Gelsenkirchen/Mülheim. Wenn mit Scheinvaterschaften der Aufenthalt in Deutschland gesichert werden soll: Ein Gesetz soll helfen, nur Gelsenkirchen reicht es noch nicht.
Sie erkennen die Vaterschaft für Kinder an, die nicht ihre leiblichen sind, verhelfen so deren eingewanderten Müttern, ein Bleiberecht in Deutschland zu bekommen. Und in manchen Fällen lassen sie sich diese „Dienstleistung“ sogar gut bezahlen: Scheinväter sind ein Problem, „das Städte wie Gelsenkirchen sehr bewegt“, wie Ordnungsdezernent Simon Nowack (CDU) bereits des Öfteren festgehalten hat. Jeder einzelne Fall könne „das Vertrauen in den Rechts- und Sozialstaat erschüttern“. Ein neues Gesetz aus Berlin soll den Missbrauch deshalb nun deutlich erschweren – auch wenn aus Gelsenkirchener Sicht noch ein entscheidender Hebel fehlt.
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Vorgelegt haben die Bundesministerien des Inneren und der Justiz bereits im April ihren Gesetzentwurf gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen, die laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) „ein ernstes Problem sind, gerade auch im Ruhrgebiet.“ Man müsse verhindern, dass Männer Vaterschaften nur mit dem Ziel anerkennen, das Ausländerrecht zu umgehen, wie der Bueraner Minister gegenüber unserer Redaktion bekräftigte. Mit dem Gesetz, das noch im Bundestag debattiert werden muss, soll deshalb die Rolle der Ausländerbehörden gestärkt werden.
Falsche Väter: Darum gehen Missbrauchsfälle derzeit zu oft durch
Derzeit ist die wichtigste Stelle für die Feststellung eines Missbrauchs auch jene Stelle, die die Vaterschaft beurkundet. Das sind etwa die Jugendämter oder Notare. Für diese seien „missbrauchsrelevante Informationen allerdings nur schwer ermittelbar“, weiß man im Justizministerium. Die Folge: Die Beurkundung erfolgt trotzdem, obwohl es Anhaltspunkte für einen Missbrauch gibt. Das neue Gesetz soll nun sicherstellen, dass die Ausländerämter in solchen Fällen stets bei der Kontrolle eingebunden werden. Schließlich seien diese „am besten qualifiziert“, wenn es um den Missbrauch des Aufenthaltsrechts geht.
Eingebunden werden sollen die Ausländerämter künftig bei jedem Prüffall. Ein solcher liegt immer schon dann vor, wenn zwischen dem Mann und der Mutter ein sogenanntes „Aufenthaltsgefälle“ besteht. Das wiederum liegt vor, wenn zum Beispiel der Mann die deutsche Staatsangehörigkeit hat oder ein starkes Aufenthaltsrecht (etwa eine Niederlassungserlaubnis) vorweisen kann, die Mutter wiederum nur geduldet ist oder lediglich ein schwaches Aufenthaltsrecht (z.B. ein Touristenvisum) hat. „Auf konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch kommt es nicht mehr an“, heißt es aus Berlin.
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Der Plan sieht vor: Erst wenn die Ausländerbehörde bestätigt, dass es sich um keine Scheinvaterschaft handelt, darf das Standesamt die Vaterschaft in das Geburtenregister eintragen. Allerdings muss die Behörde das innerhalb von vier Monaten erledigt haben, andernfalls gilt die Zustimmung als erteilt. Die Frist soll sich nur dann verlängern, wenn die Beteiligten nicht entsprechend an der Prüfung mitwirken.
Stadt Gelsenkirchen lobt neues Gesetz gegen Missbrauch - sieht aber noch Lücke
„Die anvisierte Regelung ist wesentlich effektiver“, lobt man in Gelsenkirchen, wo man den Status Quo ebenfalls für nicht ausreichend hält. „Entscheidungen können hierdurch schneller und konsequenter getroffen werden. Bisher waren die gesetzlichen Vorgaben zu vage“, heißt es auf Presseanfrage von Stadtsprecher Jan Totzek. Aufgrund jener vagen Vorgaben müsse man gegenwärtig von einer hohen Dunkelziffer nicht identifizierter missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen in Gelsenkirchen ausgehen. Gegenwärtig bewege sich die Anzahl der entdeckten Missbrauchsfälle „ungefähr in dem Bereich von Mülheim an der Ruhr“. Dort berichtete die Stadtverwaltung Anfang des Jahres von etwa 15 Fällen pro Jahr.
