Heiligenhaus. Regelmäßig überprüft ein Westnetzmitarbeiter in Heiligenhaus, wie nah die Bäume an die Freileitungen herangewachsen sind.

Johannes Hacks ist ein wahrer „Hans-guck-in-die-Luft“. Wenn er durch den Wald geht, scannen seine Augen jeden Baum von der Krone über den Stamm bis zur Wurzel. Dazu hat er die Stromleitungen im Blick, die über den Baumwipfeln hängen. Der 53-Jährige ist Trassenkoordinator der Westnetz GmbH, die jene Freileitungen betreibt, durch die der Strom zu den Umspannwerken fließt, die wiederum die Endverbraucher versorgen.

Lebensgefahr bei Erdschluss

110 000 Volt befinden sich in den Seilen. Johannes Hacks ist gelernter Elektrotechniker, er weiß, was passieren kann, wenn die Leitungen mit den umstehenden Bäumen in Berührung kommen. Bei einem Erdschluss kann in halb Heiligenhaus der Strom ausfallen. Das ist eher noch das kleinere Problem angesichts der Tatsache, dass Brände entstehen können und Menschen in Lebensgefahr geraten.

Leiterseile schwingen und dehnen sich aus

Auch wenn der Trassengeher an diesem Tag bei schönstem und windstillem Sommerwetter unterwegs ist, im Hinterkopf hat er immer auch die anderen Witterungsbedingungen und deren Auswirkungen auf das Verhalten der Freileitungen. „Ein Leiterseil bewegt sich 55 Grad im Winkel seitwärts, dadurch können auch Bäume die nicht unter, sondern neben den Leitungen stehen, etwa im Falles eines Sturmes berührt werden.“ Und: Besonders heiße Temperaturen führen zu einer Ausdehnung des Leitungsmaterials. „An heißen Sommertagen ergibt sich eine Höhendifferenz von bis zu sechs Metern.“

Outdoor-Notebook ständiger Begleiter

Johannes Hacks (rechts) schaut sich die Bäume genau an und dokumentiert alles in seinem Notebook. Anhand dieser Informationen weiß Forstwirt Karl Werner später, welche Bäume gefällt oder geschnitten werden müssen.
Johannes Hacks (rechts) schaut sich die Bäume genau an und dokumentiert alles in seinem Notebook. Anhand dieser Informationen weiß Forstwirt Karl Werner später, welche Bäume gefällt oder geschnitten werden müssen. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert


Verlaufen die Leitungen über Äcker und Wiesen, ist das alles natürlich problemlos, allerdings müssen die Waldgebiete umso sorgfältiger kontrolliert werden. Normalerweise hat das menschliche Auge Probleme, vor dem Hintergrund eines blauen oder bedeckten Himmels den Abstand zum dünnen Leitungsdraht zu beurteilen. Johannes Hacks aber kann aus jahrelanger Erfahrung schnell erkennen, wo sofort oder in den kommenden Monaten der Wipfel gekürzt werden muss. Sein ständiger Begleiter ist ein robustes Outdoor-Notebook, in dem der Trassenverlauf mit seinem Bewuchs verzeichnet ist. Gibt es Handlungsbedarf, dann wird die Stelle punktgenau mit der betroffenen Baumart und den vorzunehmenden Maßnahmen markiert.

Mitarbeiter denkt und handelt ökologisch

Für den Forstwirt und Landschaftsgärtner Karl Werner aus Sprockhövel ist das eine große Erleichterung. Seine Mitarbeiter erhalten die Daten und können exakt jene Arbeiten ausführen, wie sie Johannes Hacks wünscht. Denn: Der Westnetzmitarbeiter hat nicht nur Ahnung vom Strom, sondern kennt sich bestens mit ökologischen Zusammenhängen aus, achtet darauf, dass bei den Arbeiten möglichst wenig Lebens- oder Schutzraum der heimischen Tiere verloren geht „Der Bereich hat mich immer schon interessiert, so habe ich mich weiter gebildet und entsprechende Prüfungen abgelegt.“

Unterstützung von der Deutschen Umwelthilfe

Unweit der Kläranlage Hofermühle steht dieser Baumstumpf und das bleibt auch so: Unzählige Tiere haben darin ihre Höhlen und Nistplätzen gefunden
Unweit der Kläranlage Hofermühle steht dieser Baumstumpf und das bleibt auch so: Unzählige Tiere haben darin ihre Höhlen und Nistplätzen gefunden © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert


Da, wo also früher einfach die Motorsäge angesetzt wurde, um die Leitungen vor unerwünschten Bewuchs zu befreien, legt Westnetz seit Jahren großen Wert auf ein ökologisches Management der Trassen. Unterstützt wird der Ökomanager des Stromkonzerns von der Deutschen Umwelthilfe, gemeinsam sind bereits viele Biotope geschaffen oder ausgebaut worden. Dabei wird eng mit den betroffenen Eigentümern und Naturschutzbehörden zusammengearbeitet.

Lebensraum für Tiere soll erhalten bleiben

Mit einem Gummihammer haut Johannes Hacks kräftig auf den Stamm einer Buche: Am Klang kann er feststellen, ob das Holz noch intakt ist oder einen versteckten Schaden hat. Daneben hat der Ökomanager eine kleine Hacke mit einem selbst angeschweißten Bewehrungsstahl dabei, mit dem er ab und zu die Hohlräume inspiziert. Mit der kleinen Hacke kratzt er am Fuß der Bäume das Laub zur Seite und entdeckt dabei manch schädliche Überraschung. „Aha, Brandkrustenpilz“, diagnostiziert der Fachmann und gibt dem Baum kein allzu langes Leben mehr. Dennoch wird dieser Baum – als Lebensraum für Insekten und als Nistplatz für Vögel und Kleinsäuger – wie viele andere stehen bleiben.