Hattingen. Die Glocken im Krämersdorf in Hattingen läuten wieder. Bald können sich die Bürger Lieder wünschen. Jeden Tag soll das Glockenspiel erklingen.

Die Glocken im Johannisturm läuten nach einer gefühlten Ewigkeit wieder. Die Zeiten, in denen es sich hunderte Tauben im Glockenspielraum heimisch gemacht hatten und es dort bis auf Gurren und Flattern leise war, sind endlich vorbei. Ab sofort erklingen dank viel ehrenamtlicher Arbeit jeden Tag entweder live oder aus der Konserve die 25 Glocken im Krämersdorf – wie es die Menschen in Hattingen früher gewohnt waren und viele es zuletzt vermisst hatten. Die Bürger und Bürgerinnen können sich sogar Lieder wünschen und ihre Geschichte dazu erzählen.

Heiko Jansen schwingt den Klöppel einer Glocke: Das Glockenspiel im historischen Johannisturm in Hattingen läutet wieder.
Heiko Jansen schwingt den Klöppel einer Glocke: Das Glockenspiel im historischen Johannisturm in Hattingen läutet wieder. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Unter der Woche läuft immer abends ein Lied: Um 18.05 Uhr geht es automatisch los und wird vom Computer gespielt. Am Wochenende wird aber live gespielt – und das auch deutlich länger. „Für mich ist es etwas ganz Besonderes. Man spielt nicht jeden Tag auf so einem riesigen Instrument und die ganze Stadt kann einen hören. Auch jeden Fehler. Es hat einfach einen tollen und wunderbaren Charme”, freut sich Ivonne Ringshoff, die als eine von bisher drei Musikerinnen regelmäßig die Glocken spielen soll. Auch weitere Menschen haben schon Interesse bekundet.

Signale gehen mehrere Etagen hoch in den Glockenraum

Als sie bei der offiziellen Einweihung im Johannisturm steht, staunt die Musikerin Ringshoff nicht schlecht. „Ich dachte erst, das ist ein Witz“, lacht sie darüber, was sie im Turm vorfand. Dort steht keine große Musikanlage oder etwas ähnlich Pompöses, sondern ein einfacher Holztisch mit einem normalen Keyboard drauf. Die elektrischen Signale gehen dann mehrere Etagen hoch in den Glockenraum. „Weil jeder Ton gleich ist und es keine Anschlagdynamik gibt, ist es aber egal. Rein theoretisch könnten wir das auch über ein Handy oder eine App spielen“, sagt sie.

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Samstags und sonntags wird sie im Krämersdorf zu hören sein. Die Live-Konzerte starten immer um 12.30 Uhr und gehen eine halbe Stunde. Dort kommt es jede Woche auch zu einem besonderen Highlight, an dem sich jeder Bürger und jede Bürgerin beteiligen kann: das Wunsch-Konzert.

Bürger können Lieder vorschlagen

Die Menschen können Lieder vorschlagen, die gespielt werden sollen. Dazu sollen sie ihre Geschichte zu diesem Song erzählen, warum sie sich das Lied wünschen und welche Verbindung das für sie persönlich zu Hattingen hat. „Es kann sein, dass jemand „Hells Bells“ als Hochzeitslied hatte. Oder die Leute haben mal ein tolles Konzert in Hattingen gehört und wünschen sich ein Lied des Künstlers“, erklärt Heiko Jansen von der Stadt.

Stadtmusikerin Ivonne Ringsdorf spielt einige Etagen unter dem Glockenspiel auf einem Keyboard. Die Tonsignale werden elektronisch per Draht an die seitlichen Klöppel der Glocken übertragen. Und die ganze Innenstadt kann zuhören.
Stadtmusikerin Ivonne Ringsdorf spielt einige Etagen unter dem Glockenspiel auf einem Keyboard. Die Tonsignale werden elektronisch per Draht an die seitlichen Klöppel der Glocken übertragen. Und die ganze Innenstadt kann zuhören. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Menschen können online auf der städtischen Homepage Vorschläge einreichen. Dann wählen die Musiker die Lieder aus, die gespielt werden. Weil die Möglichkeiten mit dem Glockenspiel doch ein wenig begrenzt sind, kann aber aus technischen Gründen nicht jedes Lied gespielt werden.

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Glockenspiel bimmelt auch den „Imperial March“ von Star Wars

In der halben Stunde am Samstag und Sonntag sollen insgesamt etwa fünf bis sechs Lieder gespielt werden, eins davon das Wunschkonzert. „Ich würde mir den „Imperial March“ von Star Wars wünschen“, sagt Jansen.

Dass das nun wieder möglich ist, liegt an der Arbeit ehrenamtlicher Kräfte, die den Glockenraum wieder hergerichtet haben. Als diese zum ersten Mal oben im Turm waren, hausten dort etwa 120 Tauben. Noch heute sieht man an den Wänden viele Linien - mal von Wasser, mal von Taubenkot hinterlassen. Etwa 30 Zentimeter türmten sich die Hinterlassenschaften der Tauben dort hoch. Monate an Arbeit sind nun geschafft.

Start der Wunschkonzerte erst 2025

Wie groß das Interesse in Hattingen ist, hat die offizielle Einweihung am Freitagabend gezeigt. Die Spinnerei war bei den Reden wie der des Bürgermeisters brechend voll, später gingen die Menschen in den Glockenturm. „Die Glocken sind ein Highlight in der Innenstadt. Den Menschen bedeuten sie viel“, weiß auch Jansen.

Auf die Wunschkonzerte müssen die Hattinger allerdings trotzdem noch ein wenig warten, die gehen erst nächstes Jahr los. Jetzt steht erstmal der Weihnachtsmarkt im Fokus. Jeden Tag kurz vor der Aufführung von Frau Holle wird ein Weihnachtslied gespielt.

Rekonstruktion steht noch aus

Die Freude darüber, dass die 25 Glocken im Turm der früheren Johanniskirche am Krämersdorf wieder klingen, ist groß. Doch es gibt auch Kritik: Der denkmalgerechte Rückbau der ehemaligen Stadtwerke-Webcam ist auch nach fast fünf Jahren noch nicht abgeschlossen. Zwar wurde das Loch in den Lamellen des Schallschutzes, das nach der Demontage der Kamera über Jahre hinweg Einflugöffnung für Stadttauben war, zwischenzeitlich verschlossen.

Doch die Rekonstruktion der Fensterverblendung von 1957 ist noch immer nicht erfolgt. „Erwartet die Stadtverwaltung, dass auch dies von Ehrenamtlichen übernommen wird?“, fragt Heimatpfleger Lars Friedrich. Seine Meinung: „Unter dem Strich ist der Umgang mit dem denkmalgeschützten Turm kein Glanzlicht für die Altstadt des Ruhrgebietes.“

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