Hattingen. Im Ringen um Fachkräfte geht eine Elterninitiative in Hattingen neue Wege: Erzieherinnen können Vollzeit an vier Tagen arbeiten. So geht das.
Die Kitas in Deutschland ächzen unter Personalmangel, Erzieherinnen werden überall händeringend gesucht. Auch in der Kindertagesstätte Wolkenzimmerhaus in Hattingen sind seit zwei Jahren immer wieder Stellen vakant. Um gegenüber den großen Trägern überhaupt Chancen zu haben, hat sich die Elterninitiative schon viele Anreize für Bewerberinnen überlegt. Der neue Plan: Die Mitarbeiterinnen stellen auf Vier-Tage-Woche um - ein Modell, das es so in der Region noch nicht gibt.
„Das Wolkenzimmerhaus wird natürlich weiterhin an fünf Tagen geöffnet sein“, klärt Sarah Hamerla-Kohs vom Vorstand der Elterninitiative die wichtigste Frage. Die Mitarbeiterinnen können nur ein anderes Arbeitszeitmodell wählen: mit längeren Arbeitszeiten pro Werktag und dafür einem festen freien Tag in der Woche. So hofft der Träger auf mehr Bewerbungen und passendes Personal: „Wir müssen wettbewerbsfähig sein“, sagt Hamerla-Kohs. Noch ist es allerdings nicht so weit. Um diesen Schritt zu gehen, fehlt - ironischerweise - das Personal.
Zwei Stellen in der Kita sind nicht besetzt
Aktuell sind im Wolkenzimmerhaus eine Vollzeitstelle für eine pädagogische Fachkraft und eine Ergänzungskraftstelle nicht besetzt. Sobald die pädagogische Kraft gefunden ist, wollen die Elterninitiative und Kita-Leiterin Andrea Zielmann ihren Plan umsetzen: Alle Vollzeitkräfte können wählen, ob sie ihre Arbeitszeit an vier Tagen oder an fünf Tagen leisten.
Doch so einfach ist es mit der Vier-Tage-Woche nicht. Aktuell arbeiten die Erzieherinnen täglich acht Stunden in einem Wechsel aus Früh- und Spätschicht. Geplant ist künftig eine zehnstündige Kernarbeitszeit von 7 bis 17 Uhr. Abzüglich Pause sind dies neuneinhalb Stunden Kindertoben - ist da die Belastung nicht zu hoch? „Darüber haben wir diskutiert, aber wir glauben, dass der Benefit des einen freien Tages überwiegt“, sagt die Vorständin.
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Eine Vier-Tage-Woche in der Kita? Ein solcher Fall war der IHK Mittleres Ruhrgebiet bislang noch nicht bekannt. Das Arbeitsmodell nutzen eher Handwerksbetriebe. „Bislang sind uns nur ein bis zwei Firmen im Kammerbezirk bekannt, die komplett auf die 4-Tage-Woche setzen“, sagt IHK-Sprecher Sven Frohwein. Individuelle Arbeitsverträge, die vier längere Arbeitstage statt fünf kürzeren vorsehen, gibt es dagegen immer mehr. In Hattingen bietet zum Beispiel der Kindergarten- und Schulausstatter Backwinkel GmbH ganz flexible Arbeitsmodelle an. Das inhabergeführten Unternehmen mit Sitz an der Ruhrallee wurde dafür das Prädikat „Familienfreundliches Unternehmen“ verliehen.
Keine Schließzeiten in den Ferien
Das Wolkenzimmerhaus in Welper wurde 1991 durch eine Elterninitiative gegründet. Auch dank viel ehrenamtlichem und persönlichem Engagement hat die Einrichtung bis heute einen guten Ruf. 40 Kinder werden dort in familiärer Atmosphäre betreut. Im Übrigen gab es lange Zeit auch einen Erzieher, der Herr ging aber im letzten Jahr in den Ruhestand.
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Auch in anderen Dingen ist das Wolkenzimmerhaus fortschrittlich. Zum Beispiel gibt es - bis auf die wenigen Tage zwischen Weihnachten und Silvester - keine Schließzeiten in den Ferien. Eltern können ihren Nachwuchs auch den ganzen Sommer über betreuen lassen. Auf der anderen Seite kann das Personal den Urlaub so nehmen, wie es in den Dienstplan passt.
Außerdem bietet das Wolkenzimmerhaus jeden Monat Bonuszahlungen und ein Fahrrad-Leasing für alle Mitarbeiter. „Wir müssen neue Wege gehen, um gutes, qualifiziertes Personal zu finden“, so Sarah Hamerla-Kohs, Personalverantwortliche des Wolkenzimmerhauses. „Wenn wir jetzt nicht aktiv werden und mehr anbieten als andere Einrichtungen, werden wir Schwierigkeiten bekommen, die offenen Stellen zu besetzen. Das führt zu Notbetreuung und Schließungen, die wir unbedingt vermeiden wollen.“
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