Verfassungsgericht kassierte Regelung
2008 hat der Gesetzgeber zum ersten Mal eine gesetzliche Regelung erlassen, um gegen missbräuchliche Anerkennungen von Vaterschaften vorzugehen. Sie sah vor, dass missbräuchliche Anerkennungen der Vaterschaft nachträglich von einer Behörde angefochten werden.
Diese Regelung wurde allerdings fünf Jahre später, 2013, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Sie verstieß nach Auffassung des Gerichts gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit.
2017 hat der Gesetzgeber deshalb eine neue gesetzliche Regelung erlassen. An die Stelle des repressiven Ansatzes der früheren Regelung ist ein präventiver Ansatz getreten. Nun soll der präventive Ansatz weiter gestärkt werden.
Gemeinsam mit Mülheim hat die Stadt Gelsenkirchen auch eine Initiative im Deutschen Städtetag NRW zur Bekämpfung von Scheinvaterschaften eingebracht, wie Ordnungsdezernent Nowack mitteilte. Unterstützt worden sei jene Initiative auch von Dortmund, wo Anfang des Jahres einer der heftigsten bislang bekanntesten Fälle von missbräuchlicher Fake-Vaterschaft bundesweit für Schlagzeilen sorgte: „Mr. Cash Money“ nannte sich ein Deutsch-Nigerianer, der die Vaterschaft für 24 Kinder anerkannt hatte, um daraus ein Geschäftsmodell zu machen. Die jährlichen Kosten für den Sozialstaat: 1,5 Millionen Euro.
Gelsenkirchens Ordnungsdezernent bittet Justizminister per Brief um weitere Änderung im Gesetz
Auf die Städtetag-Initiative machte Nowack auch vor einigen Wochen in einem Brief an Justizminister Buschmann aufmerksam, welcher der Redaktion vorliegt. Darin bedankt sich Nowack zum einen für die Gesetzesinitiative, gleichzeitig macht er aber auch auf eine Lücke im bisherigen Entwurf aufmerksam, für deren Schließung man sich gemeinsam mit Mülheim starkmacht. Angeregt wird demnach, auch eine erweiterte Meldebescheinigung verpflichtend in das Prüfverfahren einzuführen.
„Auf der erweiterten Meldebescheinigung sind sämtliche minderjährigen Kinder eines Vaters, unabhängig vom Wohnort der Kinder, aufgeführt. Hierdurch könnte der Missbrauch der Anerkennung durch Beantragung in unterschiedlichen Kommunen effektiver begegnet werden“, heißt aus auch auf Nachfrage von der Gelsenkirchener Pressestelle.
Mit anderen Worten: Wenn ein Vater aktuell ein Kind in Erfurt, eines in Schwerin und eines in Gelsenkirchen anerkannt hat, dann ist es momentan schwierig, dem auf die Schliche zu kommen, ein zentrales bundesweites Einwohnermelderegister gibt es nicht. Erst wenn man dies ändere, so die Meinung in der Emscherstadt, könnten Fälle wie „Mr. Cash Money“ wirklich effektiv verhindert werden.
Buschmann: Gesetz steht für „neue Realpolitik in der Migration“
Bundesjustizminister Marco Buschmann hingegen ist in seiner Stellungnahme an unsere Redaktion überzeugt: Schon mit den bereits geplanten Änderungen „werden wir missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen sehr viel besser verhindern können.“ Mit den Ausländerbehörden würden diejenigen gestärkt, die am besten wüssten, was zu tun ist. Buschmann wirbt daher: „Unser Gesetzentwurf steht für unsere neue Realpolitik in der Migration: Wir gehen auch die schwierigen Probleme an - ohne ideologische Scheuklappen und mit einem Fokus darauf, was in der Praxis funktioniert.“
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