Hattingen. Treffen Impf- und Corona-Geschädigter in Hattingen: Berührende Erfahrungs-Geschichten zeigen das Leiden - und die Hilflosigkeit.

Sie standen im Beruf. Sie lebten ihr Leben. Dann kam die Corona-Infektion oder die Corona-Impfung - und ihr Leben veränderte sich komplett. Sie sind krank. Dauerhaft. Drei Frauen, die zum „Post-Vac-Netzwerk-Treffen Impf- und Corona-Geschädigter“ in Hattingen kamen, erzählen ihre Geschichte.

Krank nach Corona-Impfung: Nadine Ton erzählt

Die frühere Raumausstatterin (44) aus Wachtendonk und Gründerin des Post-Vac-Netzwerks bekam am 28. April 2021 eine Impfung gegen das Corona-Virus. Der Arzt war zu ihrer Mutter nach Hause gekommen, um die 70-Jährige zu impfen und Nadine Ton ließ sich ebenfalls das Serum geben. „Drei Minuten nach der Spritze bekam ich einen anaphylaktischen Schock“, also eine lebensbedrohliche allergische Reaktion. „Ich bekam einen trockenen Mund, hatte das Gefühl, dass mir jemand ein Messer in den Körper stößt und mein Blutdruck schoss auf 180 hoch. Der Arzt ergriff sofort Gegenmaßnahmen“, erzählt die Mutter einer Tochter.

Post-Vac 1. Empowerment Workshop für Betroffene und Angehörige
Nadine Ton, Post-Vac-Betroffene ist im Gespräch beim ersten Empowerment Workshop für Betroffene und Angehörige im Gemeindezentrum an der Uhlandstraße in Hattingen. Es ging um Corona-Spätfolgen und Corona-Impfschäden. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

Bei der vor der Impfung völlig gesunden 44-Jährigen zeigten sich schlaganfallähnliche Symptome. „Meine linke Körperhälfte wurde völlig taub, das ist sie bis zum heutigen Tag. Meine Krankheit hat unsere ganze Familie mitgerissen.“ Nichts ist wie vorher. Ihrer Arbeit nachgehen kann sie schon lange nicht mehr.

Post-Vac-Netzwerk kämpft für Betroffene

Sie ist eine der Aktiven, die für die Geschädigten mit Politikern im Gespräch ist. „Wir waren bei NRW-Gesundheitsminister Laumann und auch schon zweimal bei Bundesgesundheitsminister Lauterbach in Berlin. Aber finanzielle Unterstützung haben wir bisher nirgendwo bekommen, wir haben keine Anlaufstelle und die meisten Medien interessieren sich nicht für unser Schicksal.“

Post-Vac 1. Empowerment Workshop für Betroffene und Angehörige
Juliane Reichardt (Rechtsanwältin), Dr. med. Stefanie Merse und Sabine Mertens (Mutter eines schwerstbehinderten erwachsenen Kindes nach der Corona-Impfung) beim Post-Vac-Netzwerk-Treffen für Betroffene und Angehörige im Gemeindezentrum an der Uhlandstraße in Hattingen. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

Nach jeder Impfung ging es Bianka Fastenrodt schlechter

Hauswirtschaftsleiterin eines Altenheims in Paderborn war Bianka Fastenrodt. „Unser Haus war das erste in der Stadt, in dem geimpft wurde.“ Am 29. Dezember 2020 erhielt sie die erste Spritze, weil die Ärzte sagten, dass sie ein angeschlagenes Immunsystem habe. Denn sie hat seit der Kindheit keine Milz mehr. Klar sei mittlerweile, dass das Serum selbst das Immunsystem angreifen und schwächen kann. „Ich habe sogar insgesamt fünfmal die Impfung bekommen und jedesmal ging es mir schlechter“, erzählt sie auf ihrem Rollator sitzend.

