Gelsenkirchen. Die Firma BP will ihr Werk im Stadtnorden erweitern, daran gibt es Kritik. Jetzt geht die Stadt Marl juristisch gegen Gelsenkirchen vor.
Seit Jahren beschäftigt dieses Thema die Gelsenkirchener Lokalpolitik – und es hat den Anschein, als würde sich das auch in der kommenden Zeit nicht ändern. Es geht um die BP-Norderweiterung, die Pläne von BP also, das Werksgelände im Norden der Stadt auszuweiten. Im Februar genehmigte der Stadtrat einen entsprechenden Bebauungsplan, doch jetzt drohen juristische Hürden.
Dieses Mal kommt der Gegenwind für das Projekt allerdings nicht aus der Gelsenkirchener Bürgerschaft oder Parteienlandschaft, sondern aus der Nachbarstadt. Der Rat der Stadt Marl hat jetzt den Beschluss gefasst, gegen den Bebauungsplan der Stadt Gelsenkirchen ein sogenanntes Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) einzuleiten. Die Entscheidung dafür war parteiübergreifend, es gab lediglich eine Gegenstimme.
Gelsenkirchener Grüne gehören zu den Hauptkritikern
Bekanntlich will BP sein Werk nach Norden erweitern, konkret geht es um ein Gelände zwischen Ulfkotter Straße, der Halde Scholver Feld, der Straße Auf der Kämpe und der A-52-Anschlussstelle Gelsenkirchen-Hassel. Dort will BP eine Anlage zur Pyrolyse von Kunststoffmüll errichten. Bei der Pyrolyse handelt es sich um einen chemischen Prozess, mit dem aus dem Müll bestimmte Öle und Gase gewonnen werden, die dann erneut zur Herstellung von neuem Kunststoff genutzt werden können. Ursprünglich sollte die US-Firma Brightmark die Anlage bauen, die ist aber inzwischen nicht mehr im Rennen. Dem Vernehmen nach hat BP aber einen anderen Partner gefunden, mit dem man den Pyrolyse-Plan umsetzen will.
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Im Gelsenkirchener Rat sind es vor allem die Grünen, die Zweifel an dem Plan haben und folgerichtig auch bei der Abstimmung im Februar gegen den Bebauungsplan stimmten. Ihr Hauptargument hatte Ratsmitglied Burkhard Wüllscheidt damals so formuliert: Die geplante Pyrolyse sei „als sinnvoller Recycling-Ansatz umstritten, für die großindustrielle Nutzung technisch unausgereift und zudem mit nicht auszuschließenden Umweltgefahren verbunden.“
Marl plant in Polsum den Bau einer Wohnsiedlung
Schon kurz nach der Ratsentscheidung in Gelsenkirchen hatte die Marler Politik angekündigt, eine Klage vor dem OVG zu prüfen. Die beauftragten Juristen kamen jetzt zu dem Ergebnis, dass eine entsprechende Klage grundsätzlich berechtigt sei und auch Aussicht auf Erfolg habe. Das läge zum einen an Formfehlern – jedoch auch an der „Möglichkeit eines Verstoßes gegen das kommunale Abstimmungsgebot bzw. des allgemeinen Abwägungsgebotes“, wie es der Marler Rat formulierte.
Burkhard Wüllscheidt erklärt, was damit gemeint ist: „In Marl laufen Planungen, in Polsum, also in unmittelbarer Nähe zur geplanten Norderweiterung, ein Wohngebiet zu bauen. Das geht allerdings nicht, wenn direkt nebenan eine Pyrolyseanlage steht.“ Die Stadt Gelsenkirchen hätte sich mit den Nachbarstädten abstimmen müssen, das sei nicht beziehungsweise nur unvollständig erfolgt, kritisiert auch Wüllscheidt. Ob der Vorwurf reicht, den Bebauungsplan zu rügen, müssen jetzt die Richter in Münster entscheiden.
Gelsenkirchener Grüne rechnen nicht mit einer schnellen Entscheidung
Die Gelsenkirchener Grünen nehmen die Entscheidung der Stadt Marl zum Anlass, das Thema auf die Tagesordnung des Stadtplanungsausschusses zu setzen, der am 13. November tagt. Dabei wollen die Grünen von der Verwaltung unter anderem wissen, welche Folgen die Klage auf das laufende Bauvorhaben haben wird – und was wird, wenn die Klage vor Gericht Erfolg hat.
Ohnehin ist für Wüllscheidt fraglich, ob die Norderweiterung der Raffinerie überhaupt noch nötig sei. Weil der Konzern (nur wenige Tage nach dem Gelsenkirchener Ratsentscheid zum Bebauungsplan) angekündigt hatte, am Standort Hassel fünf Anlagen stillzulegen, müsste man nach Meinung Wüllscheidts zumindest einmal darüber nachdenken, ob der dann frei werdende Platz auf dem bisherigen Gelände nicht für eine Pyrolyseanlage genutzt werden könnte.
Eines steht aber fest: Sollte die Klage vor dem OVG landen, ist nicht mit einem schnellen Verfahren zu rechnen. „So etwas kann sich über Jahre hinziehen“, erklärte Wüllscheidt – eine kurzfristige Lösung ist also seiner Meinung nach nicht in Sicht.