Herne. 2020 sorgte ein Gutachten für Unruhe am Herner Marien Hospital: Der Status als Uni-Klinik steht in Frage. Hilfe kommt nun von Ingrid Fischbach.
„Der Status des Marien Hospitals Herne als Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum steht in Frage.“ Diese Möglichkeit stand Anfang 2020 im Raum und dürfte bei der St. Elisabeth-Gruppe als Betreiber für Unruhe gesorgt haben. Durch die Corona-Pandemie trat diese Diskussion zwar in den Hintergrund, doch nun wird sie fortgesetzt. Das Marien Hospital bekommt dabei Schützenhilfe: von der ehemaligen Herner Bundestagsabgeordneten Ingrid Fischbach.
Darum dreht sich die Diskussion: Als die Ruhr-Universität gegründet wurde, sollte sie auch eine medizinische Fakultät bekommen. Allerdings entschieden sich die Verantwortlichen damals gegen den Bau einer neuen Uniklinik, sondern entwickelten das Bochumer Modell: Die medizinische Fakultät wurde durch verschiedene Krankenhäuser in Bochum und deren Träger gebildet. 1977 kam das Marien Hospital Herne hinzu.
Gutachter sehen negative Einflüsse auf Studium und Forschung im „Bochumer Modell“
Lange wurde das Bochumer Modell als Erfolg betrachtet, doch die Gutachter des Wissenschaftsrats, die im Sommer 2019 im Auftrag der Landes die Universitätsmedizin in NRW unter die Lupe nahmen, kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Struktur des Bochumer Modells „erkennbar negativ auf Studium, Studierbarkeit, Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs sowie eine innovative Krankenversorgung“ auswirke. Deshalb empfehlen sie, die zwölf Standorte, die in diesem Modell vereint sind, auf drei bis fünf zu reduzieren.
Damit gerät auch das Herner Marien Hospital ins Blickfeld. Würde es seine Status als Uni-Klinikum verlieren, würden dort Forschung und Lehre entfallen. Das wäre nicht nur vor dem Hintergrund der vor wenigen Jahren neu gebauten Hörsäle ein herber Schlag, es hätte womöglich auch andere Folgen: Die Zahl der Patienten könnte sinken, weil diese sich eher für ein Uni-Klinikum entscheiden, als für eine Klinik ohne diesen Status. Mit weniger Patienten würde die Wirtschaftlichkeit sinken.
„Das Bochumer Modell funktioniert, es gibt aktuell keine Gründe, Standorte aufzugeben“, sagt Ingrid Fischbach im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Die ehemalige Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium hat vor wenigen Monaten das Ehrenamt als Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Bochumer Universitätskliniken übernommen und kämpft seitdem für das Bochumer Modell.
„Das Modell läuft gut, doch es gibt Veränderungsbedarf“
„Warum sollte man etwas kaputt machen, was gut läuft“, so Fischbach. Sie hätte die Aufgabe nicht übernommen, wenn es nur darum gegangen sei, die Zahl der Unikliniken abzubauen. Fischbachs Ziel ist es vielmehr, das Bochumer Modell zum Vorzeigeprojekt zu machen und die Vorteile herauszustellen. Einer sei, dass Studenten die Möglichkeit haben, in einem eng begrenzten Radius rund 4000 Patienten zu sehen. Fischbach verweist auch darauf, dass es international einige dieser dezentralen Modelle gebe.
Doch sie räumt ein, dass es Veränderungsbedarf gebe, damit das Bochumer Modell im Vergleich mit anderen Uni-Kliniken konkurrenzfähig bleibt. Dazu zählt sie mehrere Punkte auf. Sie versteht, dass die Ruhr-Uni und das NRW-Wissenschaftsministerium im Bereich Forschung und Lehre Einflussmöglichkeiten bekommen wollen. Fischbach: „Es gibt bislang kein Gremium, in dem die Kliniken, die Ruhr-Uni und das Land zusammen sitzen.“ Der Grund: Die Kliniken im Bochumer Modell werden nicht wie die anderen Uni-Kliniken ausreichend vom Land finanziert. Das Herner Marien Hospital ist zum Beispiel Teil der katholischen St. Elisabeth-Gruppe, die eigenverantwortlich wirtschaftet und handelt.
„Das Herner Marien Hospital und die anderen Kliniken sind aufgestellt“
Diese Mitsprache habe ihre Bedeutung bei einem anderen Punkt: „Forschung und Lehre müssen gewährleistet sein“, so Fischbach. Wenn das Land Mittel zur Verfügung stelle, könne es auch erwarten, dass Forschung stattfindet. „Wo Uni-Klinik drauf steht, muss auch Uni-Klinik drin sein“, betont Fischbach. Professoren, die sich besonders engagieren, könnten mehr Fördergelder bekommen. Das führt Fischbach zur Frage, welche Klinik welche Professuren benötige. Man müsse diskutieren, ob und wann es Sinn mache, Doppel-Professuren zu finanzieren.
Fischbach stellt eine konkrete Forderung auf: „Wir brauchen eine vernünftige IT-Infrastruktur, die ist für die Forschung wichtig. Wir können mit dem Pfund ,Daten’ wuchern und zeigen, dass man nirgendwo mehr Daten zur Verfügung hat als im Bochumer Modell.“ Es müsse aber möglich werden, dass die Kliniken die Daten untereinander austauschen können.
In der Frage des Status als Uniklinik sieht Ingrid Fischbach das Marien Hospital Herne - wie auch die anderen Kliniken - gut aufgestellt. Herne habe eine sehr gute Spezialisierung, Mediziner des Marien Hospitals tauchten regelmäßig in verschiedenen Ranglisten für Spitzenmedizin auf. Der Ruf reiche weit über die Herner Grenzen hinaus.
>>> ZUR PERSON
■ Ingrid Fischbach zog 1998 in den Bundestag ein. Zuvor gehörte sie vier Jahre dem Herner Rat an. Von 2010 bis 2012 war sie Mitglied des CDU-Bundesvorstands, 2009 wurde sie von der CDU-Bundestagsfraktion zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Ab 2014 war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.
■ Vor dem Einzug in den Bundestag arbeitete sie als Lehrerin - zuletzt an der Erich-Fried-Gesamtschule.