Gladbeck..
Mit dem Schellen an Wohnungstüren hat Jörg Hain allenfalls noch zu tun, wenn seine Kinder „Klingelmännchen“ spielen. Wäre der 39-Jährige allerdings beruflich auf seinem früheren Posten geblieben . . . das Läuten wäre die typische Handbewegung in seinem Arbeitsalltag. Wie das halt Post- und Paketzusteller so tun. Aber es kam anders, als er selbst es sich einmal dachte.
Der gebürtige Gelsenkirchener steht heute nicht auf der Matte, sondern öffnet die Tür – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Mit offenen Armen heißt er jene willkommen, die in den Kinderhort „Terebinthe“ kommen. Aus dem früheren Postler – „einer der letzten Beamten auf Lebenszeit in dem Unternehmen“ – ist der Leiter der SkF-Einrichtung an der Hammerstraße in Zweckel geworden. Er ist damit fast ein „Exot“ in der Branche, sind Männer auf diesem von Frauen dominierten Berufssektor doch eine Seltenheit.
Allein unter Frauen
Das wird dem 39-Jährigen so richtig bewusst, als er seinen beruflichen Werdegang Revue passieren lässt. In seiner pädagogischen Ausbildung sah er sich (fast) immer allein unter Frauen, anders als zu seiner Postlerzeit. „Auch da habe ich gerne gearbeitet“, erzählt Hain. Bei der Post absolvierte er seine Ausbildung, daran schloss sich der Zivildienst an. Und seine Tätigkeit beim ASD im Altenbereich war es, die Hains Geschicke in andere Bahnen lenkte. Er erzählt: „ Begleitung in der Freizeit, Putzen, Einkaufen – außer Pflege habe ich da alles gemacht.“ Dabei kamen Zweifel auf, „ob die Tätigkeit bei der Post mich ein Leben lang ausfüllt.“
Jörg Hain empfand die Arbeit mit den Senioren als „sehr emotional und befruchtend“, genoss das direkte Feedback seines Gegenübers. Mit 24 Jahren beschloss er: Beruflich möchte er Menschen begleiten. „In mir drin steckte das Gefühl, mit Kindern zu arbeiten, das könnte das Richtige sein. Kinder geben einem unheimlich viel zurück.“ So kehrte er seinem sicheren Beamtenposten den Rücken, absolvierte eine dreijährige Ausbildung zum Erzieher. „Meine Familie und meine Partnerin standen zu 100 Prozent hinter mir, sonst hätte ich es mir wohl anders überlegt.“
1999 stieß Hain zum SkF und dem Kinderhort „Terebinthe“, seit 2008 hat er eine leitende Funktion. Und auch hier ist er ausschließlich von Frauen umgeben. Zu zwei Kolleginnen gesellen sich ehrenamtliche Kräfte, die eine unerlässliche Stütze seien. Da er keine halben Sachen machen wollte, studierte er Sozialpädagogik und Sozialarbeit. „Ich bin dem SkF dankbar, dass er mein Studium mitgetragen und gefördert hat“, sagt Jörg Hain. In der Einrichtung lernte er auch seine heutige Ehefrau kennen. Mit Inga (32) hat der Diplom-Sozialpädagoge und -Sozialarbeiter zwei Kinder: Jonathan (vier) und Charlotte (elf Monate).
Nicht nur beruflich wagt Hain Neues: Für sein Töchterchen nimmt er jetzt eine zweimonatige Elternzeit. Dass diese Chance in erster Linie Mütter nutzen, wundert ihn. „Das habe ich beim ersten Kind auch gemacht, das ist für mich alternativlos“, unterstreicht Hain, „wann habe ich in meinem Leben noch einmal zwei Monate Zeit für mein Kind?“ Einige Männer in seinem privaten Umfeld machten es ihm inzwischen nach. Hain, der seinen beruflichen Wechsel nie bereut hat, ist überzeugt: „Das Kostbarste, was ich einem Kind schenken kann, ist Zeit.“