Gelsenkirchen-Horst. Das Bistum Essen gibt grünes Licht für ein außergewöhnliches Leitungsmodell in St. Hippolytus: Ehrenamtliche Laien bekommen besondere Rolle.
Geburtstage sind eine schöne Sache. Eigentlich. Wenn Pfarrer Wolfgang Pingel jedoch im Mai 75 Jahre alt wird und in den Ruhestand geht, heißt es für seine Pfarrei St. Hippolytus, Abschied zu nehmen - nicht nur von ihrem vertrauten „Hirten“, sondern auch von altbekannten Leitungsstrukturen. Denn einen Amts-Nachfolger wird es nicht geben. Die Vereinigung mit St. Urbanus in Buer - 2018 vom Bistum Essen als mittelfristige Lösung empfohlen - ist für die Verantwortlichen in der alten Freiheit Horst aber auch keine Option. Nun gehen sie einen Sonderweg.
Es sind stürmische Zeiten für die Katholiken: Sinkende Mitgliederzahlen und Kirchensteuereinnahmen, Priestermangel und der mit dem Missbrauchskandal verbundene Glaubwürdigkeitsverlust machen bundesweit allen Pfarreien zu schaffen. In diesem unsicheren Fahrwasser ein neues Leitungsmodell zu entwickeln, ist da eine echte Herausforderung für die Beteiligten in St. Hippolytus - aber alternativlos, wie Pastor Bernd Steinrötter betont, der aktuell den erkrankten Pfarrer Wolfgang Pingel vertritt.
Gelsenkirchener Pfarrei St. Hippolytus will nicht gleich zweimal innerhalb kurzer Zeit fusionieren
Denn so sehr die Akteurinnen und Akteure vor Ort ihrem beliebten Pfarrer Pingel den Ruhestand auch gönnen: Er kommt zur Unzeit. Schließlich hat das Bistum die (nächste) große Strukturreform ins Auge gefasst, wonach die aktuellen (Groß-)Pfarreien zu noch größeren Verbünden zusammengeschlossen werden sollen. Konkret heißt das: St. Urbanus (Buer), St. Hippolytus (Horst) und St. Augustinus (Gelsenkirchen-Zentrum) sollen etwa ab 2030 zu einer Stadtpfarrei/-kirche fusionieren.
Für die etwa fünfjährige Zwischenzeit St. Urbanus zugepfarrt zu werden, kommt für die Verantwortlichen in St. Hippolytus aber nicht in Frage. „Wir wollen den Gläubigen einen solch schwerwiegenden Schritt nicht gleich zweimal innerhalb weniger Jahre zumuten. Schon jetzt haben wir, wie alle Pfarreien, Probleme, genügend Ehrenamtliche für die vielfältigen Aufgaben in den Gemeinden zu finden. Unsere Sorge ist, dass sich das dann noch schwieriger gestalten würde. Auch wenn wir alle Katholiken sind, ist mit einer Pfarrei doch auch eine Identität verbunden, die man nicht alle paar Jahre wie ein Kleidungsstück auswechseln kann“, so Steinrötter.
Dem neuen Leitungsteam von St. Hippolytus sollen Haupt- und Ehrenamtliche angehören
Pfarrer Pingel hat deshalb schon im Oktober 2023 eine Arbeitsgruppe beauftragt, ein modernes Leitungsmodell für St. Hippolytus zu erarbeiten, das den vom Bistum verlangten Pfarrei-Entwicklungsprozess fortsetzt und so lange Anwendung finden soll, bis die Vereinigung zur Stadtkirche ansteht. Herausgekommen ist ein Vorschlag, demzufolge die 12.000-Mitglieder-Pfarrei von einem fünfköpfigen Team geleitet wird. Diesem sollen gleichberechtigt sowohl Haupt- als auch Ehrenamtliche angehören. Außergewöhnlich dabei: Zum Teamsprecher könnte ein Laie gewählt werden.
Favorisiert werden dabei folgende Teammitglieder: die Hauptamtlichen Ralf Berghane (St.-Hippolytus-Verwaltungsleiter) und Gemeindereferentin Barbara Strack sowie die Ehrenamtlichen Michael Henning (Kirchenvorstand) und Berthold Hiegemann (Pfarrgemeinderat). Pastor Bernd Steinrötter würde nur als „moderierender Priester“ fungieren und hätte keine herausgehobene Position.
Für das Leitungsteam in Gelsenkirchen können sich auch Interessierte von außerhalb bewerben
Das Bistum hat St. Hippolytus in Bezug auf das vorgeschlagene Modell bereits eine positive Rückmeldung gegeben, betont aber, dass die Besetzung des Leitungsteams „wie üblich“ in einem offenen Bewerbungsverfahren erfolgen soll. Sprich: Es können sich nicht nur die genannten Personen, sondern auch sonstige Haupt- und Ehrenamtliche auf die Posten bewerben, sobald das Verfahren wohl Anfang 2025 eröffnet wird. Besonders die Ehrenamtlichen werden mit viel Enthusiasmus bei der Sache sein müssen: „Anspruch auf eine Entlohnung besteht nicht“, teilte Hiegemann jetzt in einer Pfarrversammlung mit, wo das neue Konzept den Gläubigen vorgestellt wurde. Wenn überhaupt, sei lediglich eine jährliche Aufwandspauschale in Höhe von 800 Euro möglich.
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Ende Januar/Anfang Februar, so schätzt Hiegemann, werde das Team wohl feststehen, das dann zunächst für die Dauer von drei Jahren eine Sondergenehmigung für die Leitung erhält. Diese könne dann gegebenenfalls verlängert werden. Die Beauftragung könne aber auch vom Bischof vorzeitig entzogen werden, etwa wenn die Fusion zur Stadtkirche ansteht.
Wie die Aufgaben im neuen Leitungsteam verteilt werden, kann erst nach der Beauftragung der einzelnen Teammitglieder erörtert und vereinbart werden. Die Spendung von Sakramenten und die Feier der heiligen Messen wird freilich nur Pastor Steinrötter übernehmen können. „Ich hoffe, dass wir dann zwischendurch auch mal durch einen anderen Priester entlastet werden“, sagt Steinrötter. Denn von dem Prinzip, einmal im Monat an jedem der fünf Pfarrei-Standorte - St. Hippolytus (Horst), Liebfrauen (Beckhausen), St. Clemens (Sutum), St. Laurentius (Horst-Süd), St. Marien (Essen-Karnap) - eine heilige Messe anzubieten, wollen die Verantwortlichen nach Möglichkeit auch nach Pingels Pensionierung festhalten.