Herne. Der Prinzipal des Herner Mondpalasts hat nie einen Hehl aus seiner sexuellen Orientierung gemacht. Sein Rat an andere Schwule: „Lebt authentisch“.

„Ich bin schwul“, sagt Christian Stratmann, wenn er jemandem mitteilen will, dass sein Herz einem Mann gehört. Ist ja kein Schimpfwort mehr wie früher. „Ich bin homosexuell“ käme ihm doch etwas gespreizt vor, und das neuerdings gern benutzte „queer“ mag der 70-Jährige auch nicht. Aber so oft erklärt er es auch gar nicht. Erstens „wissen es alle“, und zweitens „trag ich das nicht wie ein Schild vor der Brust“. „Für mich ist das Normalität, so wie andere hetero- oder bisexuell sind.“

Im Foyer des Mondpalasts hat der Fotograf den Prinzipal des Volkstheaters gerade mit seinem Lebenspartner abgelichtet. Mohammad Shbieb ist seit drei Jahren der Mann an seiner Seite, und er sitzt auch beim Gespräch daneben, im leeren Theaterrestaurant mit Blick auf den Wanne-Eickeler Stadtgarten, wo seit Monaten keiner mehr in der Pause ein Bier getrunken hat. Aber das ist ein anderes Thema.

Er habe sich gefreut auf das Gespräch, wird Christian Stratmann später erzählen, denn jedes Sprechen über das Schwulsein könne dazu beitragen, dass sich Verkrampfungen lockern. Immer noch, das weiß er, laufen jede Menge schwule oder bisexuelle Männer herum, die es nicht wagen, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. Und das findet er schade.

Für die Mutter nicht ganz einfach

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Für Christian Stratmann war das Schwulsein nie ein Problem, sagt er. Für seine Mutter schon. „Sie hat 1929 bei den Nonnen das Abitur gemacht“, erklärt er. Streng katholisch also, die Familie, in die das jüngste von neun Kindern 1951 hineingeboren wurde. Gesprochen haben sie zu Hause nicht über seine Vorliebe für das männliche Geschlecht. „Sie wusste es und ich wusste es, und sie hat mich trotzdem von ganzem Herzen geliebt. Wir haben uns fantastisch verstanden.“

Bei aller Liebe

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„Ich habe mich nicht mit einem großen Knall geoutet“, erzählt Stratmann. Wenn es sich anbot, habe er darüber gesprochen. Sich zu verbiegen oder „Stories zu erzählen“, wie er es nennt, sei nicht sein Fall gewesen. Dass jemand einen anderen outet, wie seinerzeit der Filmemacher Rosa von Praunheim Alfred Biolek, lehnt er ab. „Jeder muss mit den Konsequenzen leben“, sagt er, und deshalb selbst entscheiden, was er preisgebe. Sein ganz persönlicher Rat: „Lebt authentisch, dann habt ihr mehr vom Leben.“

„Ich weiß, dass es Umfelder gibt, wo es sehr schwierig ist, darüber zu sprechen“, sagt Stratmann. In der Kirche und im Fußball zum Beispiel. Dass sich selbst in der Unterhaltungsbranche die Prominenz schwer tut, sich als schwul, lesbisch oder transgender zu erkennen zu geben, wurde erst kürzlich im Magazin der Süddeutschen Zeitung deutlich. „Da war ich überrascht“, gibt Stratmann zu.

Entspanntes Verhältnis zu Frauen

Für ihn selbst sei es immer wichtig gewesen, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu bekennen. „Weil das Teil meiner Persönlichkeit ist. Es rechtfertigt sich doch auch keiner für seine Heterosexualität.“ Gemieden, diskriminiert oder beleidigt habe er sich nie gefühlt. „Es war halt so.“

Zu Frauen hat er ein entspanntes Verhältnis. „Wo sich ein heterosexueller Mann zurückhalten müsste, kann ich Komplimente machen.“ Und das nutzt er aus, in der Gewissheit, dass Flirts niemals als sexuelle Belästigung ankommen können. Stratmann lacht: „Nichts läge mir ferner ...“ Und das mache auch den Frauen Spaß.

Partnerschaft offiziell besiegelt

Ab 2011 eingetragene Lebenspartner: Christian Stratmann (re.) und Ryszard Prusak im Rittersaal von Schloss Westerholt in Herten.
Ab 2011 eingetragene Lebenspartner: Christian Stratmann (re.) und Ryszard Prusak im Rittersaal von Schloss Westerholt in Herten. © WAZ | Wolfgang Quickels

20 Jahre lang war Christian Stratmann mit Ryszard Prusak eng verbunden, die letzten vier Jahre vor dessen Tod 2015 als eingetragene Lebenspartner. „Das war mir wichtig“, sagt er. „Das Bekenntnis zu meinem Partner und seines zu mir.“ Auch um die Versorgung des Partners sei es gegangen. Der offizielle Status bewährte sich, als Ryszard krank wurde.

Seit drei Jahren teilt Stratmann sein Leben und seine Wohnung in Essen-Rüttenscheid mit einem anderen Mann. Stratmann und der fast 30 Jahre jüngere Mohammad Shbieb trafen sich als Touristen in einem Café in Dresden. Der syrische Lehrer, 42, war als Geflüchteter in Griechenland anerkannt worden, unterrichtete dort Arabisch und durfte als EU-Bürger reisen. „Ein Jahr sind wir hin und her geflogen und dann haben wir gesagt: Wir ziehen zusammen“, erzählt Stratmann. Das war kurz vor Corona. „Ich habe meinen Mann gefunden“, sagt Mohammad Shbieb. „Das ist mein Grund, nach Deutschland zu kommen.“ Seine Erfahrungen in der Heimat waren traumatisch. In Syrien, wo Homosexualität bestraft wird, musste er Verfolgung fürchten und ein Doppelleben führen. „Ich war immer unter Druck.“

Vorsicht bei homophoben Sprüchen

Auch Stratmann kennt noch homosexuelle Männer, die ins Gefängnis mussten - in Deutschland, wo der §175 erst 1994 abgeschafft wurde. Zwar seien die Verhältnisse damit nicht mehr zu vergleichen, aber: „Man muss fein aufpassen“, sagt Stratmann und denkt an homophobe Sprüche in den sozialen Medien.

Den Altersunterschied erlebt das Paar nicht als störend. „Ich fühle mich nicht viel älter“, versichert Stratmann mit einem Lachen. Und außerdem sei eine Partnerschaft ja dafür da: „sich zu ergänzen und zu fördern“. Dass er nach Ryszards Tod noch einmal einen Mann gefunden hat, macht ihn glücklich. „Ich hab’ gedacht, das war’s mit der Liebe. Damit hätte ich nicht gerechnet.“