Gelsenkirchen. Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Westerholt im Gelsenkirchener Norden soll etwas völlig Neues entstehen. Doch es gibt auch Kritik.
Uwe Neukirchen ist Diplom-Ingenieur, arbeitet im Referat Stadtplanung bei der Stadt Gelsenkirchen und kennt sich mit ehemaligen Bergbauflächen aus. Zurzeit ist er mit der Umgestaltung der Zeche Westerholt beschäftigt, und hat großen Respekt vor seiner Aufgabe. „Das ist ein sehr komplexes Werk“, sagt Neukirchen, und es klingt jede Menge Bewunderung durch. Gemeint ist der Bebauungsplan für das Riesengelände: Der ist kurz davor, eine weitere Hürde zu nehmen.
Die Zeche Westerholt, gelegen in Gelsenkirchen-Hassel auf der Stadtgrenze zu Herten, hat historische Bedeutung für Gelsenkirchen. Bis 2008 wurde hier Kohle gefördert, und ihr Aus bedeutete das Ende einer Ära: Sie war die letzte fördernde Zeche in der Stadt. Seitdem war und ist man dort aber nicht untätig: Wie auf so vielen anderen ehemaligen Industrie- und vor allem Bergbauflächen soll hier Neues entstehen – und das mit gleich zwei beteiligten Kommunen.
So groß ist das Gelände auf Gelsenkirchener und Hertener Gebiet
Insgesamt geht es um ein 37 Hektar großes Gelände. Etwas mehr als die Hälfte davon, der westliche Teil, liegt auf Gelsenkirchener Gebiet. Dieses Areal wird begrenzt im Norden durch die Egonstraße und den ehemaligen Mitarbeiterparkplatz nördlich der Egonstraße, im Osten durch die Stadtgrenze zu Herten, im Süden durch die Trasse der Hamm-Osterfelder-Bahn und die Kleingartenanlage Buer-Löchter sowie im Westen durch die Marler Straße.
Entstehen soll hier ein hochwertiges Gewerbe- und Dienstleistungsflächengebiet. Analysen bescheinigten dem Areal ein Potenzial von über 1500 Arbeitsplätzen und eine jährliche Wertschöpfung von rund 140 Millionen Euro. Das Konzept sieht Wohnen und Arbeiten im Quartier vor, mitgedacht ist auch die „Allee des Wandels“, und auch der neue S-Bahn-Haltepunkt Westerholt wird dafür sorgen, dass das alte Zechengelände wieder Teil des städtischen Lebens wird. „Ziel des Projekts ist es, den Zechenstandort als Motor für die Region vielfältig und multifunktional in den Bereichen Gewerbe, Energie, Bildung und Wohnen zu qualifizieren“, wie es in einer Beschreibung heißt: „Dadurch entsteht ein innovativer und resilienter Wirtschaftsstandort im nördlichen Ruhrgebiet.“
Prozess soll in Gelsenkirchen und Herten weitgehend parallel laufen
Doch das alles muss geplant werden – und wie Uwe Neukirchen den Mitgliedern der Bezirksvertretung Nord berichtete, ist das eine umfassende Aufgabe. Jetzt liegt aber ein fertiger Bebauungsplan vor, der dem Gelsenkirchener Rat in seiner nächsten Sitzung zum „Veröffentlichungsbeschluss“ vorgelegt wird, wie es im Beamtendeutsch heißt. „Zeitgleich passiert das auch in Herten“, sagt Uwe Neukirchen: Die beiden Kommunen haben sich bemüht, den formalen Prozess möglichst parallel laufen zu lassen.
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„Wir haben jede Menge Arbeit in den Bebauungsplan gesteckt“, sagt Neukirchen und schildert, wie kompliziert das war: „Wegen des großen Geländes und der komplexen Geschichte des Areals mussten extrem viele Behörden und Bereich beteiligt werden“, sagt er. Auch Informationsveranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger hätten bereits stattgefunden.
Streit um ein inzwischen gewachsenes Wäldchen
Mit dem Veröffentlichungsbeschluss zum Bebauungsplan wird also ein weiterer, großer Schritt genommen. Neukirchen skizziert, wie es jetzt weitergeht: „Im Januar und Februar wird der Plan im Rathaus öffentlich ausgelegt, dann haben Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit, sich zum Plan zu äußern.“ Eventuelle Einwände würden dann in den kommenden Monaten gegeneinander abgewägt, bevor dann der Rat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause mit dem Satzungsbeschluss endgültig grünes Licht geben könnte. Ab Herbst 2025, so schätzt Neukirchen, könnten dann die ersten Bagger rollen. Bis zur Fertigstellung würden aber dann noch einige Jahre ins Land gehen. „Wir rechnen mit zwei Bauabschnitten, die jeweils fünf Jahre dauern“, sagt der Experte.
Einspruch gibt es bereits jetzt: Der Plan sieht unter anderem vor, dass ein mittlerweile auf dem Gelände des ehemaligen Mitarbeiterparkplatzes gewachsenes Birkenwäldchen abgeholzt wird, dort, nördlich der Egonstraße, soll eine kleine Siedlung entstehen. „Dadurch entsteht eine etwa 30.000 Quadratmeter große Hitzeinsel“, schreibt ein Anwohner. „Außer der Tierwelt, die auf diesem seit Jahrzehnten eingezäunten Grundstück lebt, würde ein für die Anwohner sehr wichtiger Schatten- und Sauerstoffspender vernichtet.“ Der Anwohner betont: „Wir sind nicht gegen neuen Wohnraum, aber gegen die Vernichtung von Tieren und Pflanzen.“
Neukirchen entgegnet, dass für die circa vier Hektar Wald, die dort abgeholzt würden, an anderer Stelle im Stadtgebiet 6,5 Hektar Wald angepflanzt würden. Angesichts des raren Bauplatzes in Gelsenkirchen überwiegen für ihn die Vorteile einer Wohnbebauung. „Man sollte da auch nicht an so einem Birkenwäldchen hängen, dass es ohnehin noch nicht lange gibt“, so Neukirchen.