Gladbeck / Recklinghausen. Mit Getöse und harten Vorwürfen gegen Marco Gräber verlässt Markus-Julius Maximus Alinaghi die AfD-Kreistagsfraktion. Das sagen die Beteiligten.

Gegen den Gladbecker AfD-Politiker Marco Gräber stehen Vorwürfe im Raum. In einem anonymen Brief, der an die Redaktion gerichtet war, wird ihm vorgeworfen, einem Mitglied, der dem AfD-Stadtverband Gladbeck eine Spende zukommen lassen wollte, seine private Kontonummer gegeben zu haben. Er soll gebeten haben, die Spende auf dieses Konto zu überweisen. Es gehe hier um den Anfangsverdacht des Betrugs, so der Vorwurf in dem Schreiben.

Auch die Polizei sei schon eingeschaltet und ermittle in der Sache. Auf Nachfrage der Redaktion will die Polizei das nicht bestätigen, verweist auf den Datenschutz. Man gebe keine Auskunft zu Ermittlungen gegen einzelne Personen, so die Pressestelle. Laut Schreiben an die Redaktion habe der AfD-Kreisverband Recklinghausen Anzeige erstattet. „Udo Pöpperling, Sprecher der Kreis-AfD, bestätigte in einer E-Mail ohne Signatur aber, dass der Kreisvorstand Anzeige gegen Marco Gräber erstattet habe“, heißt es dazu in der Recklinghäuser Zeitung. Gegenüber der WAZ hat sich Pöpperling auf Nachfrage nicht geäußert.

Marco Gräber weist Vorwürfe zurück und hat einen Anwalt eingeschaltet

Bewiesen sind die Vorwürfe damit noch lange nicht. Dass die Polizei ermittelt, ist auch kein Zeichen für eine wie auch immer geartete Stichhaltigkeit der Vorwürfe. Sobald Anzeige erstattet wird, muss die Polizei aktiv werden. Am Ende liegt die rechtliche Bewertung bei der Staatsanwaltschaft. Sie entscheidet, ob womöglich Anklage erhoben wird, ein Verfahren mit einem Strafbefehl oder einer Einstellung beendet wird.

Marco Gräber jedenfalls weist den Vorwurf zurück: Bei ihm seien „keinerlei Spenden auf meinem privaten Konto eingegangen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte ich diese logischerweise sofort zurück überwiesen“. Auch von Ermittlungen gegen ihn sei ihm nichts bekannt. „Weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft haben sich bisher bei mir gemeldet.“ Er habe bisher ausschließlich aus der Presse davon erfahren. Darüber hinaus will er sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter zu den Vorwürfen äußern.

Weiterer Vorwurf: Erschleichen von Sitzungsgeldern

Er habe nunmehr einen Anwalt konsultiert, der für ihn Akteneinsicht nehme. Bis er daraus Kenntnisse habe, könne und werde er sich zu dem Sachverhalt nicht weiter äußern.

Doch das sind nicht die einzigen Vorwürfe, die gegen den Gladbecker laut werden. Der bisherige Fraktionsgeschäftsführer Markus-Julius Maximus Alinaghi hat die AfD-Fraktion im Kreistag verlassen. In einem Schreiben an die Redaktion sagt er dazu: „Ich bin nicht bereit, weiter mit anzusehen, wie sich Mitglieder meiner Fraktion auf Kosten der Steuerzahler, zu Unrecht, einen finanziellen und oder geldwerten Vorteil verschaffen.“ Verantwortlich dafür ist aus seiner Sicht der Fraktionsvorsitzende Marco Gräber.

Alinaghi spricht in dem Zusammenhang von dem Erschleichen von Sitzungsgeldern. Er schildert eine Fraktionssitzung, bei der ein sachkundiger Bürger wesentlich zu spät, nämlich erst zum nicht-öffentlichen Teil gekommen sei, zu dem er aber keinen Zutritt gehabt habe. Marco Gräber sei dann mit der Anwesenheitsliste verschwunden, habe das Mitglied unterschreiben lassen und dann die Sitzung fortgesetzt.

Streit um Protokolle und Teilnehmerlisten von Sitzungen

Das ehemalige Fraktionsmitglied Alinaghi hat ein Protokoll der Sitzung vorgelegt, dort taucht der Name des sachkundigen Bürgers unter den Teilnehmern nicht auf. Anders in der offiziellen Teilnehmerliste, da hat er tatsächlich unterschrieben.

„Ich bin nicht bereit, weiter mit anzusehen, wie sich Mitglieder meiner Fraktion auf Kosten der Steuerzahler, zu Unrecht, einen finanziellen und oder geldwerten Vorteil verschaffen.“

Markus-Julius Maximus Alinaghi
ehemaliges Mitglied der AfD-Kreistagsfraktion begründet seinen Austritt

Marco Gräber stellt den Vorfall anders dar. Es sei richtig, dass besagtes Mitglied nicht von Anfang an der Sitzung teilgenommen habe. Es sei jedoch durchgehend per Telefon zugeschaltet gewesen und ca. 25 Minuten später erschienen. „Seinen Tagesordnungspunkt haben wir somit ganz ans Ende des öffentlichen Teiles der Sitzung geschoben, damit auch er die Möglichkeit hatte, Bericht zu erstatten.“

Wurden Fraktionsgelder unrechtmäßig verwendet?

