Gladbeck. Als der Reaktor-GAU in Fukushima passierte, war die Tschernobyl-Katastrophe in Weißrussland vor 25 Jahren hierzulande schon fast vergessen. Nun jedoch erfährt das Atomreaktorunglück von damals, das am 26. April 1986 die Welt schockte, eine beklemmende Aktualität.
Und so erhält auch der 25. Jahrestag eine ganz neue Bedeutung. Das Gladbecker Bündnis für Courage nimmt dieses Datum zum Anlass für eine Mahnwache unter dem Titel „Tschernobyl mahnt“ in der Innenstadt am Ostersamstag, 23. April. „Und natürlich ist auch Fukushima an dem Morgen ein Thema“, sagt Pfarrerin Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup. Denn die Parallelität der Ereignisse macht ebenso betroffen wie der Umgang der Behörden und Politiker in Japan mit den Informationen darüber an die Bevölkerung. Hildebrandt: „Es wird nicht wahr gesprochen. Die Menschen bleiben im Unklaren. Wie in Tschernobyl damals wird heute in Japan vieles nicht berichtet.“
Bürgermeister Ulrich Roland, ein Vertreter der Ev. Kirche und Bündnis-Sprecher Roger Kreft werden dazu sprechen, aber auch die Gladbecker können ihren Empfindungen, Sorgen, Ängsten Ausdruck geben. Nach den Reden ist das Mikrophon offen für alle Teilnehmer der Mahnwache, die kurze, persönliche Statements abgegben wollen.
Dass das Bündnis, das sich als Reaktion auf rechtsextreme Entwicklungen gegründet hat, nun auch den Kampf gegen Kernenergie und Atomkraft auf seine Fahnen schreibt, ist neu – für die Pfarrerin aber eine logische Entwicklung. „Es geht uns um existenzielle Fragen der Menschen“, erklärt sie. Dazu müsse es ein breites, überparteiliches Bündnis geben. Die Position ist eindeutig: „Abschalten sofort. Die Kernkraft muss weg“, sagt Roger Kreft.
Denn gerade jetzt werde noch einmal deutlich, welche Folgen und langfristigen Schäden die Reaktorkatastrophe Tschernobyl gebracht hat. „Jeder 4. Weißrusse ist betroffen“, so die Pfarrerin. Menschen mussten umsiedeln, es gibt eine hohe Krebsrate. Durch Tschernobyl seien die Menschen in Weißrussland darüber hinaus in einem doppelten Sinne getroffen worden, sagt Reile Hildebrandt. Denn gerade Weißrussland hat unter dem Faschismus im Zweiten Weltkrieg besonders gelitten, jeder 4. Weißrusse starb. Die Evangelische Kirche Gladbeck pflegt seit Jahren enge Beziehungen zum IBB (Int. Bildungs- und Begegnungswerk) und dessen Johannes-Rau-Haus in Minsk, das sich die Aussöhnung der Völker zur Aufgabe gemacht hat.
Auf Initiative des IBB fand in der letzten Woche auch eine Plenardebatte für eine „zukunftssichere Energieversorgung ohne Atomkraft und eine lebendige europäische Erinnerungskultur“ in der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin statt. Unter 200 Teilnehmern waren zwölf Mitglieder des Gladbecker Bündnisses. Ziel der Veranstaltung war es, die Meinung der Menschen im Land zur Atompolitik deutlich zu machen. „Damit die SPD standhaft in ihrer Meinung bleibt“, so Kreft.