Gladbeck. Gemeinnützige Jugend- und Behindertenhilfe bietet Menschen in Gladbeck ein nahezu eigenständiges Leben. Gruppe für Adipositas-Erkrankte geplant.
Alt genug, um alleine leben zu wollen, aber so sehr eingeschränkt, dass es nicht möglich ist, alleine in einer eigenen Wohnung leben zu können: So geht es vielen geistig oder körperlich behinderten jungen Menschen. Die Gemeinnützige Jugend- und Behindertenhilfe in Gladbeck bietet ihnen seit dem Jahr 2010 die Möglichkeit, mit anderen Menschen in einer Wohngemeinschaft zu leben. Und der Bedarf wächst.
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„Wir haben sehr viele Anfragen. Für weitere Appartements haben wir aber nicht genug Raum. Die Kapazitäten an unserem Standort an der Memeler Straße sind ausgeschöpft“, so Geschäftsführer Siegfried Schmitz. Die Jugend- und Behindertenhilfe sucht nach weiteren Standorten und möchte vor allem auch eine Wohngruppe speziell für Adipositas-Betroffene eröffnen. Denn der Anteil der Erkrankten bei behinderten Menschen ist groß. „Der Prozentsatz ist höher, weil ihnen häufig ausreichend Bewegung fehlt, zudem haben sie oft kein gesundes Essverhalten“, weiß Dragica Oberholz, zweite Geschäftsführerin.
Intensiv-therapeutische Wohngruppe mit Fokus auf Ernährung und Bewegung geplant
Daher ist die Organisation derzeit auf der Suche nach einem geeigneten Baugrundstück oder Haus, gerne auch zur Miete. „Es ist wichtig, eine bestimmte Klientel auf eine bestimmte Weise zu unterstützen“, so Oberholz. Denn nur, wenn alle Menschen in einer Wohngruppe gleich behandelt werden könnten, komme auch kein Neid auf. „Dann erhält zum Beispiel keiner eine Tüte Chips. Die Bewohner sollen nur kontrolliert Zugang zur Nahrung bekommen.“ Die Wohngruppe wäre eine intensiv-therapeutische, mit dem Fokus auf Ernährung und Bewegung.
Über den Verein
1993 gründeten Eltern von behinderten Kindern als Selbsthilfegruppe die Frühförderinitiative Gladbeck e.V. Der ehrenamtlich tätige Vorstand erweiterte 2010 seine Arbeit und gründete die Gemeinnützige Jugendhilfe Gladbeck. An der Friedensstraße wurde eine Wohngruppe für bis zu sieben Kindern im Alter von sechs Jahren bis zur Verselbstständigung errichtet, 2013 schließlich die Wohngruppe an der Memeler Straße.Geschäftsführer ist Siegfried Schmitz, seit Januar ist Yilmaz Akdogan zweiter Geschäftsführer. Er soll Dragica Oberholz ablösen, die in den Ruhestand geht. Akdogan hat zuvor den Immobilienbereich der Sparkasse Gladbeck geleitet.
Dass eine Wohnform für junge Menschen mit Behinderung generell sinnvoll und nötig ist, zeigen die Erfahrungen der Jugend- und Behindertenhilfe, die ihre Arbeit 1993 in der Frühförderinitiative begann. Oftmals fällt es Eltern von behinderten Kindern schwer, loszulassen. „Wegen ihrer geistigen Behinderung werden sie oft wie kleine Kinder behandelt“, so Oberholz. Zudem machten sich Eltern in der Regel zu spät Gedanken darüber, was mit den jungen Erwachsenen passieren soll, wenn sie 18 sind oder die Eltern selbst alt werden. „Viele haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Kinder abgeben. Aber andere ziehen doch auch von zuhause aus“, sagt Oberholz.
Es wird gemeinsam geputzt, gekocht und eingekauft
In der Wohngruppe wird den jungen Menschen ein eigenständiges Leben mit Unterstützung ermöglicht. Es wird gemeinsam geputzt, gekocht, eingekauft. Es gibt neben den eigenen insgesamt zwölf Appartements, zusätzlich Gemeinschaftsräume. Dort finden Kinoabende oder auch mal Disco statt – wenn nicht gerade Corona-Pandemie ist. Unter der Woche arbeiten die Bewohner in Werkstätten für Behinderte, etwa die der Caritas. „Eine Tagesstruktur ist wichtig, damit sie nicht einfach in den Tag hineinleben.“
Viele Bewohner haben aber etwa Schwierigkeiten, mit Geld umzugehen. „Ihnen wurde alles von den Eltern abgenommen, als sie noch Zuhause lebten. Wenn sie dann bei uns wohnen, stellen sie fest, sie können mehr, als sie vorher gedacht haben“, berichtet Schmitz. Für die Eltern sei es häufig viel schwieriger, sich abzunabeln als für die Kinder. „Für die Eltern kann es mitunter auch eine schmerzliche Erfahrung sein, wenn die Kinder in den Wohngruppe ihr neues Zuhause sehen“, so Schmitz. Die Wohngruppe richtet sich an Menschen ab 18 Jahren, der älteste Bewohner derzeit ist 36 Jahre. „Nach oben gibt es aber keine Altersgrenze“, so Oberholz. Das Einzugsgebiet ist der gesamte Kreis Recklinghausen, Anfragen kommen aber auch aus den Nachbarstädten Bottrop und Gelsenkirchen.