Hattingen.. Rüdiger Borgardt führt den Salon am Kirchplatz. Auch seine Tochter ist Friseurin. Das Berufsbild,sagt er, hat sich stark verändert. Borgardts Großvater zog sogar noch Zähne.



Auf Wasserwellen und aufs Ondulieren versteht man sich im „ältesten Geschäft am Platz“, die Spezialität von Paul Borgardt allerdings ist: der Bubikopf. So hat Rüdiger Borgardts Großvater Paul einst in einer Anzeige sein handwerkliches Können als „Barbier und Friseur“ angepriesen. Der Enkel hat das Schwarz auf Weiß in einem Rahmen in seinem Salon am Kirchplatz 9 hängen. Hier führt er die Familientradition fort, die bereits vor über 200 Jahren begann.

„Seit 1798“: Diese Zahl hat Rüdiger Borgardt in die Fensterscheiben seines Ladens – mit je einem eigenen Haarschneideraum für Damen und Herren – eingravieren lassen. Eine Zahl, die Jahrzehnte lang auf einem Messing-Schild über dem Ladeneingang des Friseurgeschäftes gestanden hatte, das die Borgardts inzwischen in sechster Generation führen. Bis in die 1940er Jahre befand dieses sich dabei am Kirchplatz 10.

Rüdiger Borgardt selbst hat das Schild mit der „1798“ indes nie zu Gesicht bekommen. Als sein Vater im Juni 1942 das Haus am Kirchplatz 7-9 erwarb, für 14 800 Reichsmark von einem Bankdirektor aus Essen, da war der heutige Ladeninhaber noch gar nicht geboren. Auch der Versuch des mittlerweile 64-Jährigen, im hiesigen Stadtarchiv etwas über die Anfänge der Familie im Friseurgewerbe zu erfahren, seien ins Leere gelaufen, erzählt Rüdiger Borgardt.

Trennwände schützten vor Blicken

Immerhin: Die originalen Friseurmeister-Urkunden von Vater und Großvater besitzt der Hattinger noch, sie hängen deutlich sichtbar an einer Wand seines Geschäftes – direkt neben seiner eigenen und der seiner Tochter Sandra, die beide sehr viel schlichter anmuten. Und auch ein Schwarz-Weiß-Foto, das den Großvater mit seinen Mitarbeitern vor dem alten Laden zeigt, hat Borgardt (neben der Werbeanzeige des Opas) aus früheren Zeiten in die Gegenwart gerettet.

Und sonst? Es habe sich viel verändert im Friseurwesen, sagt Borgardt (der insgesamt vier Mitarbeiterinnen beschäftigt). Noch als sein Vater den Laden führte, sei jeder Kunde vor den Blicken anderer durch Trennwände geschützt gewesen. „Niemand sollte ja schließlich wissen, wer sich zum Beispiel die Haare färbt.“ Und dass die Männer heute noch zum Zähneziehen und mehrmals die Woche zur Rasur (mit Rasiermesser!) in den Laden kommen, wie zu Zeiten seines Großvaters: undenkbar.

Überhaupt: Das Geschäft anno 2014 sei schwierig geworden. Es sei nicht leicht, sich gegen die Konkurrenz der Billiganbieter zu behaupten, betont Rüdiger Borgardt. Dennoch mag er, der auch nach seinem 65. Geburtstag im August noch weiterarbeiten will, nicht klagen: Nicht nur, dass er etliche zufriedene Stammkunden habe. „Ich bin bis heute einfach gerne Friseur. Da sieht man sofort, was man getan hat.“

Und Schnitt.