Gelsenkirchen. Alona Rodeh präsentiert ab 8. November im Kunstmuseum Gelsenkirchen ihre aus Computer-Animationen bestehende Rauminstallation.

Auf einer völlig leeren Autobahn kommen plötzlich zwei herrenlose E-Scooter angerollt. Sie fahren aber nicht nur wie von Geisterhand gesteuert einfach auf dem Asphalt herum. Nein, sie scheinen dort miteinander zu tanzen. Und heben wie schwerelos zum Kurzzeitflug ab, ehe der abrupte Absturz folgt. Die gestochen scharfen Bilder auf dem Großbildschirm wirken auf den ersten Blick völlig realistisch, es handelt sich aber um eine Computeranimation. Und von denen zeigt die israelische Künstlerin Alona Rodeh bei ihrer Ausstellung „Interzone“ ab dem 8. November im Kunstmuseum in Buer gleich mehrere.

Einige Museen scheuen derzeit Ausstellungen mit israelischen Künstlern

Der tödliche Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der daraus resultierende Krieg im Gaza-Streifen hat die halbe Welt emotional in Brand gesteckt. Nun kommt auch noch der Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und ein verhindertes Attentat auf die israelische Botschaft in Berlin hinzu. Aufgrund der aktuell so angespannten Sicherheitslage hatten sich zuletzt einige Museen in Deutschland entschieden, momentan keine Ausstellungen von israelischen Künstlern zu zeigen. Das hiesige Kunstmuseum geht einen anderen Weg - und öffnet seine Tore ganz bewusst für Alona Rodeh.

Stellt vom 8. November bis 2. März 2025 im Gelsenkirchener Kunstmuseum aus: die aus Israel stammende Künstlerin Alona Rodeh.
Stellt vom 8. November bis 2. März 2025 im Gelsenkirchener Kunstmuseum aus: die aus Israel stammende Künstlerin Alona Rodeh. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die 45-jährige Künstlerin ist in einem kleinen Dorf aufgewachsen, das im hohen Norden Israels liegt, nur zehn Kilometer von der Grenze zum Libanon entfernt. Nach Aufenthalten in New York und Wien heißt ihre Wahl-Heimat seit 2013 Berlin. Und mit einer gesunden Distanz blickt sie auch auf diesen seit Jahrzehnten andauernden und scheinbar niemals enden wollenden Nahost-Konflikt.

Kritik an allen Beteiligten des so lange andauernden Nahost-Konflikts

„Ich bin keine Politikerin. Das ist nicht mein Job“, ordnet die Künstlerin gleich zu Beginn des Interviews mit der WAZ ein. Aber dennoch übt sie Kritik an allen Beteiligten. Hier gebe es kein Gut und Böse. Denn sowohl die Hamas als auch die Hisbollah als auch die israelische Regierung würden eine Schuld tragen, dass dieser Konflikt mit aktuell Zehntausenden Toten so eskalieren konnte, sagt Rodeh. Und obwohl zu merken ist, wie sehr sie das gesamte Thema beschäftigt, ist es ihr wichtig zu betonen, dass es keinerlei Einfluss auf ihre aktuelle Ausstellung gehabt habe.

Für Museumsleiterin Julia Höner war eine Absage zu keinem Zeitpunkt eine Alternative. „Unser Haus soll ganz bewusst offen für alle sein“, betont sie und fügt hinzu: „Mein Auftrag hier lautet, der Öffentlichkeit inhaltlich wichtige, ästhetische Kunst zu präsentieren. Und entscheidend dafür ist immer nur das Werk eines Künstlers - und niemals seine Nationalität.“ Zudem verstehe sie das Festhalten an dieser Ausstellung auch „ein Stück weit als Akt der Standfestigkeit“.

Frage zu verschärften Sicherheitsbedingungen wird noch entschieden

Wird es aufgrund der aktuellen Lage denn nun verschärfte Sicherheitsbedingungen mit dem Ausstellungsbeginn ab 8. November im Kunstmuseum geben oder nicht? „Wir prüfen das derzeit noch“, sagt Höner. „Wir wollen uns die Sache ruhig und besonnen ansehen, sie bewerten und dann zu einer klugen Entscheidung kommen.“

In einer Animation von Alona Rodeh fließt aus dem Tankstellen-Zapfhahn kein Benzin, sondern flüssiges Gold.
In einer Animation von Alona Rodeh fließt aus dem Tankstellen-Zapfhahn kein Benzin, sondern flüssiges Gold. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Verdient hätte die Ausstellung ein großes Publikumsinteresse. Denn mit der Ausstellung „Interzone“ wird erstmals auch das umgebaute und völlig neu gestaltete Untergeschoss des Kunstmuseums präsentiert. Dort war in den vergangenen Jahrzehnten stets die umfangreiche und hoch geschätzte Kinetische Sammlung des Hauses untergebracht. Künftig wird dies laut Höner der Ort für die Wechselausstellungen - mit den Computeranimationen von Alona Rodeh als spannendem Auftakt.

Eine Computerspiel-Software war ein wichtiger Helfer

Die hyperrealistischen Bilder haben die Künstlerin und ihr vierköpfiges Team mithilfe einer Computerspiel-Software entwickelt und programmiert. Und mit diesen Animationen möchte die Künstlerin ein Stück weit Kapitalismus-Kritik üben, aber auch den aktuellen Zeitgeist mit seinen technischen Errungenschaften wie Drohnen oder besagten E-Scootern einfangen. In einem Videospiel, das alle Besucher ausprobieren können, werden ausnahmsweise mal keine Superhelden mit den Gamepads gesteuert. Sondern wandelnde Geldautomaten. Ein erstes Ausprobieren bescherte einen hohen Spaßfaktor.

Mit den Gamepads werden auf den Bildschirmen wandelnde Geldautomaten gesteuert.
Mit den Gamepads werden auf den Bildschirmen wandelnde Geldautomaten gesteuert. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Weil sich Rodeh schon immer künstlerisch mit Lichtelementen in nächtlichen Umgebungen auseinandergesetzt hat, spielt dieses Ambiente auch bei ihrer jetzigen Rauminstallation eine große Rolle. Und um das richtige Ambiente zu schaffen, wird der gesamte Bereich abgedunkelt und nur spärlich beleuchtet. So entsteht ein Fiktionsraum, gefüllt mit Großbildschirmen, auf denen auch E-Scooter zum Tanz bitten.