Hattingen. Die ausländerfeindlichen Schmierereien an der Realschule sind übermalt. Wer genau hinguckt, sieht seit langem in Hattingen rechte Parolen.

Das hat Hattingen geschockt: Der Schulhof der Realschule Grünstraße war in den Herbstferien großflächig mit ausländerfeindlichen Parolen beschmiert worden. Das Ausmaß und Ton der Nazi-Slogans und -Symbole sind erschreckend, überrascht Experten aber nicht. „Das zeigt auf, was sich schon länger an Hattingens Straßenlaternen und Stromkästen abspielt“, sagt Sozialarbeiter Heiko Koch, der als Rechtsextremismus-Experte im Bürgerzentrum Holschentor arbeitet. Ein Interview.

Die Stadtverwaltung hat als Reaktion auf die Nazi-Schmierereien eine Videoüberwachung der Realschule Grünstraße angekündigt. Das ist eine äußere Vorsichtsmaßnahme. Wie reagieren Sie inhaltlich darauf?

Heiko Koch: Die Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie möchte in Zukunft ein Monitoring zu diesen Fällen einführen, um eine Übersicht über die stetig ansteigenden rassistischen Äußerungen zu erlangen.

Wurden solche Taten bislang nicht gezählt? Was passiert, wenn ich an einer Laterne einen provozierenden Aufkleber entdecke?

Bislang wurden diese von Bürgern einfach abgekratzt oder mit eigenen Aufklebern überklebt. Systematisch erfasst wurden sie leider nicht. Das wäre aber notwendig, um sagen zu können, welche Personenkreise hier in Hattingen agieren. Auffällig ist: Man findet immer öfter warmherzig verkaufte Slogans, die oft unter dem visuellen Radar laufen.

Wie kann das aussehen?

In der Talstraße hing zum Beispiel folgender Aufkleber: Ein Foto einer Frau, die mit ihren Händen ein Herz formt. Darunter steht: „Weniger Ausländer, mehr Wohnraum.“ Es ist keine Gruppierung erkennbar, nur diese Message, die ganz niederschwellig Sozialneid schürt und oft besonders Jugendliche triggert. Das gilt auch für Aufkleber mit der „Gadsen-Fahne“ – eine grüne Schlange auf gelben Grund. Diese wird aktuell von der extremen Rechten in den USA genutzt. Es sind ganz neue Ansätze, oft verbreitet über Soziale Medien. Man folgt jemandem, empfindet Sympathie und übernimmt deren Gedankengut.

Realschule „total schockiert“

Die rassistischen Parolen an der Realschule Grünstraße wurden an zwei Nächten, am 19. und 20. Oktober 2024, gesprayt. Inzwischen ist ein Teil der Schmierereien durch eine Fachfirma chemisch entfernt worden, ein Teil wurde großflächig übermalt. Die Schüler und Schülerinnen sollten nach den Herbstferien die Schmierereien nicht sehen.

„Unsere Schulgemeinschaft war total schockiert, dass unser Gebäude für solche Parolen missbraucht wird“, sagt dazu Realschulleiter Jürgen Ernst. „Das tat richtig weh, weil unsere pädagogischen Werte genau in die andere Richtung gehen: Miteinander und Toleranz.“ In den ersten Schultagen nach den Ferien habe es darum viele Gespräche gegeben, um den Fall aufzuarbeiten. Der geplanten Videoüberwachung des Außengeländes außerhalb der Schulzeiten steht die Schulgemeinschaft übrigens positiv gegenüber.

Dagegen sprechen die Schmierereien an der Realschule eine ganz andere Sprache.

So etwas Großformatiges haben wir in Hattingen noch nicht erlebt. Dass so klar harte NS-Parolen formuliert werden, oder dass die Hakenkreuze so präzise gemalt werden. Bislang waren rechte Botschaften versteckter, etwa vor zwei Jahren an einem Altenheim.

Mich verwundert, dass jede Phrase Rechtschreibfehler aufwies. Wie ist das zu erklären?

Tja. Entweder waren die Täter betrunken oder sie wollten ganz bewusst eine falsche Spur legen.

Hattingen Realschule Grünstraße Nazi-Parolen
Im Oktober haben Unbekannte die Realschule Grünstraße in Hattingen mit Nazi-Parolen beschmiert - Rechtschreibfehler inklusive. © WAZ | Susanne Schild

Wie rechts ist Hattingen? Wir haben die Montagstrommler, es wurde schon der Hitlergruß gezeigt, bei der EU-Wahl gab es deutliche Stimmzuwächse für populistische Parteien. Ist die Stadt als einstige Hitler-Hochburg besonders anfällig?

Es gibt Untersuchungen, dass sich überall dort, wo die extreme Rechte zu Zeiten des Nationalsozialismus besonders verwurzelt war, stark bleibt. Das hat sich in der regionalen Kultur festgesetzt und wurde leider nicht genügend aufgearbeitet. Aber generell gilt: Je stärker und rühriger eine Zivilgesellschaft ist, umso weniger können sich rechte Strömungen breit machen. Darum hat Bochum zum Beispiel weniger offen auftretenden Rechtsextremismus vorzuweisen als Dortmund.

Immerhin ist Hattingen eine der wenigen Städten ohe AfD im Stadtrat. Wird sich das ändern?

Ich gehe davon aus, dass die AfD versucht, in Hattingen einen Ortsverband zu gründen und nach der nächsten Kommunalwahl in den Stadtrat einziehen wird. Sie werden damit Erfolg haben, brauchen eigentlich nur noch passendes Personal. 

Wird sich dann auch die politische Arbeit in Hattingen ändern?

Der Ton wird rauer und gehässiger werden. Es wird eine typische Sündenbock-Politik gefahren werden. Es liegt an den Parteien, inwieweit sie sich von anti-demokratischen Parteien vor sich hertreiben lassen oder ihnen Paroli bieten.

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Die Koordinations- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie sammelt Fälle von antisemitischer und rassistischer Propaganda, Beleidigungen und Tätlichkeiten. Vorfälle kann man unter folgender E-Mail-Anschrift melden: koch@ifak-bochum.de.

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