Hattingen. Was für ein Fall am Amtsgericht Hattingen: Ein Mann wird ohne Führerschein erwischt – wo ist dieser? Hat er überhaupt einen? Ja! Oder doch nicht?
Ja, wo ist er denn, der Führerschein? Als der inzwischen 84 Jahre alte Hattinger am 29. Dezember 2023 in eine Verkehrskontrolle kommt und seine Fahrerlaubnis vorzeigen soll, sucht er in allen Taschen. Doch nicht nur der Routinegriff in die linke Innentasche seiner Jacke, wo er den „Lappen“ vermutet, bleibt ohne Ergebnis. Er ist einfach nicht zu finden. Der Hattinger hat gar keine Fahrerlaubnis, stellt die Polizei fest. Oder doch?
Denn den Strafbefehl will der Mann nicht akzeptieren und legt Einspruch ein. Daher wird jetzt vor dem Amtsgericht an der Bahnhofstraße verhandelt. Und zwar mit überraschenden Erkenntnissen.
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„Sie waren bei der Kontrolle also selbst überrascht, dass sie keinen Führerschein haben“, fragt Richter Johannes Kimmeskamp. Ja, erklärt der Angeklagte. Er habe ihn wohl vor mehr als einem Jahr verloren. „Und zwar, als meine Lebensgefährtin, nicht meine Ehefrau, die Papiere von einer Tasche in eine andere umpacken wollte, ist wohl was schiefgelaufen.“
Gleich zu Beginn der Verhandlung weist Verteidiger Peter Steffen darauf hin, dass sein Mandant „manchmal vergesslich ist und außerdem Aufstocker“.
Leben zwischen zwei Frauen: Ehefrauen und Lebensgefährtin
Der Senior macht dem Gericht klar, dass man bei ihm zwischen seiner – von ihm getrennt lebenden – Ehefrau und seiner Lebensgefährtin unterscheiden müsse. Einen Führerschein brauche er, um zu seiner Geliebten zu fahren, die weiter weg wohne. Hier in Hattingen regele vieles seine Ehefrau, man habe ein ausgesprochen gutes Verhältnis.
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Seine deutlich jüngere Ehefrau, die vor Gericht als Zeugin gehört wird, schildert, was die beiden am Straßenverkehrsamt erlebt haben. „Wir mussten seinen alten, grauen Führerschein in einen neuen in Scheckkartengröße umtauschen, fanden ihn aber nicht. Am 15. Januar 2024 sind wir zum Straßenverkehrsamt gefahren, haben einen Ersatzführerschein beantragt und auch die Gebühren dafür bezahlt.“ Aber anstatt einen neuen kleinen zu bekommen, wurde ihnen einige Zeit später mitgeteilt, dass man keinen Führerschein ausgeben kann. Der Grund: Die Fahrerlaubnis sei 2011 entzogen worden.
Nachforschungen des Straßenverkehrsamts in Essen
Da sich die beiden an kein Ereignis erinnern, das zum Führerscheinentzug hätte führen können, forscht das Straßenverkehrsamt nach. Eine Mitarbeiterin des Amts ist als Zeugin geladen und schildert ihre Fahndung nach dem wichtigen Dokument.
Er habe 1958 mit 18 Jahren in Essen den Führerschein gemacht, erklärt der Angeklagte. Später habe er in Essen auch als Taxifahrer gearbeitet. Die Behördenangestellte erklärt: „Das ist eine echte Detektivarbeit, weil die Ämter die damaligen Führerscheine noch nicht zentral erfasst haben, wie mittlerweile üblich. Das ist alles noch auf Papier und muss herausgesucht werden, das dauert.“
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Dann aber wird es noch spannender: Das Essener Straßenverkehrsamt teilt mit, dass dem Hattinger der Führerschein am 12. August 1985 entzogen wurde. Eine weitere Zeugin erklärt, der Angeklagte habe ihr gesagt, er habe den Führerschein abgegeben.
Anwalt: So viele verschiedene Informationen sind „sehr irritierend“
Und, um noch eins draufzusetzen, liest Richter Kimmeskamp aus den Unterlagen: „Hier steht, dass Ihnen der Führerschein Klassen 1 und 3 am 31. März 1969 ausgestellt worden ist. Sie haben aber doch gesagt, dass Sie 1958 mit 18 Jahren den Führerschein gemacht haben.“ Mehr Verwirrung geht nicht. Anwalt Peter Steffen weist darauf hin, dass so viele verschiedene Informationen für die Bürger „sehr irritierend“ sind.
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Eine Lösung gibt es an diesem Gerichtstag für den 84-Jährigen nicht, der unbedingt seinen Führerschein zurückhaben möchte. Jetzt gibt es eine weitere Verhandlung. Der Richter verspricht, beim nächsten Gerichtstermin Klarheit zu haben. Bis dahin müssen die Behörden ihre Detektivarbeit geleistet haben. Wie es dann für den Angeklagten ausgeht, ist zurzeit allerdings völlig offen.