Hattingen/Sprockhövel/EN-Kreis. Eine SWR-Recherche bezeichnet Notfallrettung vielerorts als mangelhaft. Der EN-Kreis wehrt sich gegen Kritik. Ein Anbieter in Hattingen handelt.

Wenn Herz und Kreislauf plötzlich stehenbleiben, entscheiden oft Sekunden über Leben und Tod eines Menschen. Eine bundesweite Recherche des Südwestrundfunks (SWR) zur Notfallrettung in Deutschland hat jetzt große Aufmerksamkeit erregt. Dabei sieht das Recherche-Team auch im Ennepe-Ruhr-Kreis Defizite. Der wehrt sich gegen die Kritik. Ein Anbieter in Hattingen setzt eigene Pläne dagegen.

Nach den Daten des SWR arbeitet der Rettungsdienst an Ennepe und Ruhr ohne ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem, das Leitstellen hilft, zu prüfen, ob alle Prozesse optimal laufen. Auch eine First-Responder-App ist derzeit nicht im Einsatz. Die alarmiert im Ernstfall Ersthelfer, die sich in der Nähe befinden und Betroffenen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes helfen können.

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Die Verantwortlichen beim Ennepe-Ruhr-Kreis sehen ihren Rettungsdienst durch den SWR-Beitrag in ein falsches Licht gestellt. Sie betonen: „Kein Bürger muss sich Sorgen machen.“

Dabei halten die ermittelten Daten auch positive Aspekte fest, etwa dass der Rettungsdienst des EN-Kreises mit einer strukturierten oder standardisierten Notrufabfrage arbeitet, die den Leitstellen-Mitarbeitenden hilft, einen Herz-Kreislauf-Stillstand am Telefon zu erkennen und schnell lebensrettende Maßnahmen einzuleiten.

Retter sollen in mindestens 80 Prozent der Reanimationen in spätestens acht Minuten da sein

In dem SWR-Bericht geht es auch um Anforderungen, die medizinische Fachgesellschaften an Rettungsdienste stellen. Demnach sollen die Retter in mindestens 80 Prozent der Reanimationen in spätestens acht Minuten da sein. „Die 80-Prozent-Quote ist eine qualitative Empfehlung, die sicher sinnvoll ist“, sagt dazu Fachbereichsleiter Thomas Neumann. Auf Basis dessen aber Rückschlüsse auf einzelne Rettungsdienste zu ziehen, ist aus seiner Sicht schwierig.

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Dass der Ennepe-Ruhr-Kreis sowohl ländliche als auch städtische Bereiche hat, macht die Sache nicht einfacher. Derzeit wird der sogenannte Rettungsdienstbedarfsplan fortgeschrieben. Darin geht es unter anderem um Zahl und Standorte der Rettungswachen sowie die Zahl der erforderlichen Krankenwagen und Notarzt-Fahrzeuge.

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Nicht nur Hattingens Erste Beigeordnete und Rettungsdezernentin Christine Freynik rechnet damit, dass der neue Rettungsdienstbedarfsplan mit einer Aufstockung der Einsatzfahrzeuge in Hattingen verbunden ist. „Aktuell sind für unsere Stadt zwei Rettungswagen in Betrieb. Das wird wohl nicht mehr reichen“, sagt Freynik.

Das sieht auch Michael Weber so. Der Geschäftsführer des Rettungsdienstleisters Med Care Professional, der seinen Sitz im Hüttenpark hat und auch über Rettungsflugzeuge verfügt, rechnet mit dem Einsatz weiterer Fahrzeuge. Und will sich für den Betrieb bewerben.

Die Kritik des SWR hält Michael Weber für nachvollziehbar

Einer der beiden Hattinger Rettungswagen fährt seit Mitte Juni unter der Flagge von Med Care Professional. Die Stadt Hattingen hat den EN-Kreis gebeten, den Betrieb privatisieren zu dürfen, damit Personal frei wird. Das wird auf der Hauptwache am Wildhagen dringend gebraucht, um das erreichen der Brandschutzziele zu gewährleisten. Auch dabei geht es um acht Minuten, in denen zehn Retter am Brandort sein müssen.

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„Weil unser Fahrzeug im Hüttenpark steht, sind wir dem Acht-Minuten-Ziel für Welper und Blankenstein ein großes Stück näher gekommen“, sagt Weber. Nun will Med Care Professional gegenüber dem Firmensitz an der Henrichsallee 4 eine neue Rettungswache bauen, damit man gerüstet ist, wenn man den Zuschlag für den Betrieb weiterer Fahrzeuge in Hattingen bekommt.

Die Kritik des SWR hält Michael Weber in weiten Teilen übrigens für nachvollziehbar. „Dass der Kassenärztliche Bereitschaftsdienst in der Meldekette eine größere Rolle spielt und ein Gemeindenotfallsanitäter eingesetzt wird, kann ich nur begrüßen“, so der Geschäftsführer.