europa-Union in Herne. Im Interview spricht er über Merkel, die Türkei, Ambitionen und vieles mehr.
Frank Heu (CDU) ist neuer Vorsitzender der überparteilichen Europa-Union in Herne. WAZ-Redakteur Lars-Oliver Christoph sprach mit dem 54-jährigen Polizisten über die Krise in der EU, die Wahl in der Türkei, persönliche Ambitionen und vieles mehr.
Wenn Sie sich entscheiden müssten: Sind Sie vor allem Herner, Ruhri, Deutscher oder Europäer?
Frank Heu: Viermal Platz 1 – da kann ich nichts ausschließen. Ich bekenne mich zu Herne, bin ein Kind des Ruhrgebiets, Deutscher und natürlich auch Europäer. Das ist alles in der Waage.
Welchen Stellenwert, welche Bedeutung hat Europa für Sie?
Ich bin schon immer überzeugter Europäer gewesen. Ich habe Europa noch mit Mauern und Grenzen erlebt. Ich war als Jugendlicher beim Katholikentag in Berlin und musste damals in die DDR einreisen. Das fand ich sehr befremdlich. Als ich später noch zu DDR-Zeiten erneut in Berlin war, habe ich von einem Volkspolizisten an der Grenze erfahren, dass ich meine erste Fachprüfung als Polizist bestanden habe; das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Solche Erfahrungen haben mich geprägt. Ich bin froh und stolz, dass wir heute ein geeintes und freies Europa haben.
Sind Sie einem Land in Europa ganz besonders verbunden?
Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass ich zur Türkei eine besondere Beziehung habe. Meine Ehefrau ist migriert; wir haben Verwandtschaft in der Türkei.
Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung in der Türkei kurz vor der dortigen Parlamentswahl?
Ich finde die Situation sehr bedenklich. Ich habe eine klare Linie: Deutsch-Türken, die hier leben, dürften eigentlich nicht in der Türkei wählen. Ich kann nicht in Deutschland alle Vorteile der Demokratie und der Meinungsfreiheit genießen und gleichzeitig einen Autokraten in einem Land wählen, in dem ich nicht lebe und an dem ich nicht teilhabe.
Griechenland ist nach wie vor in der Krise, der Brexit hat die EU erschüttert, in Polen und Ungarn gibt es einen Rechtsruck. Und auch in Italien sind nun Europagegner an der Regierung. Droht die Europäische Union zu zerfallen?
Ich finde das alles sehr bedauerlich. Die 26 Länder der EU müssen gemeinsam auftreten, nur dann ist Europa wieder stark. Man muss aber auch den Fokus auf die Schulen und die Bildungspolitik legen.
Was meinen Sie damit?
Viele junge Menschen kennen nur das heutige Europa ohne Mauern, Grenzen und Kalten Krieg. Alles wird als selbstverständlich erachtetet. Es werden nur die negativen Seiten der EU gesehen, nicht aber die großen Vorteile. Und wir erleben eine junge Generation, die anders als frühere Generationen nicht mehr bereit ist zu kämpfen.
Steht Europa demnach am Abgrund?
Nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich glaube, dass sich die Lage wieder stabilisiert. Griechenland ist dafür ein gutes Beispiel; die Entwicklung ist dort positiv.
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron will Europa reformieren und stärken. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nun erstmals dazu Stellung genommen. Teilen Sie die öffentliche Kritik an ihren Äußerungen?
Nein. Wir dürfen in Deutschland nicht alles Negative, was mit Europa zu tun hat, auf Angela Merkel abladen. Die Schelte hat sie nicht verdient. Unterm Strich hat sie als Kanzlerin viel für Europa getan und wird auch noch Einiges tun. Wenn es Menschen wie Angela Merkel oder auch Emmanuel Macron nicht gäbe, wäre Europa vielleicht schon zerbrochen.
Ein großer Konflikt in Europa ist die Aufnahme von Flüchtlingen. Wie lässt sich das Problem lösen?
Andere Staaten müssen ebenfalls bereit sein, Flüchtlinge aufzunehmen. Weit über 30 Prozent aller Flüchtlinge, die nach Europa kommen, wollen nach Deutschland und landen auch hier. Hier müssen andere Lösungen her. Europa muss sich zusammenraufen und finanziell arg gebeutelten Ländern wie Griechenland und Italien, die EU-Außengrenzen haben, helfen – zum Beispiel durch die Einrichtung von „Hot Spots“. Solidarität kann nur gemeinsam gelebt werden.
Spüren Sie auch in Herne eine zunehmende Skepsis gegenüber der Europäischen Union?
