Gelsenkirchen. Einen furiosen Abend erlebten Besucher im Gelsenkirchener MiR. Warum bei der „Messe der Weltreligionen“ die Zuschauer jubelten.

Wie ein Orkan fegten die Klänge durchs Große Haus des Musiktheaters, wirbelten tradierte Hörgewohnheiten so mächtig durcheinander, dass selbst der Dirigent am Ende atemlos gestand: „Diese Komposition spült den Kopf regelrecht einmal durch.“ Generalmusikdirektor Rasmus Baumann lieferte am Freitag mit seinem aktuellen „MiR goes Jazz“-Abend einen furiosen, aber auch fordernden Parforceritt durch die unterschiedlichsten Musikstile. Mehr Klang-gewaltiger Crossover-Kontrast geht kaum. Warum das Publikum am Ende dennoch jubelte.

Plädoyer für friedliches Miteinander in Gelsenkirchen: Mit teuflisch guten Dialogen über himmlische Dinge

Die überraschende Mischung in großartiger Interpretation machte den begeisternden Erfolg aus: In Marcus Schinkels abendfüllender Komposition „Credo in unum Mundum“ traf Klezmer mühelos auf Klassik, Jazz auf Rock und Musicalelemente, Beethoven auf Weltmusik. Zum Klingen gebracht wurde diese facettenreiche, 2022 uraufgeführte „Messe der Weltreligionen“ von nicht minder unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern. Die Neue Philharmonie Westfalen saß gemeinsam mit dem Opernchor des Musiktheaters, vier klassischen Opernsängern, einem Jazz-Trio und vier Weltmusik-Künstlern auf der Bühne. So entstanden teuflisch gute Dialoge über himmlische Dinge, genreübergreifend und interreligiös.

NPW goes Jazz. Eine Messe der Weltreliogionen mit Orchester, MiR-Opernchor und Solisten unter Rasmus Baumann am Freitag den 06. Dezember 2024 im Musiktheater in GelsenkirchenFoto : Frank Oppitz / FUNKE Foto Services
NPW goes Jazz. Eine Messe der Weltreliogionen mit Orchester, MiR-Opernchor und Solisten unter Rasmus Baumann am Freitag den 06. Dezember 2024 im Musiktheater in GelsenkirchenFoto : Frank Oppitz / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Den musikalischen Dreh- und Angelpunkt bildete „ein Heiligtum der Klassik“, wie Rasmus Baumann es nannte, nämlich Ludwig van Beethovens „Missa solemnis“. Schinkel wandelte den Titel von „Ich glaube an den einen Gott“ in „Ich glaube an die eine Welt“ und gab damit bereits sein ganzes Anliegen vor. Wenn am Ende des „Agnus Dei“ das Wort „Pacem“ (Friede) mal vom Opernchor, mal von den Vertretern der Weltreligionen intoniert wird, dann ist die Botschaft klar. „Aktueller kann ein Konzert gar nicht sein als dieses“, betonte Rasmus Baumann bei der Zwischenmoderation.

NPW goes Jazz. Als Solisten glänzten die Ensemble-Mitglieder des MiR Heejin Kim, Almuth Herbst, Khanyiso Gwenxane und Benedict Nelson.
NPW goes Jazz. Als Solisten glänzten die Ensemble-Mitglieder des MiR Heejin Kim, Almuth Herbst, Khanyiso Gwenxane und Benedict Nelson. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Der 56-jährige Komponist Schinkel selbst spielte dabei Klavier und Synthesizer und bildete mit Schlagzeuger Wim de Vries und Bassist Fritz Roppel ein ausgezeichnetes und bestens aufeinander eingespieltes Trio. Großartige Soli feierte das Publikum mit Zwischenapplaus.

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Den bestechenden Reiz dieser Messe mit dem großangelegten „Credo“ machten die übergangslosen, raschen Kontraste von originalen Beethovenklängen zu scheinbar improvisiertem Jazz und dann zu für hiesige Ohren eher fremden Weltmusiktönen aus. Der Opernchor bewies einmal mehr große Strahlkraft bei den Beethovenchorälen. Als Solisten glänzten die MiR-Ensemble-Mitglieder Heejin Kim mit klarem Sopran, Almuth Herbst mit warmen Mezzo, Khanyiso Gwenxane mit ausdrucksstarkem Tenor und Benedict Nelson mit seelentiefem Bariton.

Den Gesang der Weltreligionen stimmten Enkhtuya Jamabaldorj (Buddhismus), Prashanti Sankaran (Hinduismus), Jan Issa (Islam) und Alexander Moorhofski (Judentum) mit dem Geiger Igor Epstein  an
Den Gesang der Weltreligionen stimmten Enkhtuya Jamabaldorj (Buddhismus), Prashanti Sankaran (Hinduismus), Jan Issa (Islam) und Alexander Moorhofski (Judentum) mit dem Geiger Igor Epstein an © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Den Gesang der Weltreligionen stimmten Enkhtuya Jamabaldorj (Buddhismus), Prashanti Sankaran (Hinduismus), Jan Issa (Islam) und Alexander Morogovski (Judentum) zusammen mit dem Geiger Igor Epstein eindrucksvoll an. Nach diesem überwältigendem, aufrüttelnden musikalischen Orkan brachte das Jazztrio am Ende mit einem melancholisch sanften „Benedictus“ die Zuhörer am Ende wieder zur Ruhe.

Musik verbindet, auch unterschiedliche Klangwelten harmonieren, das hat der Abend mit seinem Plädoyer für ein friedliches Miteinander auf jeden Fall bewiesen. Ein gelungener Spagat.