Alinaghi wiederum wirft Gräber außerdem vor, in zwei Fällen Fraktionsgelder unrechtmäßig verwendet zu haben. So habe Gräber im Dezember 2022 in einer WhatsApp-Gruppe der Fraktion beantragt, auf Kosten der Fraktion für ein Mitglied einen PC anzuschaffen. Ein Screenshot dieser Unterhaltung liegt der Redaktion vor. Für rund 1300 Euro wurden dann ein Gerät und Zubehör angeschafft. Nur: Dieses Mitglied habe in der Fraktion überhaupt keine Funktion gehabt, für die er das Gerät gebraucht hätte. Später seien dem Fraktionsmitglied auch noch die Kosten für einen Drucker erstattet worden. Die Anschaffung solcher Geräte sei jedoch lediglich für die Geschäftsführung zulässig.

„Unsere Fraktion legt auch hier ein besonderes Augenmerk auf einen schonenden Umgang mit den Fraktionsmitteln, die am Ende nichts anderes sind als das hart erarbeitete Geld unserer Steuerzahler.“

Marco Gräber
Vorsitzender AfD-Fraktion im Kreistag Recklinghausen

Marco Gräber dagegen beteuert, dass er gerade ein besonderes Augenmerk darauf habe, Fraktionsmittel streng nach Vorschrift anzuschaffen und zu vergeben, sei dies doch ein Hauptgrund für das Auseinandergehen der AfD-Kreistagsfraktion vor zwei Jahren gewesen. Es sei korrekt, dass ein Laptop für die Geschäftsführung angeschafft worden sei. Besagtes Mitglied lege großen Wert darauf, Fraktionsarbeit und Beruf strikt zu trennen. „Auf diesem Laptop sind alle Vorlagen unserer Fraktion sowie Schriftarten, Logos, Photoshop und Zoom-Abos etc. gespeichert.“ Das Fraktionsmitglied, um das es hier gehe, sei in seiner Freizeit sehr aktiv, was das Schreiben von Anfragen und die Erstellung von Grafiken und Texten angeht. „Dies macht es logischerweise nicht mit seinem privaten oder Dienstrechner, sondern mit unserem Fraktionsrechner, der ebenfalls von allen anderen Fraktionsmitgliedern genutzt wird, damit im Sinne der Corporate Identity jede PM, jede Anfrage, jeder Antrag usw. qualitativ gleich ist.“

Zudem stünde eigentlich jedem Fraktionsmitglied ein eigenes digitales Endgerät zu, um am digitalen Sitzungsdienst teilnehmen zu können. „Unsere Fraktion legt auch hier ein besonderes Augenmerk auf einen schonenden Umgang mit den Fraktionsmitteln, die am Ende nichts anderes sind als das hart erarbeitete Geld unserer Steuerzahler.“

Kreisverwaltung Recklinghausen prüft nun die Unterlagen

Die Unterlagen liegen nun alle bei der Kreisverwaltung und würden dort geprüft, erklärt Sprecherin Svenja Küchmeister. Danach würden, soweit notwendig, die betroffenen Personen dazu angehört, beschreibt sie das weitere Vorgehen.

In seiner Erklärung spricht Markus-Julius Maximus Alinaghi auch von einem „vergifteten Klima“ in der Fraktion und macht Gräber dafür verantwortlich. Der bestreitet nicht, dass das Klima vergiftet sei, macht seinerseits aber Alinaghi dafür verantwortlich. Der habe entgegen Gräbers ausdrücklicher Aufforderung eine Anzeige gegen ein anderes Fraktionsmitglied gestellt. „Das Zuwiderhandeln meiner Aufforderung von Herrn Alinaghi hat zu einer Vergiftung des innerfraktionellen Klimas geführt.“ Warum er nun Vorwürfe erhebe, zuvor aber anderthalb Jahre alle Beschlüsse mitgetragen habe, sei ihm ein Rätsel, so Gräber.

Tatsächlich ist die Zusammenarbeit der AfD im Kreis geprägt von gegenseitigen Anschuldigungen und Misstrauen. Vor zwei Jahren zerbrach daher auch eine Fraktion. Marco Gräber und zwei andere AfD-Kreistagsmitglieder schlossen sich daraufhin mit der UBP um Markus-Julius Maximus Alinaghi zusammen und gründeten eine neue Fraktion.

Auch Markus-Julius Maximus Alinaghi ist kein Unbekannter. Der Marler wurden wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er soll mit einer Rede versucht haben, eine unliebsame Anfrage von SPD und CDU zu verhindern, dabei soll er mit Skandal-Gerüchten gedroht sowie seine Nähe zu Rockern und seinen Waffenbesitz angeführt haben. Danach wurde zusätzlich die Waffenbesitzkarte des Jägers eingezogen, berichte die Marler Zeitung vom Prozess.

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