Hattingen. Sieben Jahre nach dem Tod der Blankensteinerin Jennifer Schlicht steht der mutmaßliche Mörder vor dem Schwurgericht.

Andreas Labentz, Vorsitzender des Essener Schwurgerichtes, klingt zweifelnd. „Wie soll das gehen?“, fragt er. Oder: „Bei der Polizei haben Sie aber gesagt . . .“ Er prüft das Geständnis des Mannes, der sich viele Jahre vor der Polizei verborgen hatte. Seit Mittag muss der Bochumer Marcus S. (36) sich vor Gericht dem Vorwurf stellen, Pfingsten 2005 die 36 Jahre alte Jennifer Schlicht in ihrer Wohnung an der Wittener Straße in Blankenstein ermordet zu haben.

Ein Geständnis mit Widersprüchen, das streckenweise auch konstruiert klingt. Dass der Metallbauer 2005 ein sexuelles Verhältnis mit der Getöteten gehabt haben will, stößt schon auf Zweifel. Niemand wusste damals davon, und Richter Labentz spricht noch ein anderes Problem an: „Es gibt einen sehr intensiv geführten Kalender von Frau Schlicht. Da stehen Sie nicht drin.“

Laut Anklage hatte Marcus S. das Opfer flüchtig gekannt. Am Pfingstwochenende 2005 soll es in der Wohnung der Frau im Wohnzimmer zu einem Streit gekommen sein. Plötzlich soll er ihr mit einem Messer in den Rücken gestochen haben. Als er die Verletzung sah, soll er sie voller Panik ins Bad gedrängt und in die Wanne gedrängt haben. Aus Angst, sich wegen des Stichs verantworten zu müssen, soll er Jennifer Schlicht ermordet haben. 30 tiefe Messerstiche zählten die Rechtsmediziner im Rücken der Leiche.

Umsichtig soll er die Spuren seiner Tat beseitigt haben. Im Waschbecken reinigte er seinen eigenen Arm vom Blut, entsorgte seinen Pulli, duschte die Leiche ab. Doch ein Detail übersah er: Unter den Fingernägeln sicherten Rechtsmediziner DNA-Spuren des Mörders. Als Marcus S. bei Einbrüchen in zwei Hattinger Firmen im Ludwigstal und einer Bochumer Firma DNA-Spuren hinterließ, kamen die Ermittler ihm auf die Spur. Sie klärten seine Identität als Einbrecher und nahmen ihn fest. Seit dem 8. September 2011 sitzt Marcus S. in Untersuchungshaft, legte ein Geständnis ab.

Darin behauptet er allerdings, Jennifer Schlicht hätte ihn zuerst mit einem Messer angegriffen. Im Gerangel hätte sie sich verletzt. Aber er räumte schon bei der Polizei ein, sie dann aus Angst vor Entdeckung getötet zu haben.

Heute will er keine Erinnerung mehr an die 30 Messerstiche haben. Er schildert nur den Angriff auf sich selbst. sagt, seine Freundin hätte „gemeckert und gekeift“. Aber die Tat selbst will er nicht mitbekommen haben: „Es war wie ein Karton um meinem Kopf.“

Mit dem Prozess in Essen finden jahrelange Ermittlungen ihren Abschluss. Die alleinstehend lebende Jennifer Schlicht galt als lebenslustige, freundliche und hilfsbereite Frau. Erst drei Jahre vor ihrem Tod war die gebürtige Bochumerin nach Blankenstein gezogen. In ihrer Heimatstadt war sie zur Schule gegangen, fand dort auch eine Anstellung als Schreibkraft in der Stadtverwaltung. In Blankenstein bot sie in ihrer Wohnung „Lebensberatung“ mit „Bachblütentherapie, solaren Schmetterlings- und Meeresessenzen“ an. Weil durch die DNA-Analyse früh ein Mann als Täter feststand, hatte die Polizei nach dem Mord Hunderte ihrer Bekannten überprüft.