Hattingen. Seit 1986 liefen die Geschäfte mit dem Radsport rund. Doch nun läuft der Abverkauf von Kinderrädern, Gravel- und Mountainbikes. Warum?
Ein alteingesessener Fachhändler in Hattingen gibt auf: Fahrrad Wurm schließt Ende des Jahres. Zurzeit läuft in dem Ladenlokal an der Kreisstraße der Ausverkauf. Nur noch bis Mitte Dezember ist die Werkstatt in Betrieb.
Der Name Wurm ist dann Geschichte. 1986 gründeten Klaus und Irmhild Wurm an der Bochumer Straße in Winz-Baak ein Fahrradgeschäft. In Hattingen galten sie zu der Zeit als die Mountainbike-Experten. Unter ihrem Sohn Sascha Wurm expandierte das Geschäft: Es folgte ein Umzug in die ehemalige Aldi-Halle an der Kreisstraße sowie im Jahr 2005 ein weiterer Umzug auf die andere Straßenseite - neben McDonald‘s. Die Firma trat auch als Sponsor auf, etwa für ein Rennrad-Team. Neben dem Verkauf von Markenrädern, Ersatz- und Zubehörteilen bot man auch individuell zusammengestellte Kundenräder an.
Erst vor fünf Jahren in neues Ladenlokal gezogen
Ende 2018 übernahm der langjährige Mitarbeiter Jörg Steschulat als neuer Eigentümer das Unternehmen. Er bezog 2019 neue Räumlichkeiten in dem Geschäftshaus an der Kreisstraße 14.
Dass er dort fünf Jahre später wieder ausziehen würde, hätte man damals nicht gedacht, zumal in den Corona-Jahren viele Leute Lust aufs Radeln bekamen. Doch tatsächlich laufen die Geschäfte seit Herbst 2023 so schlecht, dass Jörg Steschulat jetzt die Reißleine zieht. Auch die drei wichtigsten Monate für den Fahrradverkauf - nämlich April, Mai und Juni - blieben weit hinter den Erwartungen zurück, durchwachsen, wie das Wetter.
Fahrradleasing ist rückläufig
„Die Kaufzurückhaltung ist zu hoch, die Leute stellen den Fahrradkauf hintenan“, sagt der Sprockhöveler. Dafür sieht er mehrere Gründe: Neben - oder wegen - der schlechten Wirtschaftslage und der bundesweit negativen Stimmung hätten viele Leute ihr Geld lieber gespart oder in den Urlaub investiert. Zudem sei das Fahrradleasing rückläufig. Nach drei Jahren läuft ein Leasingvertrag aus. Die meisten Kunden lösen das Rad dann ab und fahren es weiter, einen Neuvertrag machen sie nicht. Andererseits treten viele Firmen beim Mitarbeiter-Leasing auf die Bremse.
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Im allgemein schwächelnden Radmarkt kämpfen auch die großen Händler und machen Saisonabverkäufe zu heftig reduzierten Preisen, um ihre vollen Lager leer zubekommen. Jörg Steschulat kann da als kleinerer Fachhändler nicht mithalten. So sind es in Summe mehrere Dinge, die „uns letztlich dazu zwingen, aufzugeben, weil die Betriebskosten nicht mehr zu tragen sind“.
Werkstatt hat volle Auftragsbücher
Geradezu aberwitzig scheint es dagegen, dass die Fahrradwerkstatt sich kaum vor Aufträgen retten kann. „Der Service ist nach wie vor brechend voll“, so Jörg Steschulat. Aber allein durch den Service könne das Fachgeschäft nicht alle Kosten decken, dazu brauche es auch den Verkauf. Seinen Stammkunden empfiehlt er inzwischen den Meisterbetrieb „Zweiradtechnik Taschner“ am Rathausplatz.
Glaubt Jörg Steschulat an ein Ende des Fahrradbooms? „Wir sitzen ja direkt am Fahrradweg zur Ruhr. Aber ich habe dort noch nie so wenige Fahrräder gesehen wie in diesem Jahr“, schätzt er. Fast resigniert schaut er auf sein noch gut gefülltes Ladenlokal, wo noch etliche Bikes der Marken Corratec, Kellys oder BH stehen und die Regale voll Zubehör-Teilen liegen. An E-Bikes gibt es nur noch Restbestände. Kinder- und Jugendräder, Mountainbikes oder Gravelbikes verkauft er zu Tiefstpreisen. Sogar bunte Laufräder für Kleinkinder stehen noch im Fenster. „Fahrrad Wurm“ war der einzige Fahrradladen in Hattingen, der überhaupt noch Fahrräder ohne Akku-Antrieb verkauft hat. Für die letzten Wochen könnte das dreiköpfige Team noch ordentlich Rückenwind gebrauchen.
Geöffnet: werktags 9 bis 18 Uhr, samstags 9 bis 15 Uhr.
Immer weniger Fahrradläden
Die Zahl der inhabergeführten Fahrradläden geht zurück - auch angesichts der Konkurrenz von nahen Ketten wie Meinhövel oder Decathlon. In Hattingen verbleiben nach der Schließung von „Wurm“ nur noch „Fahrräder Hecken“ am Steinhagen. Das Geschäft ist auf E-Bikes spezialisiert. Zweiradtechnik Taschner am Rathausplatz 22 (Innenhof) repariert und wartet Räder, verkauft aber keine Neuware.
In Niedersprockhövel hat kürzlich erst Frank Hammacher (68) seinen Radladen an der Hauptstraße geschlossen. Es gibt dort außerdem den „Bike Onlineshop“ mit Ladenlokal an der Wuppertaler Str. 3.
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