Essen. Hoffnung auf Strafmilderung darf sich der Bochumer Marcus S. (39) nicht machen, wenn er für den Mord an der Blankensteinerin Jennifer Schlicht schuldig gesprochen werden sollte. Die Psycho-Gutachter stufen ihn als voll schuldfähig ein.
Nach vier Prozesstagen sieht das Essener Schwurgericht die Beweisaufnahme bereits als erschöpft an. Ein Zeuge soll noch am nächsten Prozesstag, dem 16. April, gehört werden. Danach könnten die Plädoyers gehalten werden.
Am Freitag widmet das Gericht sich der Person des Angeklagten. Sechs Jahre lang hatte er allein mit dem Geheimnis gelebt, für den Tod der 36 Jahre alten Angestellten der Stadt Bochum verantwortlich zu sein. Nach Pfingsten 2005 war sie von einer Freundin und ihren Eltern tot in ihrer Blankensteiner Wohnung gefunden worden. Ihr Rücken war übersät mit Verletzungen. 30 Messerstiche zählten die Rechtsmediziner später.
Ihr gesamter Freundeskreis wurde durchleuchtet, nach Tätern aus dem Nichts gesucht – alles blieb erfolglos. Bis 2010 nach einem Einbruch DNA-Spuren gesichert wurden, die zur DNA des Täters passten, der Jennifer Schlicht umgebracht hatte. Die Kripo klärte den Einbruch, kam auf Marcus S. und präsentierte den mutmaßlichen Mörder. Denn in der Vernehmung gestand der gelernte Schlosser, der Blankensteinerin das Messer zigmal in den Rücken gestoßen zu haben. Im Grunde blieb er dabei vor dem Essener Schwurgericht, wenn das wahre Motiv auch weiter unklar zu sein scheint. Schwurgerichtsvorsitzender Andreas Labentz wies den Angeklagten mehrfach auf Widersprüche seines Geständnisses hin.
Als schwierigen Charakter hatte sein Bruder ihn geschildert. Im Lebenslauf schilderte Marcus S. dann selbst, wie er nach dem Zivildienst vom Metallbau zum Maschinenbau wechselte und häufig den Arbeitsplatz aufgab. „Was war das Problem?“, fragt Labentz. „Das Problem war das Trinken“, antwortet der Angeklagte. 1999 hätte er damit angefangen. 2005, zur Tatzeit also, hätte er vermehrt getrunken, auch schon morgens.
Nach seinen Angaben hatte er auch vor der Tat in Blankenstein getrunken. Spuren antisozialer Züge bescheinigt Psychologin Kristina Piontek dem durchschnittlich intelligenten Mann, der schon als Kind wegen seiner Hyperaktivität untersucht wurde. Sie merkt an, dass er beim Ausfüllen der psychologischen Tests „fröhlich gepfiffen hat, ein Lied auf den Lippen“.
Seine Erinnerungslücken zum Kern der Tat sind für sie aus psychologischer Sicht nicht zu erklären. Ebenso wie Psychiater Norbert Leygraf sieht sie ihn voll schuldfähig. Allein die 30 Stiche zeigten zwar eine gewisse affektive Erregung, sagt Leygraf, eine schuldmindernde „tiefgreifende Bewusstseinsstörung“ sei aber auszuschließen. In seiner Vernehmung hatte Marcus S. selbst nicht von einem Affekt bei den ersten Stichen gesprochen.