Gelsenkirchen/Essen. Mordversuch in Gelsenkirchen: Jetzt haben sich Täter und Opfer im Prozess ewige Liebe geschworen. Dabei wäre die Dreifach-Mutter fast gestorben.
Diese Szenen waren fast schon rührend: Obwohl sie brutal niedergestochen wurde, hat eine dreifache Mutter aus Gelsenkirchen dem Täter offenbar verziehen. „Ich liebe ihn nach wie vor“, sagte die 51-Jährige den Richtern am Essener Landgericht. „Er ist zärtlich, respektvoll und hat ein gutes Herz.“
Familien durften von heimlicher Hochzeit nichts wissen: Wenn er trank, ergriff Gelsenkirchenerin die Flucht
Der Angeklagte selbst stand anschließend sogar auf, um ihre Worte zu erwidern: „Ich liebe dich über alles. Ich weiß nicht, was mit mir los war. Du bist mein Herz. Ich werde das nie wieder machen.“
Vier Jahre lang waren die beiden ein Paar. Sie hatten sogar heimlich geheiratet – nach islamischem Recht. Ihre Familie durfte davon allerdings nichts wissen. Die 51-Jährige lebte mit ihren Kindern weiter in der Neustadt, der Angeklagte hatte eine Wohnung in Dortmund.
„Ich war fast jeden Tag bei ihm“, sagte die Gelsenkirchenerin am Freitag. Nur, wenn er getrunken habe, habe sie die Flucht ergriffen. „Dann hat er mich beleidigt und auch schon mal geschlagen.“ Doch daran habe sie sich inzwischen gewöhnt.
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In der Nacht auf den 25. Mai ist die Situation jedoch komplett eskaliert. Der Angeklagte war mit dem Zug nach Gelsenkirchen gefahren. Um 1.30 Uhr stand er schließlich vor ihrer Haustür, forderte ein Handy und einen Lockenwickler zurück. Beides hatte er der 51-Jährigen einst geschenkt. Sie selbst kam damals zur Haustür, dann ging alles ganz schnell. „Ich habe plötzlich einen Schlag bekommen“, sagte sie den Richtern. Kurz darauf lief ihr das Blut am Körper herab.
Knapp dem Tod entgangen nach Schnitt im Brustbereich: „Ich möchte wissen, warum er das gemacht hat?“
Fünf Tage war sie im Krankenhaus, drei davon auf der Intensivstation. Die Ärzte stellten einen tiefen Schnitt im Brustbereich fest. Dass sie nicht gestorben ist, war Glück. „Ich möchte wissen, warum er das gemacht hat“, sagte sie den Richtern immer wieder. „Ich habe ihm meine Liebe geschenkt. Ich hätte nie gedacht, dass er mir so etwas antut.“
Angst hat sie nach eigenen Angaben immer noch nicht. Der 35-Jährige möchte sogar liebend gern das bevorstehende Weihnachtsfest mit ihr feiern. Das geht aus Liebesbriefen hervor, die er aus dem Gefängnis heraus geschrieben hat.
„Das wünsche ich mir auch“, sagte die 51-Jährige den Richtern. Auch, wenn sie wisse, dass das wohl eher unrealistisch ist. Was sie allerdings stutzig gemacht hat: Dass der Angeklagte zum Prozessauftakt von einem Unfall gesprochen und erzählt hat, dass sie ihm nach der Bluttat sogar noch einen Kuss gegeben haben soll. „Das stimmt nicht.“ Der Prozess wird fortgesetzt.