Gladbeck. Christoph Pocha, einst Chef am Ratsgymnasium Gladbeck, war im von Russland unterstützten Armenien. Warum das demokratische Land Hilfe braucht.

In schwieriger Zeit – Corona-Pandemie und Ukraine-Krise – machte sich Hans-Christoph Pocha, der ehemalige Leiter des Ratsgymnasiums Gladbeck, Ende Januar auf zu einer ungewöhnlichen und herausfordernden Reise nach Armenien – in ein post-sowjetisches Land, zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer gelegen, mit einer nach wie vor russlandfreundlichen Bevölkerung. Just wenige Tage vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine kehrte Pocha ohne Probleme, aber mit vielen Eindrücken zurück in die Heimat.

Die Ukraine-Krise oder gar ein unmittelbar bevorstehender militärischer Überfall Russlands auf die Ukraine spielte weder im öffentlichen Raum noch um privaten Umfeld in Armenien ein Rolle, berichtet Pocha nach seiner Rückkehr. „Die Armenier haben ihre eigenen Sorgen und Nöte“, so Pocha, der bis 2020 das Ratsgymnasium leitete und in Kirchhellen zu Hause ist. „Sie sehen Russland als Schutzmacht, das ihnen als christliches Land mit zwei muslimisch geprägten Nachbarländern – Aserbaidschan und die Türkei – zur Seite steht“, erklärt Pocha, der als ehemaliger Russischlehrer gut zurecht kam in dem Land im südlichen Kaukasus. „Russisch ist hier die Zweitsprache, Kontaktschwierigkeiten hatte ich überhaupt keine.“

Pocha: Armenien ist ein demokratisches Land und benötigt Hilfe

Hans-Christoph Pocha vor dem Kloster Chor Wirap, rund 40 Kilometer südlich von Eriwan, in unmittelbarer Nähe zur türkischen Grenze.
Hans-Christoph Pocha vor dem Kloster Chor Wirap, rund 40 Kilometer südlich von Eriwan, in unmittelbarer Nähe zur türkischen Grenze. © Unbekannt | Pocha

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Pocha betont, dass Armenien ein demokratisches Land „mit tollen, gastfreundlichen Leuten“ sei, das Hilfe beim demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau benötige, aber nicht im Fokus der westlichen Welt stehe. „Es ist ein Land im Umbruch in schwieriger Zeit, das Unterstützung verdient, gerade auch deshalb, weil es sich auf einen demokratischen Weg gemacht hat“, sagt Hans-Christoph Pocha mit Blick auf die Unterstützung, die bislang größtenteils von russischer Seite komme. Viele junge Leute in Armenien, darunter „viele intelligente und qualifizierte Menschen“, hätten aber einen klaren „Trend nach Westen“, viele interessierten sich für Deutschland als wichtigem europäischen Land.

Der ehemalige Ratschef war mit dem Freiwilligendienst „Armenian Volunteer Corps“ (AVC) zu einem ehrenamtlichen Einsatz in Armenien, um seine langjährigen Erfahrungen als Schulleiter und Lehrer weiterzugeben. Grundsätzlich habe ihn seine Schwiegertochter, die aus Armenien stammt, auf die Idee gebracht, gerade in diesem Land seine Hilfe speziell im Schulwesen anzubieten. Was allerdings wegen der Corona-Pandemie organisatorisch schwieriger war, als anfangs gedacht.

Ex-Chef des Ratsgymnasiums unterrichtete an zwei Schulen und an einer Uni

Ex-Ratschef Pocha über dem Sewansee am Kloster Sewanawank. Neben ihm steht ein für die armenische Kultur typischer Kreuzstein. In Sichtweite der Berg Ararat.
Ex-Ratschef Pocha über dem Sewansee am Kloster Sewanawank. Neben ihm steht ein für die armenische Kultur typischer Kreuzstein. In Sichtweite der Berg Ararat. © Unbekannt | Pocha

Sein erster Aufenthalt in einer Schule in Eriwan, der Hauptstand Armeniens mit 1,1 Millionen Einwohnern, war nämlich bereits nach wenigen Tagen beendet, da die Schule wegen der Corona-Variante Omikron in den Distanzunterricht ging. „Ich sollte dort Englisch- und Deutschunterricht geben, aber auch der Schulleitung mit Rat zur Verfügung stehen.“ Stattdessen erhielt der Kirchhellener an einer russisch-armenischen Universität einen Gastauftrag – und lehrte dort Englisch.

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Untergebracht war der ehemalige Schulleiter in einem Privatquartier mit Blick auf den 70 Kilometer entfernten und über 5000 Meter hohen Berg Ararat, der schon auf türkischem Gebiet liegt, und auf dem der Legende nach einst die Arche Noah gestrandet sein soll. Pocha freute sich in seinem zwischenzeitlichen Zuhause auch über ein wenig Familienanschluss, nahm aber ebenso an Ausflügen teil, die AVC gemeinsam mit anderen Freiwilligen, 24 waren es an der Zahl, auch zu touristischen Zielen unternahm – wie etwa zum Kloster Sewanawank am Sewansee, der der zweitgrößte Hochgebirgssee nach dem Titicacasee ist.

In der Provinz lernte Pocha die Realität des Kaukasus-Lebens kennen

Eine Erfahrung für sich, so Pocha, war eine Dienstreise nach Dilijan, einem kleinen Ort mit 16.000 Einwohnern in der Provinz Tavush, rund eineinhalb Autostunden von der Hauptstadt entfernt. Dort tauschte sich der Pädagoge mit der Schulleitung über Lernpläne aus, unterrichte aber auch eine 7. Klasse der Schule Nr. 6 in Deutsch.

„Da war man dann in der Realität einer Kaukasus-Provinz angekommen mit veralteten Lehrbüchern und didaktischen Lernmethoden, die Jahrzehnte den unsrigen hinterherhinken.“ Aber auch hier: Wissbegierige, aufgeschlossene junge Leute, die mehr von der Welt kennenlernen wollen. Pochas Idee am Ende seiner Reise: „Vielleicht ist das ja der Anfang von einer etwas intensiveren Zusammenarbeit mit einer Schule.“

Kaukasus-Republik

Armenien liegt im Südkaukasus mit nur rund drei Millionen Einwohnern. Hauptstadt ist Eriwan/Jerewan, in der etwa ein Drittel der Bevölkerung des Landes lebt. Die Kaukasus-Republik wurde 1918 gegründet und war bis 1991 Teil der Sowjetunion. Eriwan liegt nur 70 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt.Hans-Christoph Pocha war von 2007 bis Januar 2020 am Ratsgymnasium tätig, seit 2013 als Schulleiter. Nach mehreren Anläufen (Armenien-Konflikt 2020, danach Corona) gelang ihm über die Hilfsorganisation AVC der seit seiner Pensionierung geplante Freiwilligendienst im Kaukasus – Wiederholung nicht ausgeschlossen.

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