Gelsenkirchen. Ein islamischer Verein erhält kein Geld, die Politik begründet das harsch. Unser Autor meint: Gerade für Gelsenkirchen ist dieser Weg schädlich.

Immer mehr unterschiedliche Menschen sitzen mit am Tisch und wollen ein Stück vom Kuchen. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani hat diese Tisch-Metapher in Bezug auf die Integrationsprozesse in einer multikulturellen Gesellschaft populär gemacht. Wenn nun mehr Leute am Tisch sitzen, dann wird es enger, dann wird es laut und konfliktreich dort. In Gelsenkirchen hat das islamische Tuğra-Kulturzentrum ein kleines Stück vom Kuchen gefordert – musste jetzt aber wieder am Katzentisch Platz nehmen.

Denn verteilt wird der Kuchen, in dem Fall die Mittel aus den Bezirksforen, in Gelsenkirchen von der Lokalpolitik. In der ist weiterhin die SPD die stärkste Fraktion. Und der Vorsitzende der SPD-Bezirksfraktion-Mitte hat zuletzt vor Jahren eine Moschee in Istanbul besucht und gibt an, „auch keinen neuen Bedarf“ zu sehen, noch mal eine zu betreten. Obwohl es so viele Moscheevereine in Gelsenkirchen gibt, obwohl so viele Muslime hier leben. Da kann man schon ein kleines bisschen mehr Interesse erwarten.

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Was passiert nun, wenn ein Verein wie die Tuğra-Moschee an den Katzentisch verbannt wird? Im schlimmsten Fall sorgt man für Resignation, man festigt die Einstellung: „Zu dieser Gesellschaft gehöre ich sowieso nicht dazu.“ Ist das nun förderlich für die Integration? Sorgt man so für gesellschaftlichen Frieden? Ganz sicher nicht.

Bezirkspolitiker von SPD, CDU und FDP eskalieren ohne Not

Das heißt nicht, dass es nicht auch gute Gründe geben könnte, Anträge eines Vereins abzulehnen. Und das bedeutet auch nicht, dass man den Dachverband der Tuğra, die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), nicht kritisch beäugen sollte. Vielleicht steckt wirklich zu viel Millî-Görüş in der Tuğra. Nur sollte man sich als Lokalpolitiker dann auch die Mühe machen, das herauszufinden. Im Norden Gelsenkirchens, bei einer anderen IGMG-Moschee, hat das geklappt. Dort ist man nach anfänglicher Skepsis mittlerweile gut miteinander vernetzt.

WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako meint: Die Politik hat es sich bei ihrer Entscheidung zum Tuğra-Kulturzentrum zu leicht gemacht.
WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako meint: Die Politik hat es sich bei ihrer Entscheidung zum Tuğra-Kulturzentrum zu leicht gemacht. © Gelsenkirchen | gowe

Nein, als Lokalpolitiker muss man nicht jeden einzelnen Verein in seinem Bezirk bestens kennen. Aber wenn man ausgerechnet einem einzigen Verein das Stück vom Kuchen verwehrt, dann sollte das schon gut begründet sein – vor allem, wenn man über ein Jahr Zeit hat, sich eine Meinung zu bilden. Insofern haben es sich SPD, CDU und FDP bei der strikten Ablehnung der Tuğra-Moschee wirklich zu leicht gemacht, auch wenn sie das Gegenteil behaupten.

Dass sie dann - wohlgemerkt, bei einem Antrag, der sich nur um lächerliche 1400 Euro dreht - auch noch die ganz dicken Keulen herausholen und schimpfen, man wolle sich ja bloß nicht von Islam belehren lassen, das ist Eskalation ohne Not und eine Sprache, die man vielmehr von anderen politischen Kräften kennt. Wer anschließend jammert, in die rechte Ecke gestellt zu werden, versteht nicht, was er damit bei den vielen muslimischen Menschen in Gelsenkirchen anrichtet.

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Es wäre eine verständliche Reaktion, wenn man von solchen Worten eher abgeschreckt ist. Aber wenn das Tuğra-Kulturzentrum nichts zu verbergen hat, dann wäre es gut beraten, jetzt mit maximaler Offenheit zu kontern – und seinen Platz am Tisch mit Nachdruck einzufordern. Das mag anstrengend und hart sein. Aber auch El-Mafaalani hat nicht behauptet, dass es beim Verteilen des Kuchens geordnet vonstattengeht.