Gelsenkirchen-Scholven. Gute Nachbarschaft vorleben: Das wollen die Menschen in einer Straße in Gelsenkirchen-Scholven. Jetzt haben sie eine besondere Aktion gestartet.
„In der Weihnachtsbäckerei gibt es manche Leckerei. Zwischen Mehl und Milch macht so mancher Knilch eine riesengroße Kleckserei. In der Weihnachtsbäckerei.“ Es ist kurz vor sieben Uhr am Abend und die Nachbarschaft der Mentzelstraße in Gelsenkirchen-Scholven singt miteinander. Im Schein üppiger Weihnachtsbeleuchtung stehen die Menschen im Vorgarten eines Hauses und davor. Für viele von ihnen beginnt so traditionell die Vorweihnachtszeit. Seit einigen Jahren nämlich begehen die Menschen hier die jahreszeitlichen Feste gemeinsam.
Rund eine Stunde zuvor wuseln die Nachbarn noch fleißig durcheinander, bereiten alles vor. Der Grill wird ebenso angefeuert wie eine Feuertonne, die später für etwas Wärme sorgen soll an diesem kalten Abend. Jörg Joffroy hat derweil etwas Zeit, ein bisschen zu erzählen. „Das ist in den letzten Jahren gewachsen. Und immer kam ein Event dazu.“ So feiere man gemeinsam Halloween, tanze zusammen in den Mai und begehe auch Feste wie runde Geburtstage in der Gemeinschaft. „Eigentlich kommen wir aus dem Feiern nicht raus.“ Mit Folgen: „Die Nachbarschaft ist dadurch wie eine Familie geworden.“
Gelsenkirchener Kinder dürfen den Baum schmücken
Und die habe auch abseits von Festen Bestand, erzählt Katharina Brüggemann. „Man unterstützt sich gegenseitig. Das war, als wir noch nicht miteinander gefeiert haben, nicht so. Heute hat man keine Scheu mehr, beim Nachbarn zu klingeln.“ Vielmehr bringe sich jeder in die Gemeinschaft ein, mit dem, was er kann. „Jeder hat ja seine Talente. Der Klaus kann gut reparieren. Und die Christa kann gut kochen.“ Da gebe es nicht mal nur das richtige Kochrezept, sondern manchmal auch das ganze Gericht frei Haus. Vielfach teile man auch dieselben Interessen, ergänzt Jörg Joffroy. „Einige von uns sind Camper.“ Ob es da schon gemeinsame Urlaube gegeben habe? „Alle miteinander sind wir noch nicht unterwegs gewesen. Aber zwei, drei Familien haben sich schon mal zusammengetan und gemeinsam auf Reisen gewesen.“
Jetzt, gegen halb sieben Uhr am Abend, steht der erste Höhepunkt an. Besonders für die Kleinen. Der große Christbaum wird geschmückt. Vor dem Baum stehen eine Tüte und ein Karton, gefüllt mit ausrangiertem Baumschmuck aus der Nachbarschaft. So erhalte der ein zweites Leben, erzählt Jörg Joffroy. „Und dazu bringt jeder noch Weihnachtsschmuck mit. Am meisten natürlich die Kinder.“ Viele der Kleinen hätten für den „Straßen-Christbaum“ sogar selbst gebastelt. Und die „Überproduktion“ bieten sie bei einem weihnachtlichen Trödel an.
Auch der Nikolaus wohnt in der Nachbarschaft – und schaut vorbei
Während die Kinder sich ganz dem Baum widmen, wird schon deutlich, was die Erwachsenen lachend kurz zuvor angedeutet haben: „Wenn man morgen hier vorbeifährt, sieht man den ganzen Schmuck in einer Höhe bis zu einem Meter hängen.“ Weil der Baum mehrere Meter größer ist, müssen morgen nochmal die Eltern ran und etwas ausgleichend wirken. Der Baum übrigens stehe immer an selber Stelle. Hier habe man extra einen Ständer in den Boden eingelassen. „Da steht zu dieser Jahreszeit der Christbaum – und im Frühling der Maibaum“, verrät Katharina Brüggemann.
Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Immer mehr Menschen kommen aus allen Richtungen herbei. Jeder aus der Nachbarschaft habe einladen dürfen, wen er oder sie gern dabei habe, sagt Michael Brüggemann. „Aber über die sozialen Medien veröffentlichen wir das nicht. Wir wollen die Veranstaltung auch nicht zu groß werden lassen. Der stimmungsvolle Charakter soll ja erhalten bleiben.“ Gleichsam wolle man aber auch eine gute Nachbarschaft vorleben – in der Hoffnung, dass andere Menschen dem Beispiel folgen.
„Durch unser Engagement macht das jetzt auch die Schwedenstraße“, erzählt Jörg Joffroy und zeigt in Richtung der Seitenstraße. „Die feiern morgen. Und natürlich besuchen wir einander.“ So gelte auch für jene Gäste, die nicht hier wohnen: „So richtig fremd ist hier niemand.“ Auch nicht der Überraschungsgast, der später noch erwartet wird. Es ist der Nikolaus. Eine Rolle, in die Jörg Dünnebacke, ebenfalls Anwohner der Mentzelstraße, regelmäßig schlüpft. Ganz kurz zieht er, der offiziell noch gar nicht da ist, seinen weißen Bart herunter und verrät: „Wenn ich später komme, bringe ich natürlich für die Kinder auch Geschenke mit.“ Der verdiente Lohn für das kraftvolle und ausdauernde gemeinsame Weihnachtssingen.