Gelsenkirchen. Ingo Appelt mag es schlüpfrig und explizit: Das bewies der Comedian auch am Freitagabend beim seinem Auftritt in der Gelsenkirchener „Kaue“.

Der deutsche Mann ist in krisengeschüttelten Tagen wie diesen entweder ständig wütend. Oder er hat nur Sex im Kopf. Ingo Appelt bewies bei seinem Auftritt am Freitagabend in Gelsenkirchen, dass diese Theorie stimmt. Denn in seinem über zweistündigen Monolog nahm er nicht nur gekonnt die Wut-Bürger aufs Korn, sondern widmete sich auch ausgiebigst der Pointen-Zone unterhalb der Gürtellinie. Und dieser bizarre Mix aus aggressiver Versautheit, er kam beim Publikum in der ausverkauften „Kaue“ bestens an.

Die Gag-Dichte ist vom ersten Moment an mächtig bis prächtig

Ingo Appelt schreitet nicht mit großer Pose auf die Bühne. Er sucht sich ganz einfach eine Lücke im Vorhang. Tritt ganz unspektakulär ins Scheinwerferlicht. Und beginnt sofort zu reden. Ohne Punkt und Komma. In einem Tempo, dass ein wenig abgehetzt wirkt, dem aber alle Zuhörenden dennoch von der ersten Sekunde an atemlos folgen können. Und auch wollen. Denn die Gag-Dichte, sie ist wahrlich mächtig bis prächtig.

Über 300 Besucher erlebten den Auftritt von Ingo Appelt in der Gelsenkirchener „Kaue“.
Über 300 Besucher erlebten den Auftritt von Ingo Appelt in der Gelsenkirchener „Kaue“. © Thomas Richter

In der ersten Phase behält der Mann in Schwarz noch sein seiden-glänzendes Sakko an. Das verleiht ihm eine gewisse Seriosität. Doch diesen leicht gediegenen Look konterkariert er gekonnt mit seinen bissigen Späßen und bösen Bemerkungen. Die ersten davon treffen ausschließlich eine einzige Person: ihn selbst. Sein Selbsttadel über das nicht schwinden wollende Übergewicht beschert schon massenhaft Lacher. Doch Selbstironie ist ja etwas, dass dem Ruhri als solchem zum Glück gegeben ist. Also hat sie auch der gebürtige Essener Appelt im Blut.

Kanzler Scholz und Karl Lauterbach bekommen ihr Fett weg

Nach kurzer Zeit wechselt er dann aber doch seine verbalen Zielscheiben. Und nimmt die Politprominenz ins Visier. Obwohl er bekennender Sozialdemokrat ist, bekommt das Spitzenpersonal „seiner Sozen“ ihr Fett weg. Allen voran der Kanzler. Und eines muss man Appelt lassen: Er hat nicht nur den Tonfall von Olaf Scholz richtig gut drauf, sondern auch seine stets leicht verkniffen wirkende Mimik. Da wird das Gesicht des Komikers zur multiplen Knautschzone. Auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach kommt nicht ungeschoren davon - sehr zur Freude der über 300 Besucher.

Viele von ihnen, so stellt sich schnell heraus, sind selbst Eltern. Denn als Appelt auf die nachwachsende Generation im Allgemeinen und „die eigene Brut“ im Besonderen mit einem wahren Wortschwall eindrischt, da klingen die Lachsalven nicht hämisch. Sondern wissend. Gar nix weiß laut Appelt hingegen Donald Trump. Und trotzdem sei es sehr wahrscheinlich, dass ihn das US-Volk in gut einem Monat wiederwählt. Es sei schon erstaunlich und sogar zum Verzweifeln, in welch tumben Führungsfiguren sich die Mehrheit einer Bevölkerung manchmal selbst widerspiegeln will.

Ingo Appelt wird selbst zu einer einzigen erogenen Zone

Doch gesellschaftskritische Ansätze bleiben an diesem Abend die Ausnahme. Stattdessen widmet sich der Wahl-Berliner viel lieber und ausgiebiger seinem Lieblingsthema: Sex. Ob schmutzige Witze, Schwulen-Parodien oder Bettgeschichten a la „Fifty Shades of Grey“: Appelt gibt jetzt die entfesselte Rammel-Rampensau, verwandelt sich in eine einzige, auf zwei Beinen wandelnde, erogene Zone. Das ist mal schlüpfrig, mal plump, mal grandios. Und trifft immer das Komik-Zentrum der Anwesenden.

Die bekommen im zweiten Teil nach der Pause nicht nur ein paar gelungene Parodien von Udo Lindenberg und Appelts altem Spezi Herbert Grönemeyer serviert. Nein, auch Angela Merkel und Helmut Kohl werden in punkto Phonetik kanzlertauglich gedoubelt. Und nach über zwei Stunden Spielzeit war auch das letzte innere Fünkchen Aggressivität verflogen. In Appelt selbst. Und in seinen Fans. Die Essenz dieses mit stehenden Ovationen endenden Abends lautete also: Lachen ist ein Super-Ventil, um Ärger rauszulassen. Ein Auftritt von Appelt ist der beste Beweis dafür...