Hattingen. Senioren aus Hattingen haben ihre geheimen Wünsche aufgeschrieben und versteckt. Die Botschaften der Bewohner eines Altenheims gehen zu Herzen.
In diesen Bildern stecken ganze Lebensgeschichten, auch, wenn die Künstler, die sie gelebt haben, sich selbst an vieles nicht mehr erinnern können. Aber ihre geheimen Wünsche, die sie in ihrer Kunst verstecken, gehen zu Herzen. Jetzt werden sie öffentlich gemacht.
Die Augenarztpraxis Henning hat sich in einen Ausstellungsraum verwandelt: im Empfangsbereich, im Treppenhaus und in den Wartebereichen werden Bilder von Bewohnerinnen und Bewohnern des Martin-Luther-Hauses gezeigt - viele von ihnen dement.
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Viermal im Jahr ermöglicht der Hausherr, der selbst gerne malt, Einrichtungen die Praxis als Ausstellungsraum zu nutzen. So erzählt die Organisatorin dieser Ausstellung, Melanie Weissmüller vom Sozialen Dienst der Diakonie Ruhr, die die Altenpflegeeinrichtung im Martin-Luther-Haus betreibt. Jetzt werden hier Arbeiten der Bewohner der Senioreneinrichtung gezeigt.
Kreativ sein und malen macht den Senioren große Freude. Und jetzt eine eigene Ausstellung zu haben, ist etwas ganz Besonderes. Von den betagten Künstlern waren jetzt drei persönlich zur Eröffnung gebracht worden. Zu ihnen gehörte auch die 96-jährige Marlies Schneider.
„Ich habe mein ganzes Leben lang gerne gemalt, und es gibt noch Bilder, die ich als Dreijährige im Kindergarten gemalt habe.““
Die Seniorin lebt früher in Sprockhövel und hat auch hier intensiv am kulturellen Leben mitgewirkt. „Ich male nur für mich, gehe nicht in den Workshop“, erklärt Marlies Schneider mit Blick auf ein Kreativangebot ihres Seniorenheims. „Ich habe mein ganzes Leben lang gerne gemalt, und es gibt noch Bilder, die ich als Dreijährige im Kindergarten gemalt habe“, erklärte sie. Allerdings habe sie nie für andere gemalt, oder um bewundert zu werden.
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Auch dass ihre Bilder anderen vielleicht nicht gefallen hätten, habe sie nie interessiert, erinnert sich die Seniorin. In Sprockhövel war sie einst Mitbegründerin der Kunst- und Kulturinitiative und gab an der Volkshochschule selbst Malkurse.
Aquarellierte Impressionen aus Venedig, Blumenstillleben oder der aquarellierte Anblick einer norddeutschen Kate gehören zu den Bildern, die jetzt in der Augenarztpraxis bis zum Jahresende zu sehen sind. Figürlich oder abstrakt, planvoll oder experimentell – die gezeigten Arbeiten zeigen unterschiedliche Stile, Techniken und Sujets. „Manchmal setzen wir Themen, denn nicht jeder mag frei arbeiten“, erläutert Kunsttherapeutin Melanie Weissmüller das Kreativangebot im Martin-Luther-Haus.
„Ich würde gerne wieder mit meiner Familie in einem Haus leben.““
Sie zeigt in der „Planetenecke“ beispielsweise Bilder, die eine Kombination aus Acrylmalerei sind, der den Kosmos symbolisiert, in den kleine runde Planeten, die ebenfalls farbig gestaltet sind, geklebt wurden. Die schwarze Silhouette von Menschen, Paaren unter dem Regenschirm, in farbig schillernd-nasser Umgebung oder Miniaturen, die auf winzigen Staffeleien in der Glasvitrine stehen, gehören ebenfalls zum Repertoire aus der Kreativwerkstatt. Acryl, Filzstift, Wasserfarben oder Buntstifte: Die Techniken sind unterschiedlich, die Bildträger variieren zwischen mit Leinwand bespannten Keilrahmen und verschiedenen Papieren.
Öffnungszeiten der Praxis
Die Praxis befindet sich an der Roonstraße 9 in Hattingen. Die Ausstellung ist im Rahmen der Praxisöffnungszeiten zu besichtigen. Diese sind Montag bis Freitag 9 bis 12 Uhr und 15 bis 17.30 Uhr, bzw. Freitag bis 17 Uhr.
Alle zwei Wochen gibt es das Kreativangebot im Martin-Luther-Haus, zu dem meistens ein „harter Kern“ von Interessentinnen und Interessenten kommt. In der Regel sind es etwa acht Bewohner, von denen viele unter Demenz leiden.
Besonders liegt Melanie Weissmüller die interaktive Wand am Herzen. In die farbig gestaltete Umgebung haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops Briefumschläge geklebt, die ebenfalls farbig gestaltet sind. Die offene Rückseite der DIN-lang-Umschläge lädt den Betrachter geradezu ein, seine Neugier nach dem zu befriedigen, was in dem Briefumschlag ist.
In kurzen Botschaften gaben die Seniorenheim-Bewohner sehr private und zu Herzen gehende Gedanken und Wünsche preis. „Ich würde gerne noch mal meinen Sohn sehen und ihm sagen, dass ich ihn liebe“, hatte eine 92-Jährige als großen Wunsch in ihrem Umschlag versteckt. „Ich würde gerne wieder mit meiner Familie in einem Haus leben“, war der gleichermaßen geheime wie auch öffentliche Wunsch eines alten Mannes. Die laminierten, anonymisierten Botschaften lugen teilweise mit einem Zipfel aus dem Umschlag und animieren die Besucher der Ausstellung, sich mit diesen Wünschen auseinanderzusetzen.
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