Hattingen. Die eine hilft seit 30 Jahren bei jeder Wahl, die andere zählt zum ersten Mal Stimmen in Hattingen. Zwei Frauen über Demokratie und Ehrenamt.
Etwas ruhiger als sonst war es am Wahlsonntag in den Wahllokalen in Hattingen. Denn 16.360 der rund 42.600 Wahlberechtigten haben ihre Stimme schon im Vorhinein per Brief abgegeben.
So ist es auch im Wahllokal des Wahlbezirks 1802 – der Feuerwache Holthausen – ruhig. Bis zum Mittag sind hier etwa 30 Prozent derer, die nicht per Brief gewählt haben, vorbeigekommen, um ihre Kreuzchen zu machen. Um kurz nach 12 Uhr bildet sich sogar eine kleine Warteschlange.
Seit 30 Jahren bei jeder Wahl in Hattingen dabei
„Das ist eigentlich normal“, erklärt Birgit Baumgart. Und sie muss es wissen. Seit über 30 Jahren ist die 54-Jährige bei jeder Wahl in Hattingen als Wahlhelferin aktiv. Anfangs als Beisitzerin, später als Wahlvorständin und heute als stellvertretende Wahlvorständin. Das Schleppen der Kisten mit den Wahlunterlagen – traditionell Aufgabe des Wahlvorstands – überlasse sie mittlerweile gerne anderen, erzählt sie lachend. Mit auszählen will sie aber weiterhin.
Purer Zufall brachte sie damals, mit Anfang 20, erstmals ins Wahllokal. Auf einem Geburtstag hatte der damalige Amtsleiter – ein Verwandter von ihr – die junge Frau geworben. „Hör mal, wir suchen noch welche“, habe er gesagt, daraufhin meldete sie sich freiwillig.
Weil Demokratie und freie Wahlen ihr wichtig sind
Und auch danach bei jeder Wahl. Irgendwann habe sie sich „verpflichtet gefühlt“, erklärt Birgit Baumgart. „Mittlerweile seh‘ ich das aber anders.“ Heute sind es ideelle Gründe, die die Rechtspflegerin sich bei jeder Wahl engagieren lassen: „Es ist wichtig, dass Leute sich einsetzen und für ordnungsgemäße Wahlen sorgen“, betont sie. „Das macht man sich bewusster, wenn man in die Länder schaut, wo es nicht so ist.“ Für die Demokratie und freie Wahlen, findet sie, „muss man ja auch irgendwo kämpfen“.
Ähnliche Gründe hat Lina Martin. Es ist die zweite Bundestagswahl für die 22-Jährige und die erste, bei der sie als Wahlhelferin dabei ist. In der Realschule Grünstraße beginnt um 15 Uhr ihre Schicht, ab 18 Uhr hilft die Studentin bei der Auszählung der Briefwahlstimmen.
Wahlhelferin (22): „Es geht ja um unsere Zukunft“
Sie habe auch vor der Wahl geholfen, Wahlbenachrichtigungen zu verteilen, erzählt sie. Und im Freundeskreis hat sie mächtig die Werbetrommel fürs Wählen gerührt. „Alle meine Freunde gehen wählen“, berichtet die Lehramtsstudentin stolz, auch die zuvor unschlüssigen – ein, zwei Freundinnen – habe sie davon überzeugen können. „Ich finde es wichtig, dass gerade wir jungen Leute wählen gehen. Es geht ja um unsere Zukunft.“
Ehrenamtliches Engagement ist generell eine wichtige Sache für die 22-Jährige, die sonst im Tanzsportverein Kinder trainiert. Da war es naheliegend für die Studentin, sich auch bei dem wichtigen Thema Wahlen einzubringen.
Geringes Engagement bereitet langjähriger Wahlhelferin Sorgen
Dieses Engagement, findet Birgit Baumgart, sollte es viel öfter geben und das nicht nur bei der jüngeren Generation, sondern quer durch die Bevölkerung. „Wenn sich mal mehr Leute engagieren würden, müsste ich nicht seit 30 Jahren jede Wahl mitmachen“, erklärt sie seufzend.
Zudem wisse sie auch von Kollegen aus dem öffentlichen Dienst, die zum Stimmenzählen zwangsverpflichtet würden. „Das habe ich früher so nicht mitbekommen und das macht mir schon Sorgen“, gibt sie zu. „Ich fände es sehr traurig, wenn wir wieder in Zeiten kämen, in denen Leute vier Stimmzettel in die Urne werfen können.“
Briefwähler aus Amerika zahlen 56,51 Euro Porto
Für die Besetzung der 27 Wahllokale sowie die Auszählung der Briefwahlstimmen hat die Stadt Hattingen 450 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer gesucht. Für ihren Einsatz bekommen sie – je nach Tätigkeit – zwischen 30 und 70 Euro.Die Briefwahlstimmen waren in diesem Jahr besonders zahlreich: 16.360 Hattingerinnen und Hattinger haben die Briefwahl beantragt, bei der Bundestagswahl 2017 waren es 10.600. 3950 der Briefwähler davon haben gleich im Briefwahlbüro gewählt. Doch es beteiligen Hattinger in allen Teilen der Welt an der Bundestagswahl. So kamen am Freitag vor der Wahl noch zwei Stimmzettel per Luftpost aus den USA. Frankiert waren sie mit dem stattlichen Porto von 66,20 Dollar – umgerechnet 56,51 Euro.