Gelsenkirchen. Angriffe auf Politiker, Parteibüros, Wahlplakate: Der Bund informiert über Taten aus Gelsenkirchen. Es kam zu wirren und gewaltvollen Vorfällen.
Angriffe auf Politiker, Parteibüros und Wahlplakate: In Gelsenkirchen sind im ersten Halbjahr dieses Jahres mindestens sieben politisch motivierte Angriffe festgestellt worden, die das Ziel hatten, Parteien zu schädigen. Das geht aus eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD hervor. Zurückgegriffen wurde bei der Beantwortung auf Zahlenmaterial der Kriminalpolizei.
Tür der Falken und Plakate der SPD Gelsenkirchen zerstört
Eine Beschädigung am Glas der Hauseingangstür des Paul-Loebe-Hauses der SPD-nahen Falken gab es am 4. Februar 2024. Ziel der Sachbeschädigung soll ein Plakat mit der Aufschrift „Stopp –Neonazis und Rassist*innen bleiben draußen“ gewesen sein, aufgelistet wurden hier auch Beispiele von rechten und verbotenen Symbolen und Begriffen wie „FAP“ (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei), „White Power“, die Reichskriegsflagge oder die Wolfsangel. Die Attacke wird demnach klar dem rechten Spektrum zugeordnet.
Die Sachbeschädigung in Buer sei in der Tat ein besonders ärgerlicher Vorfall gewesen, sagt Unterbezirkssekretär Daniel Bönnemann. „Aber Nazi-Sticker haben wir leider öfter.“ Beschmiert oder bemalt wurden im April und Mai auch Wahlplakate der SPD, eine politische Zuordnung der Taten ist hier nicht klar.
Kenntnis hat die Bundesregierung auch über einen beleidigenden und wirren Brief vom Januar 2024, adressiert an den „sehr verkehrten“ Bundeskanzler Olaf Scholz und die „liebe sterbende SPD (Sozialpathen Party Dönerland“, handgeschrieben von einem Tatverdächtigen, der sich aktuell in Haft in der Gelsenkirchener Justizvollzugsanstalt befindet. Auch die CDU wird thematisiert, der Urheber behauptet, der „Mann im Rollstuhl“, also der verstorbene ehemalige Finanzminister Wolfgang Schäuble, sei „der Darth Vader des Unions Imperiums“ gewesen, er schwafelt vom Verschwörungsmythos des „Deep State“, schließt sich Wladimir Putins Propaganda von der Entnazifizierung der Ukraine an oder rezitiert trans- und schwulenfeindliche, rechtsextremen Mythen über die Obamas. Entsprechend wird das beleidigende Schriftstück als „rechts“ kategorisiert.
Facebook-Posts und Büro-Attacken hatten die Grünen im Visier
Aufgeführt wird von der Bundesregierung auch die Zerstörung einer Schaufensterscheibe im Bueraner Parteibüro der Grünen Anfang Mai 2024. Auch diese Redaktion berichtete über den Anschlag. Hinter dem zerstörten Schaufenster befanden sich Wahlplakate der Grünen zur Europawahl, die damals allerdings nicht beschädigt oder entwendet wurden. Einer rechten, linken, ausländischen oder religiösen Ideologie (so lauten die Kategorien bei der Auswertung) konnte der Fall bislang nicht zugeordnet werden.
Wenig später kam es übrigens wieder zu einer Attacke auf die Grünen, dieses Mal am Parteibüro in der Altstadt. Damals fing eine Überwachungskamera ein, wie ein Unbekannter gezielt auf Griffe und Schloss der Eingangstür des Grünen Zentrums an der Ebertstraße urinierte.
Ebenfalls an die Grünen gerichtet war ein Bild auf einem Facebook-Profil, das ein Tatverdächtiger im Juni 2024 gepostet hate und das nach Einschätzung des Bundes „durch Verharmlosung einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung“ den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen könnte. Das Bild zeigt den nationalsozialistischen Reichsadler, der anstatt eines Hakenkreuzes eine Sonnenblume, das Parteisymbol der Grünen, in den Fängen hält. Daneben steht in Frakturschrift der Schriftzug „Grünes Reich“.
An die AfD gerichtet waren hingegen Schriftzüge (u.a. „FCK AFD!“, „NAZIS RAUS!“), die am 27. Januar vor dem Hans-Sachs-Haus und auf Bürgersteigen drumherum gesprüht worden sind. Sie werden dem linken Spektrum zugeordnet. An jenem Tag fand auch der „Bürgerdialog“ der AfD im Hans-Sachs-Haus statt. Parallel demonstrierten 6500 Menschen gegen die Rechtsaußen-Partei auf dem Heinrich-König-Platz.
Grüne bei allen Straftaten bundesweit am häufigsten Opfer von Attacken
Insgesamt wurden vom 1. Januar bis 30. Juni 2024 bundesweit 394 Straftaten gemeldet, die Parteigebäude- oder -einrichtungen zum Ziel hatten. Der Großteil traf hier die Grünen (116 Straftaten), auf Platz zwei liegt die AfD (111). Attacken, die Parteirepräsentanten oder Parteimitglieder zum Ziel hatten, wurden 1965 gezählt. Auch hier traf es am häufigsten die Grünen (740 Straftaten), danach kommt die SPD (516). Gewaltdelikte gegen Parteivertreter wurden 84 Mal festgestellt, hier waren zum größten Teil AfD-Mitglieder das Ziel (48 Straftaten). 2024 wurden außerdem 7763 Mal Wahlplakate beschädigt, auch hier waren meist die Grünen Opfer (2463 Fälle).
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Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 ist die politisch motivierte Gewalt extrem gestiegen. Beispielsweise wurden damals lediglich 797 Attacken gegen Parteivertreter gezählt. Dass bekannte Vorfälle aus der Region wie beispielsweise die Attacke auf den Essener Grünen-Bürgermeister Rolf Fliß im Mai 2024 überhaupt nicht in der Auflistung auftauchen, legt nahe, dass die Zahl der Straftaten vermutlich noch dramatischer ist und die Auswertung des Bundes teils lückenhaft ist. Der Bund macht zudem darauf aufmerksam, dass sich durch Änderungs- oder Nachtragsmeldungen nachträglich Abweichungen ergeben können.