Gelsenkirchen. Zwei ehemalige US-Politiker waren zu Besuch in Gelsenkirchen. Beide gehörten unterschiedlichen Lagern an: Ihr Umgang miteinander überraschte.
Es dauerte lange 45 Minuten, bis der Elefant im Raum beim Namen genannt wurde. Der Name des Elefanten: Donald Trump – und angesichts der beiden Gäste, die da auf dem Podium in Gelsenkirchen-Ückendorf saßen, war es verwunderlich, dass es so lange dauerte. Denn zu Gast beim Talent-Kolleg Ruhr an der Bochumer Straße waren zwei ehemalige Abgeordnete des US-amerikanischen Kongresses. Da hätte man erwarten können, dass der Name des erst vor zwei Wochen gewählten zukünftigen Präsidenten eher fällt.
Auf Einladung des Amerika-Hauses NRW waren die beiden Politiker nach Deutschland gekommen, im Rahmen einer Kooperation mit der amerikanischen Organisation „Former Members of Congress“. Derzeit „touren“ die beiden Ex-Abgeordneten Brenda Lawrence und Bob Goodlatte durchs Land, haben schon Station etwa in Köln und Düsseldorf gemacht und schauten an diesem Donnerstag auch in Gelsenkirchen vorbei, um sich den Fragen von etwa 130 Oberstufenschülerinnen und -schülern zu stellen, die eine der Kooperationsschulen des Talent-Kollegs besuchen.
Schrille Töne waren in Gelsenkirchen nicht zu hören
In diesen Zeiten, in denen die Welt nach der erneuten Wahl von Donald Trump nicht ohne Sorgen nach Washington blickt, nach einem Wahlkampf der schrillen Töne, fühlte man sich an diesem Vormittag glatt zurückversetzt in eine frühere, andere, vielleicht bessere Zeit. Denn obwohl die beiden ehemaligen Abgeordneten unterschiedlichen US-Parteien angehören, stand der Austausch im Zeichen der Höflichkeit, des Respekts, des gegenseitigen Zuhörens – eigentlich Selbstverständlichkeiten.
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Brenda Lawrence (70) saß neun Jahre lang für die Demokraten im US-Kongress, vertrat einen Bezirk im Bundesstaat Michigan. Bob Goodlatte (72) ist ein politisches Urgestein der Republikaner, vertrat seinen Bezirk im Staat Virginia von 1993 bis 2019: Als Goodlatte in den Kongress einzog, war Bill Clinton gerade zum Präsidenten gewählt worden, als er ausschied, saß Donald Trump im Weißen Haus.
Beide Politiker betonen das Prinzip der Gewaltenteilung
Da die Veranstaltung im Talent-Kolleg Ruhr stattfand und viele der Zuhörerinnen und Zuhörer als „Talente“ gefördert werden, lag ein Schwerpunkt auf dem Werdegang der beiden Gäste, auf der Frage, wie sie es geschafft haben, an die Spitze der amerikanischen Politik zu kommen. Brenda Lawrence bezeichnete sich als „Poster-Girl des American Dream“: Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen in der gebeutelten Industriestadt Detroit, habe sie es durch harte Arbeit und großen Willen in den US-Kongress geschafft. Goodlatte berichtete, dass er bereits mit acht Jahren bei einem Besuch in der Hauptstadt Washington sein Interesse an der Politik festgestellt habe, später als Anwalt, habe er bemerkt, dass einige Gesetze nicht gut seien: „Das wollte ich ändern“, sagte er und ging in die Politik.
Die Veranstaltung lief, wie gesagt, schon eine gute Dreiviertelstunde, da fiel zum ersten Mal der Name Donald Trump, und es war die Demokratin Lawrence, die ihn erwähnte. „Meine Partei hat die Wahl verloren“, sagte sie, „das amerikanische Volk hat sich mehrheitlich dafür entschieden, Donald Trump zu wählen – das muss man respektieren.“ Sie verwies allerdings darauf, dass das US-amerikanische System immer noch auf der Gewaltenteilung basiere, dass der Präsident kein Alleinherrscher sei: „Der Kongress kann den Präsidenten kontrollieren“, sagte sie.
Republikaner Goodlatte: „Nicht immer mit Trump übereingestimmt“
Und erntete dafür Zustimmung von ihrem republikanischen Kollegen. Ob die Verfassung der USA bedroht sei, wurde er gefragt: „Unsere Verfassung ist so lange stabil, wie es Menschen gibt, die sich für sie einsetzen“, sagte Goodlatte. Er sei froh darüber gewesen, dass die Wahl in diesem Jahr so eindeutig ausgefallen sei, dass keine Zweifel am Ergebnis bestanden hätten – anders als viele seiner republikanischen Parteigenossen und Donald Trump selbst erkannte er aber an, dass Trump die Wahl im Jahr 2020 verloren habe. Auch er betonte: „Der Kongress ist unabhängig, auch, wenn er, wie demnächst, von den Republikanern dominiert wird, hat der Präsident keine Allmacht.“ Deutliche Kritik an Trump blieb aus: Erstaunlicherweise war es der Republikaner Goodlatte, der zugab, nicht mit allen Entscheidungen Trumps in dessen erster Amtszeit einverstanden gewesen zu sein.
Beide Politiker betonten, wie wichtig es sei, sich gegenseitig zuzuhören und anzuerkennen, dass es andere Meinungen als die eigene gibt: Auch das Töne, die man so im schrillen US-Wahlkampf selten gehört hatte. Goodlatte machte auch die sozialen Medien mitverantwortlich für den Niedergang der Diskussionskultur. „Als ich 1993 neu im Kongress war, habe ich vor allem Briefe bekommen“, erzählt er. „Da waren auch schon einmal böse Briefe dabei – aber wenn man einen Brief schreibt, dann vergeht vielleicht eine Nacht zwischen Schreiben und Abschicken, und man hat Zeit, darüber nachzudenken, und vielleicht noch etwas umzuformulieren.“ Dann sei die E-Mail Standard geworden: „Die war mit einem Klick abgeschickt, und oft deutlich schärfer und unfreundlicher als ein Brief“. Mit dem Aufkommen von Facebook und Co. habe sich das noch einmal weiter verschärft.
Die Schülerinnen und Schüler bekamen ein sehr differenziertes Bild von amerikanischer Politik geboten, das sich deutlich von dem unterschied, was in Wahlkampfzeiten aus den USA herüberkam. Einziger Wermutstropfen: Lawrence und Goodlatte, die 90 Minuten lang anschaulich demonstrierten, wie politische Diskussionskultur aussehen kann, sind nicht mehr aktiv.