Ja, das spüre ich schon. Wir haben es versäumt die Menschen mitzunehmen und Europa transparent zu machen. Ich sehe mittlerweile aber eine Trendwende. Ich glaube, die Menschen stellen mehr und mehr fest, dass Europa wichtig ist und gebraucht wird. Ich bin auch sehr zuversichtlich hinsichtlich der Beteiligung in Deutschland an der Europawahl 2019.
Wie ist die Herner Europa-Union aktuell aufgestellt?
Wir sind in den vergangenen zwei Jahren in einen Dornröschenschlaf gefallen, aus dem wir nun aber erwacht sind. Wir wollen wieder stärker öffentlich in Erscheinung treten. Aus dem Wahlkampf werden wir uns 2019 als überparteiliche Vereinigung aber heraushalten.
„Holpriger Start“ für die Große Koalition
Zur Parteipolitik: Sie sind Vorsitzender der CDA, der CDU-Arbeitnehmer in Herne. Vor zwei Jahren haben Sie sich um die Landtagskandidatur beworben, damals aber gegen Sven Rickert verloren. Haben Sie für die Zukunft Ambitionen oder persönliche Ziele?
Ach, Wünsche oder Ambitionen hat doch fast jeder. Wir sind aber in der Herner CDU mit Paul Ziemiak im Bundestag und dann wohl nach der Europawahl weiterhin mit dem Bochumer Dennis Radtke im EU-Parlament gut aufgestellt. Was in den nächsten Jahren passiert, wird man dann sehen.
Wie bewerten Sie die Arbeit der Großen Koalition im Bund?
Der Start war etwas holprig, was angesichts der Vielzahl der Probleme aber nicht verwunderlich ist.
Und was sagen Sie zum ersten Jahr der schwarz-gelben Regierung in NRW?
Damit bin ich sehr zufrieden; die Ergebnisse sind vorzeigbar. Die Umfragewerte bestätigen die CDU und Ministerpräsident Armin Laschet. Es ist aber nicht so einfach, die Strukturen in den von der SPD und zuletzt von Rot-Grün geprägten Ministerien und Behörden zu ändern. Das braucht seine Zeit.
Wie bewertet der Polizist Frank Heu die Innen- und Sicherheitspolitik von Schwarz-Gelb in NRW?
Positiv. Im ersten Jahr ist sehr viel passiert, viele Ankündigungen sind bereits umgesetzt oder auf den Weg gebracht worden.
Favoriten: Brasilien und Kramp-Karrenbauer
Dass ich mal Mitglied der SPD war, ist aus heutiger Sicht …
… kein Fehler gewesen. Ich bin dann aber im Jahr 2000 aus der SPD ausgetreten, weil ich mich mit vielen Dingen nicht mehr identifizieren konnte.
Der nächste Kanzlerkandidat/die nächste Kanzlerkandidatin der CDU heißt …
… Annegret Kramp-Karrenbauer.
Der nächste Fußball-Weltmeister heißt …
… nicht Deutschland. Wir werden eine gute Rolle spielen und vielleicht auch ins Halbfinale kommen. Für die Spitze wird es aber nicht reichen. Die Brasilianer und auch die Spanier sind stärker einzuschätzen.
Als leidenschaftlicher Radfahrer ärgere ich mich immer wieder über . . .
… zu wenige und schlecht ausgebaute Radwege in Herne und im Ruhrgebiet. Ich war kürzlich in Holland und habe dort ganz andere Erfahrungen gemacht.
Als Leser der WAZ Herne habe ich mich zuletzt geärgert über …
… eigentlich nur Kleinigkeiten. Aber Moment, da fällt mir doch noch etwas ein. Ich habe mich ein wenig über die Berichterstattung über eine rechtspopulistische Partei geärgert, als diese einen Parteiprominenten nach Herne geholt hat.
Sie meinen die AfD und den Auftritt von Hans-Thomas Tillschneider im Kuz.
In dem Bericht über die Veranstaltung und die Gegendemonstration ist die Partei zwölf Mal genannt und dadurch aufgewertet worden. Das muss nicht sein.
Zur Person: Seit 37 Jahren Polizist
Der gebürtige Herner Frank Heu (54) ist verheiratet und hat drei Kinder (27, 15 und 13).
Der Constantiner ist seit 1981 Polizist. Er arbeitet als Hauptkommissar im Polizeipräsidium Bochum.
Zur Organisation: 150 Mitglieder in Herne
Die Europa-Union bezeichnet sich selbst als „größte Bürgerinitiative für Europa“ in Deutschland.
In Herne hat die überparteiliche Vereinigung aktuell rund 150 Mitglieder. Vorgänger von Frank Heu an der Spitze des Herner Kreisverbandes war der Pfarrer Horst Hoffmann.