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Sie bekam heftige Luftprobleme, „als wenn ein Elefant auf dem Brustkorb sitzt“. Nach nur drei Wochen bekam sie bereits die zweite Impfung, das war am 19. Januar 2021. Danach fiel sie bei Arbeiten auf ihrem Dachboden die Treppe hinunter. „Ich weiß bis heute nicht, warum.“ Damals schob sie alle Symptome auf beruflichen Stress. Dann machte ihre rechte Körperhälfte nicht mehr mit. Und zwar vom Scheitel bis zur Sohle. „Ich bekam ständig eine Art Stromschlag im Bein, konnte nicht mehr laufen. Dann wurde ich auf einen möglichen Fersensporn behandelt und operiert“, schildert die 41-Jährige ihr Schicksal. „Aber es wurde immer schlimmer.“

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Dauerhaft angewiesen auf Pflege

Besonders tragisch: Bianka Fastenrodt ist mit einem querschnittsgelähmten Mann verheiratet, den sie immer gepflegt hat. Jetzt ist sie selbst auf Hilfe angewiesen, hat einen Hirntumor, bekommt eine Erwerbsminderungsrente und kämpft für ihre Rechte - so gut es geht.

Post-Vac 1. Empowerment Workshop für Betroffene und Angehörige
Teilnehmende beim ersten Post-VAc-Netzwerk-Treffen für Betroffene und Angehörige im Gemeindezentrum an der Uhlandstraße in Hattingen. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

Silke van Lent: Schwere Folgen der Corona-Infektion

Organisatoren

Amélie Funda hat mit einer weiteren Betroffenen und der Betroffenen-Initiative „Post Vac Netzwerk“ den ersten „Post Vac-Empowerment-Workshop Deutschland“ ins Leben gerufen, der sowohl für Betroffene als auch für ihre Angehörigen und Interessierte war.

„Es geht darum, mehr Aufklärung zu schaffen, mehr Verständnis zu verbreiten und Austausch zu ermöglichen. Darum, gestärkter mit dem sehr komplexen und schwerwiegenden Krankheitsbilds des Post-Vac-Syndroms umzugehen“, sagt Amélie Funda. Auch Menschen mit Symptomen nach Corona-Impfungen kamen.

Es gab in Hattingen unter anderem Austausch, Speed-Dating zur Vernetzung, Hilfsmittelberatung, aber auch Vorträge, u.a. vom Chefarzt der Uniklinik Marburg, der sich auf Post Vac spezialisiert hat. Das Land NRW förderte die Veranstaltung.

Bei der Frau aus Herne ging es „beruflich von 200 Prozent auf Null“, erzählt sie. Bis März 2022 arbeitete sie – teils angestellt, teils selbstständig – als Dozentin für Spracherziehung in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch. Sie gab bis zu 37 Kurse in der Woche. „Eine Mutter, deren Kind angeblich nur an Grippe erkrankt war, hatte ihre Maske vergessen. Dabei habe ich immer größten Wert darauf gelegt, dass man Schutzmaßnahmen ergreift, damit man nicht an Corona erkrankt.“ Dann hat es sie aber doch erwischt. Mit gravierenden Folgen.

Post-Vac 1. Empowerment Workshop für Betroffene und Angehörige
Silke van Lent: Von ihrer Corona-Infektion hat sie sich nie wieder ganz erholt. Sie kam zum Post-Vac-Netzwerk-Treffen für Betroffene und Angehörige nach Hattingen. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

Sie bekam hohes Fieber, lag zwei Wochen nur im Bett. „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“ Später konnte sie ihre Arme nicht mehr bewegen, nicht mehr laufen, bekam eine heftige Lungenentzündung. Heute sitzt sie im Rollstuhl, hat keine Kraft mehr, kann nicht einmal mehr einen Joghurt öffnen. „Ich kann nicht stehen, nicht sitzen, nicht liegen, weil mein Körper mir nicht mehr gehorcht.“ Ans Arbeiten ist schon lange nicht mehr zu denken. „Ich vertausche die Buchstaben.“ Neun Gutachten haben die einzelnen Behörden bereits eingefordert. „Das zehnte wird jetzt in Auftrag gegeben, es wird wieder Monate dauern. Es ist zum Verrücktwerden.“

Kampf ums Geld zermürbt

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Und dazu kommt: Auch sie kämpft ums Geld. Das Mini-Krankengeld läuft im Dezember aus, für die Pflegestufe 2 bekommt sie 332 Euro, einen Anspruch auf Bürgergeld habe sich nicht, erklärten die Behörden. Dafür verdiene ihr Mann zu viel.

Post-Vac 1. Empowerment Workshop für Betroffene und Angehörige
Markus Leßmann, MAGS NRW, spricht beim Post-Vac-Netzwerk-Treffen für Betroffene und Angehörige in Hattingen. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

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