Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen benötigen Kinder im Alter von null bis sechs Jahren immer häufiger Frühförderung. Das sind die Gründe für die Entwicklung.

Noch etwas unscheinbar kommt sie daher, ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen, zugegeben: Das Schild an der Tür muss noch angebracht werden. Seit Mitte Oktober hat die „Heilpädagogische Frühförderung“, ein Förderangebot für Familien mit Kindern von null bis sechs Jahren, von Christina Hantel und Anke Sattelberger ihre Arbeit an der Bruchstraße in Gelsenkirchen-Heßler aufgenommen. Es ist ein Angebot, das in Gelsenkirchen dringend gebraucht wird. Das Dramatische: Der Bedarf sei in der Emscherstadt nicht nur „momentan sehr hoch“, sondern habe im Laufe der vergangenen vier bis fünf Jahre extrem zugenommen, so die beiden Expertinnen.

Gelsenkirchen: Immer mehr Kinder brauchen Frühförderung

Das hätten sie vor allem an der Vielzahl an Anfragen gespürt, die aus Gelsenkirchen kamen – was sie unter anderem in ihrer Hauptstelle an der Josef-Albers-Straße in Bottrop und auch zuletzt als Untermieter in einer psychologischen Praxis in Buer, wo sie von Januar dieses Jahres bis zum Umzug nach Heßler eine Dependance hatten, erfahren konnten.

Christina Hantel (links) und Anke Sattelberger am Eingang zu ihrer Praxis für Heilpädagogische Frühförderung in Gelsenkirchen-Heßler: „Manche Diagnosen gab es früher nicht.“
Christina Hantel (links) und Anke Sattelberger am Eingang zu ihrer Praxis für Heilpädagogische Frühförderung in Gelsenkirchen-Heßler: „Manche Diagnosen gab es früher nicht.“ © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Christina Hantel und Anke Sattelberger betreuen gemeinsam mit ihrem 13-köpfigen Team aus Fachkräften Kinder mit Entwicklungsschwierigkeiten und -störungen und Kinder mit Teilhabe-Beeinträchtigungen. Generell soll die Frühförderung dazu beitragen, dass ein betroffenes Kind sich in seinen Entwicklungsmöglichkeiten frei entfalten und bestmöglich teilhaben kann – sei es im Kindergarten, im privaten Umfeld und vor dem so bedeutenden ersten Grundschultag.

Aktive Frühförderung in der Praxis, aber auch Zuhause und im Kindergarten

„Wir unterstützen die Eigenaktivität des Kindes, um Entwicklungsprozesse anzuregen“, erklärt Christina Hantel den Hintergrund. So legen die beiden und ihr Team auch Wert darauf, die Kinder nicht zu behandeln, sondern mit ihnen an ihrer Selbstwirksamkeit und ihrem Selbstbewusstsein zu arbeiten. Frühförderung sei individuell und ganzheitlich ausgerichtet und beziehe gleichsam auch die Familie und die soziale Umgebung mit ein, so Hantel. Die aktive Förderung erfolgt in den neu bezogenen Praxisräumen in Heßler, aber auch mobil im eigenen Zuhause oder im Kindergarten.

„Häufig ist die Ursache gar nicht bekannt, warum ein Kind Entwicklungsschwierigkeiten hat“, weiß die Diplom-Rehabilitationspädagogin Christina Hantel. In allen Fällen ist es die Kinderärztin oder der Kinderarzt, die den Eltern den Besuch einer Frühförderung nahelegen. Wichtig ist immer: „Früh zu fördern“, so Anke Sattelberger. So könne bereits bei einem Säugling mit der Arbeit begonnen werden.

Blick in den Kunstraum der Praxis für Heilpädagogische Frühförderung in Heßler: Jedes Kind wird hier individuell gefördert.
Blick in den Kunstraum der Praxis für Heilpädagogische Frühförderung in Heßler: Jedes Kind wird hier individuell gefördert. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Was ist ihre Erklärung für die massive Zunahme? Diesen einen Grund, es gibt ihn nicht. Ein ganz breit gemischtes Klientel nehme ihre Arbeit und ihr Angebot in Anspruch, berichtet die staatlich anerkannte Heilpädagogin Anke Sattelberger. Da seien die Kinder, die traumatische Fluchterfahrungen gemacht hätten, es kämen aber auch solche, die in belasteten Familiensituationen leben. Eine Zunahme der psychischen Belastungen, das beobachten sie beispielsweise auch – dass die Eltern aus den unterschiedlichsten Gründen emotional belastet sind und die Entwicklung ihres Kindes aufgrund der eigenen Probleme gar nicht so im Fokus haben. Bezüglich der massiven Zunahme haben Hantel und Sattelberger eine weitere Beobachtung gemacht: Dass nicht nur Gelsenkirchen in Sachen Frühförderung extrem herausgefordert ist, sondern auch andere Ruhrgebietsstädte.

„Die Diagnosen haben sich im Verlauf der Jahre verändert“, sagt Anke Sattelberger auch. Trotzdem könne fehlende häusliche Förderung auch ein weiterer Punkt sein, aber eben nur einer unter vielen. Wie beispielsweise auch die starke Individualisierung innerhalb der Gesellschaft. „Jedes Familiensystem ist anders“, erklärt Hantel und damit auch die mannigfaltigen Herausforderungen innerhalb der Frühförderung.

Das Prinzip hinter der Frühförderung ist übrigens ein etwas anderes als etwa bei der Logo- oder Ergotherapie. Da es sich häufig um komplexere Thematiken handele, wird die Frühförderung über einen längeren Zeitraum (ein Jahr) bewilligt, so Hantel und Sattelberger. „Wenn das eine Rädchen nicht stimmt, kann vieles ins Ungleichgewicht geraten“, weiß Anke Sattelberger. Umso wichtiger sei es da eben, den Kindern Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Dass ihre Arbeit wirkt, machen Hantel und Sattelberger auch an diesem Punkt fest: „Meistens passt es, es gibt selten Familien, die die Frühförderung abbrechen.“

Weitere Informationen zur Heilpädagogischen Frühförderung in Heßler gibt es telefonisch unter 02041/4062356, per E-Mail unter info@hf-bottrop.de oder im Netz unter hf-bottrop.de. Weitere Frühförderung in Gelsenkirchen bietet die Lebenshilfe Gelsenkirchen und auch die Praxis Grigo. Frühförderung ist für die Kinder kostenlos, wenn der Kinderarzt sie verordnet.