Gelsenkirchen. Ende 2023 eröffnet, wird die 375.000-Euro-Anlage kaum genutzt. Wie die Stadt Gelsenkirchen das erklärt - und der ADFC ganz andere Gründe sieht.
Ein Jahr ist es jetzt her, dass Gelsenkirchens erstes und bislang einziges „Fahrrad-Parkhaus“ eröffnet wurde. Der Standort dieses Kooperationsprojekts mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) war bewusst gewählt: Errichtet zwischen Rathaus und Busbahnhof an der Goldbergstraße, sollte es Pendlerinnen und Pendler dazu bewegen, auf die umweltfreundliche Kombination von Rad und ÖPNV umzusteigen. 375.000 Euro ließen sich Land und Stadt diese architektonisch außergewöhnliche Radschloss-Anlage kosten. Doch die Resonanz, sie ist enttäuschend.
32 Hoch- und Tiefparkplätze für normale Fahrräder, Lademöglichkeiten für bis zu sechs Pedelecs gleichzeitig, dazu noch zwei Plätze für Lastenfahrräder, allesamt über ein elektronisches Schließsystem gesichert und wettergeschützt: Was da mit sechs Monaten Verspätung im November 2023 an den Start ging, sollte nichts weniger sein als ein wichtiger Beitrag zur Mobilitätswende vor Ort.
Gelsenkirchener Anlage sollte Fahrrad-Fahren für Pendler attraktiver machen
„Die neue Anlage erhöht die Attraktivität des Fahrrads gerade für Menschen, die nach und von Buer pendeln, beträchtlich“, zeigte sich Gelsenkirchens Radverkehrs-Beauftragter Stefan Behrens damals überzeugt. Nach einem Jahr Betrieb muss die Verwaltung jedoch ernüchtert feststellen: „Die Resonanz auf das Angebot ist leider mäßig und nicht zufriedenstellend“, erklärt auf Nachfrage der Redaktion Stadtsprecher Martin Schulmann.
Konkret: Aktuell würden dort täglich im Schnitt nur zwei Räder abgestellt - bei drei laufenden Jahresbuchungen. Angesichts des Standorts sei man von „weitaus mehr Nutzenden“ ausgegangen, heißt es bei der Stadt.
Gelsenkirchener Verwaltung: Fahrrad-Parkhaus wird nicht richtig wahrgenommen
Die Rechnung, nachhaltigen Umweltschutz und Komfort miteinander zu verbinden, ist also bislang nicht aufgegangen. Einen Grund dafür sucht die Verwaltung in der zurückhaltenden Architektur des Baus: Es habe sich optisch an den neuen Busbahnhof und vor allem das denkmalgeschützte Rathaus einpassen müssen. Deshalb habe man eine Stahlkonstruktion und Glasfassade gewählt.
Und dieses im VRR-Gebiet einzigartige Design „könnte“ womöglich von Pendlern übersehen werden, obwohl die Front mit dem „Dein.Radschloss-Logo“ versehen wurde, so die Stadt.
Auch Fahrrad-Boxen an sieben Gelsenkirchener Standorten werden teils gar nicht genutzt
Auch mit der Nutzung der Fahrrad-Boxen an bislang sieben Standorten ist die Verwaltung eher unzufrieden und sieht teils „noch deutliches Verbesserungspotenzial“: Spitzenreiter in Sachen Nachfrage ist der Hauptbahnhof Gelsenkirchen, wo sich im Parkhaus eine Anlage mit 26 abschließbaren Mini-Garagen befindet, von denen am Montag, 18. November, 16 belegt sind.
Vergleichsweise gut genutzt wird an diesem Montag auch die Anlage am Bahnhof Buer-Nord: acht von 31 Stellplätzen sind belegt. Am Bahnhof Buer-Süd ist eine von 15 belegt, am Bahnhof Hassel sind es fünf von 15. An der Westfälischen Hochschule in Buer wird an einem Montag keine einzige von 31 Boxen genutzt, ebenso verhält es sich mit dem Bahnhof Rotthausen, wo 15 Mini-Garagen vorgehalten werden.
