Herne. Der Herner Willi Thomczyk, der Ex-“Camper“ von RTL, plant eine eigene Kochshow. Im Interview nennt er sich einen „positiven Negativisten“.

Der Herner Willi Thomczyk (67) spielte von 1997 bis 2006 die Hauptrolle in der RTL-Comedy-Serie „Die Camper“. Der Schauspieler („Tatort“, „Bang Boom Bang“, „Was nicht passt, wird passend gemacht“) hat in den vergangenen Jahren vor allem seine Liebe zur Musik, der Schriftstellerei und der Kunst ausgelebt. Nach über 40 Jahren in Herne hat es ihn nach Wuppertal verschlagen.

Warum sind Sie nach Wuppertal gezogen?

Es war ein Experiment. Ich brauchte tatsächlich mal eine Auszeit vom Ruhrgebiet, speziell von Herne. Hier kennt mich ja fast jeder, wir wurde es einfach zu viel.

Was hat Ihnen hier nicht mehr gefallen?

Herne und Wanne-Eickel sind meine Heimat, das wird auch immer so bleiben. Aber mein schönes großes Haus, eine Stadtvilla mitten in Herne, wurde mir zu einer Last. Was soll ich mit 14 Zimmern auf drei Etagen? Ich lebe ja alleine.

Vermissen Sie Herne nicht?

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Ich bin jetzt fast zwei Jahre in Wuppertal, habe dort eine Loftwohnung (ehemalige Wurstfabrik), in der ich wohne und arbeite. Aber ich werde bald wieder nach Herne zurück kommen. Herne ist meine Heimat und die meisten meiner Freunde leben dort.

Mit 67 sind Sie im Rentenalter, wirken aber wie „Der bewegte Mann“. Bei Ihnen ist immer viel los?

Aber hallo. Ich habe mich weiter entwickelt, vor allem als Schriftsteller, Maler und Musiker. Ich bin noch immer das Enfant terrible, aber mit etwas mehr Milde, der dennoch gerne Gas gibt.

Das hört sich nicht nach Langeweile an. Gab es auch einsame Momente in Ihrem Leben?

Die gab es, und die wird es immer wieder geben. Mich machen solche Phasen aber nicht depressiv, im Gegenteil. Ich begreife das Negative als etwas sehr Produktives für mein Leben und meine Kunst. Ich bin ein positiver Negativist.

Wie kann man das verstehen?

Ganz einfach: Wir sind eine Daumen hoch-Gesellschaft, alles muss immer möglichst positiv und gut sein. Bei uns muss immer alles glatt laufen. Dabei vergessen wir oft, dass gerade das Negative der Motor ist, der uns wirklich weiter bringt und weiter entwickelt.

Kunst kann auch Therapie sein, sagt Willi Thomczyk, hier mit seinen Skulpturen „Heil Apfel“.
Kunst kann auch Therapie sein, sagt Willi Thomczyk, hier mit seinen Skulpturen „Heil Apfel“. © Unbekannt | Thorsten Hup

Sind Sie nicht auch negativ?

Ja natürlich, aber zurecht. Wir können uns nicht alles bieten lassen, wir müssen auch kritisieren beziehungsweise negieren. Unser Fortschritt der Digitalität beispielsweise wird zu sehr hingenommen, ohne echte Widerrede. Ich kenne kaum jemanden, ob Erzieher oder Politiker, die den Fortschritt der digitalen Entwicklung kritisieren. Weil wir alle mittlerweile Bebilderte und Belieferte sind, kurz Konsumvieh.

Waren Sie denn auch mal arbeitslos?

Dieses Wort kenne ich nicht. Ansonsten hatte ich immer viele Jobs. Mein Favorit: Teppichverkäufer bei Karstadt in Wanne. Kein Wunder, dass dort die erste Filiale dicht gemacht wurde (lacht).

Was sind Ihre aktuellen Projekte?

Die Malerei, zurzeit entsteht eine Serie mit Köpfen des 20. Jahrhunderts. Ein neuer Schwerpunkt sind meine Skulpturen „Heil Apfel“, die unsere digitale Transformation kritisieren. Dazu schreibe ich an einem Buch „Wir haben unsere Kinder längst verloren? Rettet die Kinder!“ Durch die Digitalität wird die Kindheit eliminiert, die Kinder aus Bullerbü sind Geschichte.

Ist die Kunst auch eine Art Therapie für Sie?

Gute Frage. Die Kunst kann auch Therapie sein. Ja, sie hilft mir – und sicher vielen anderen Menschen – diese Welt besser zu ertragen. Nur die Schönheit rettet die Welt.

Verkaufen Sie Ihre Werke oder ist es Selbstzweck?

Natürlich ist es Selbstzweck, es geht ja um mein Selbst. Und von irgendwas muss ich auch leben, meine Rente reicht dafür leider nicht aus.

Was lieben Sie besonders an Ihrem Leben?

Meine Musik und meine Kochkünste.

Sie sind ein Hobbykoch?

Ich bin weder Hobby-Musiker noch Hobby-Koch. Ich bin ein Liedermacher mit poetischen Texten. Und ich bin ein Spitzenkoch. Mit Leidenschaft und Können. Davon kann sich demnächst übrigens jeder eine eigene Meinung bilden. Ich plane gerade ein neues Format: „Willi kocht“.

Kommen Sie damit wieder ins Fernsehen?

Es wird eine besondere Live-Kochsendung sein, die noch in diesem Jahr viral ausgestrahlt wird. Ich werde kochen, aus meinem Ruhrgebietsroman vorlesen und Musik machen. Überraschungen inklusive.

„Willi kocht“ – so soll die Kochshow von Willi Thomczyk heißen.
„Willi kocht“ – so soll die Kochshow von Willi Thomczyk heißen. © Unbekannt | Thorsten Hup

Welches ist Ihr Lieblingsrezept?

Zur, die polnische Nationalsuppe, und polnische Klöße. So hat es auch schon meine oberschlesische Mutter gekocht.

Was schmeckt Ihnen denn gar nicht?

Alles, was ich nicht selbst koche.

Ihr Lebensmotto?

Carpe diem: Nutze den Tag. Das ist typisch für unsere Gesellschaft, alles muss einen Nutzen haben – vernutzen, benutzen. Aber wörtlich übersetzt heißt es bei Horaz: „Pflücke den Tag.“ Genau das ist mein Lebensmotto.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Aktuelles von Willi Thomczyk

Ausstellung Thorsten Poersch und Willi Thomczyk „Abstraktion + Digitales“,, Das Kunstwerk im Zeitalter der digitalen Transformation. Galerie KiR in Oberhausen (Elsässer Straße 21), noch bis 27. März

Ausstellung/ Kunstmesse Battersea in London 10. bis 13. März, affordableartfair.com/fairs/london-battersea-spring

Roman „Kalischewski – Ode an die Freundschaft“, Ruhrgebiets-Roman, 14,95 Euro von 2020; „Stadt aus Eis“, Musik-CD.