Hattingen. Ein Gebrauchtwagenhändler aus Hattingen muss wegen Betrugs ins Gefängnis. Er hat unter anderem Autos mit manipulierten Kilometerständen verkauft.
Als freier Mann verlässt er den Gerichtssaal nicht. Nach einem zähen vierten Verhandlungstag hat das Schöffengericht einen Gebrauchtwagenhändler aus Hattingen – zumindest in Teilen – für schuldig befunden. Wegen gewerbsmäßigen Betrugs in sechs Fällen, Beleidigung in zwei Fällen und einer versuchten Nötigung soll er für zwei Jahre und neun Monate in Haft.
Einstellung nach §154 Strafprozessordnung
Die Strafprozessordnung kennt den §154 als Teileinstellung wegen mehrerer Taten. Demnach kann die Staatsanwaltschaft unter anderem dann von der Strafverfolgung absehen, wenn die Strafe, die ein Beschuldigter wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so wie im Fall des betrügerischen Gebrauchtwagenhändlers, kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig einstellen.
Dabei sind es am Ende noch nicht einmal alle der ursprünglich 28 Anklagepunkte, die für die Verurteilung sorgen. Zwölf von ihnen wurden bereits während der Verhandlung eingestellt, von den übrigen wurde er freigesprochen.
Prozess dauerte anderthalb Monate
Seit Anfang Dezember war der Prozess vor dem Schöffengericht im Gange. Zeugen aus ganz Deutschland – größtenteils Autokäufer, die sich betrogen fühlten – mussten dafür nach Hattingen reisen. Im Kern brachten sie immer wieder die gleichen Vorwürfe vor: falsche Kilometerstände, Schadstoffklassen oder Fahrgestellnummern, außerdem nicht ausgelieferte Fahrzeuge, falsche Autos oder Papiere.
Sowohl die falschen Daten und Fahrzeugpapiere, als auch die langen Wartezeiten führt die Verteidigung darauf zurück, dass der Hattinger die Autos aus den Niederlanden kauft – was er den Kunden in den meisten Fällen verschwiegen hat. Im Zuge der Umschreibung nach Deutschland, was über weitere Anbieter geschieht, sei es zu Übertragungsfehlern gekommen. Bei den Kilometerständen indes habe der Gebrauchtwagenhändler sich auf das verlassen, was im Kaufvertrag stand.
Kilometerstände stehen im Mittelpunkt
Am Ende der Verhandlung stehen eben diese manipulierten Tachostände im Mittelpunkt. Ein eigens geladener Kfz-Sachverständiger bringt dazu ein Gutachten ein, gemäß dem viele der Käufer regelmäßig zu viel bezahlt hatten, weil eben der Kilometerstand viel höher war als angegeben.
Berechnet hat der Experte Schadenshöhen von 400 bis 4350 Euro in zehn Fällen – insgesamt 18.410 Euro, wie der Staatsanwalt vorrechnet. Er fordert dreieinhalb Jahre Haft, eine entsprechend hohe Wertentziehung sowie die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls – also die sofortige Festnahme.
Verteidiger vertraut nicht auf die Bewertung des Sachverständigen
Völlig anderer Ansicht war indes der Rechtsbeistand des Angeklagten. Er forderte Freispruch, und zwar hauptsächlich deshalb, weil er die Vorgehensweise des Sachverständigen anzweifelt. Der hatte die fraglichen Autos nämlich nicht persönlich untersucht, sondern die Laufleistung auf Basis von Eintragungen in der Volvo-Datenbank beziehungsweise in einem niederländischen Zentralregister abgeleitet.
Diese Quellen erachtete das Gericht allerdings für hinreichend belastbar: „Das ist eben nicht irgendwo aus dem Internet hergeholt“, erklärte der Vorsitzende Richter. Schließlich, so hatte der Sachverständige zuvor erläutert, sind im Nachbarland Fahrzeug und Kennzeichen untrennbar miteinander verbunden. Sobald das Fahrzeug in der Werkstatt oder beim niederländischen TÜV-Äquivalent vorgestellt wird, würden die Kilometerstände in einer Datenbank erfasst.
Da es außerdem um sehr große Abweichungen von mehreren 10.000 Kilometern ging, war das Gericht der Ansicht: „Jemand, der professionell mit Autos handelt, muss das sehen.“ Zumal die Beschaffung der richtigen Kilometerstände, eben dank dieser Datenbank, sehr einfach sei.