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Die Anlagen mit den abschließbaren Mini-Garagen entstanden seit 2018 mit einer 90-prozentigen Förderung des Landes in 41 Kommunen des Gebietes des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr. Die Anlagen mit 15 bis 32 Boxen kosteten in Gelsenkirchen je nach Größe zwischen 32.000 und 65.000 Euro, so Rad-Beauftragter Stefan Behrens. Beim Fahrrad-Parkhaus sei der städtische Eigenanteil an den Gesamtkosten von 375.000 Euro deutlich höher gewesen: Die Fördersumme habe bei 96.000 Euro gelegen zuzüglich einer vierstelligen Summe für die digitale Schließanlage.
Stadt Gelsenkirchen will Fahrrad-Abstellmöglichkeiten mit Werbung bekannter machen
„Gezielte Werbe- und Informationsmaßnahmen“ sollen nun helfen, dem Fahrrad-Parkhaus zwischen Bürgercenter und Busbahnhof Buer zu „stärkerer Beachtung“ und „Verbesserung der Nutzung“ zu verhelfen. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit soll überdies auf das Angebot von geschützten Fahrradabstellanlagen hinweisen. „Dabei soll ebenfalls die Funktionsweise der Buchung sowie die Handhabung der Abstellanlage niederschwellig erläutert werden“, teilt der Stadtsprecher mit.
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Wie berichtet, können Radler die Boxen ebenso wie die Stellplätze im Fahrrad-Parkhaus über einen bei der Online-Buchung bereitgestellten PIN- bzw. QR-Code nutzen. Über die Website www.dein-radschloss.de lassen sich Stadt und Standort des Stellplatzes sowie die Nutzungsdauer anwählen. Ein Tag kostet einen Euro, eine Woche fünf, ein Monat zehn und ein Jahr 70 Euro. Auch eine spontane Nutzung vor Ort ist möglich. VRR-Kunden, die bereits ein Aboticket für den Nahverkehr besitzen, können die Anlagen über den in ihrem Ticket eingebauten Chip auf- oder abschließen.
Fahrrad-Club Gelsenkirchen: Kostenpflicht und digitale Buchung schreckt viele ab
Dass die teils sehr geringe Nachfrage ausschließlich auf fehlende Bekanntheit oder schlechte Sichtbarkeit zurückzuführen ist, bezweifelt unterdessen der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Gelsenkirchen. „Die Anlage am Hauptbahnhof ist zwar tatsächlich nicht so gut sichtbar. Denn sie befindet sich ja im Parkhaus und ist recht umständlich zugänglich, weil zwei Türen zu öffnen sind und ein etwa 100 Meter langer Weg im Parkhaus zurückgelegt werden muss“, erklärt die 1. Vorsitzende Maja Tölke auf Nachfrage der Redaktion.
Aber sonst ist die passionierte Fahrradfahrerin, die selbst einen Jahresvertrag für eine Box am Hauptbahnhof abgeschlossen hat, überzeugt: „Dass das Angebot kostenpflichtig und nur digital zu buchen ist, schreckt viele ab.“ Sie selbst helfe regelmäßig Radlern, die mit der Online-Buchung nicht zurechtkämen. „Es steht auch nirgendwo, dass es im Parkhaus keinen Handy-Empfang gibt, es für diesen Fall aber eine B-Lösung gibt.“ So würden etwa die überdachten Gratis-Rad-Stellplätze an der Westfälischen Hochschule den kostenpflichtigen Boxen vorgezogen.
Kritisch sieht sie auch den Pflegezustand einiger Anlagen: „Am Hauptbahnhof wurde sie schon lange nicht mehr gereinigt.“ „Merkwürdig“ sei auch, dass das Referat Verkehr die Reinigung der Anlagen in Auftrag geben müsse für ein Projekt, das von einer kommerziellen Firma verwaltet werde.