Gelsenkirchen. Susanne Wagner erbt knapp 183.000 Euro - und spendet die gesamte Summe. Das sind die Beweggründe der 70-jährigen Gelsenkirchenerin.

Als die entscheidende Frage nach dem „Warum“ aufs Tablett kommt, antwortet Susanne Wagner mit einem einfachen Satz, den sie aber ebenso glaubwürdig wie authentisch ausspricht: „Wir haben alles, was wir brauchen.“ Und dennoch ist es mehr als bemerkenswert, was die 70-jährige Frau aus Gelsenkirchen-Horst mit ihrer Erbschaft gemacht hat. Sie hat sie nämlich der MLPD gespendet. Die gesamte Summe in Höhe von knapp 183.000 Euro.

Wagner arbeitet bei der Parteizeitung „Rote Fahne“ als Bildredakteurin

„Das kann doch nicht wahr sein“, mögen jetzt viele Leserinnen und Leser denken. Oder: „Mit dem vielen Geld hätte ich mir aber lieber selbst etwas gegönnt.“ Für Susanne Wagner stand hingegen schon länger fest, dass sie in einem solchen Falle das Geld der MLPD überlassen wird, die ihren Bundessitz bekanntlich in Gelsenkirchen hat. Denn das ist „ihre“ Partei. Schon vor der offiziellen Gründung im Jahr 1982 engagierte sie sich für die Ideen und Weltanschauungen der Linksextremisten, die seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

„Ich bin jetzt seit gut 50 Jahren bei der Sache dabei“, erzählt Wagner bei einem Treffen vor der Parteizentrale. Für sie sei die MLPD nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern seit langem auch Arbeitgeber. Im Alltag als Bildredakteurin und in der Assistenz der Redaktion der „Roten Fahne“ beschäftigt, also dem Parteiblatt der Marxistisch-Leninistischen Partei. Vorher war sie für viele Jahre in der chemischen Industrie. „Als Arbeiterin“, wie sie im Brustton der Überzeugung feststellt.

Das gespendete Geld stammt vom Verkauf des Elternhauses

Und vom wem hat sie nun das viele Geld nun geerbt? „Ende letzten Jahres ist unsere Mutter verstorben. Und wir drei Kinder haben unser Elternhaus in Karlsruhe kürzlich verkauft“, erzählt Wagner. Der Erlös sei laut letztem Willen geviertelt worden. Jeweils ein Viertel erhielt jedes der drei Kinder, das vierte Viertel wurde unter den Enkeln aufgeteilt.

Heraus kamen dabei für sie dann besagte knapp 183.000 Euro. Und nach kurzer Absprache mit ihrem Ehemann Günter, seines Zeichens Allgemeinmediziner mit einer Arztpraxis in Horst, fällten sie gemeinsam die Spenden-Entscheidung. Direkten Einfluss auf den Verwendungszweck des Geldes hat Wagner zwar nicht. „Ich würde mir aber wünschen, dass meine Spende vor allem für die Jugendarbeit der Partei eingesetzt wird - wie etwa unser Jugendzentrum Che in Horst“, sagt Wagner.

Ein Großspender überwies einst über drei Millionen Euro an die MLPD

Als sie ihren Parteikollegen von der Spende erzählte, sei sie „auf große Freude und Dankbarkeit gestoßen“. Doch diese Form der Uneigennützigkeit sei in der MLPD weit verbreitet, gehöre ein Stück weit zur DNA der Partei. „Aber um es klarzustellen: Zu diesem Schritt hat mich niemand genötigt oder gezwungen. Es war ganz allein unsere Privatsache und unsere eigene Entscheidung.“

Spenden dieser Größenordnung stehen bei der MLPD natürlich nicht auf der Tagesordnung, kommen laut Geschäftsführer Klaus Dumberger aber gar nicht mal so selten vor. So habe es seit 2016 insgesamt sechs Zuwendungen in Höhe zwischen 55.000 und 250.000 Euro gegeben. Den Vogel schoss aber Michael May ab, der allein von 2005 bis 2008 über drei Millionen Euro an die MLPD überwies. Der heute 73-jährige Mann aus Moers zählt auch dank weiterer Zuwendungen zu den größten Parteispendern der Republik.

„Wir finanzieren unsere Politik ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und uneigennützigen Spenden“, erklärte Dumberger. Dank solcher Großspenden könne man aber auch mal besondere Projekte auf den Weg bringen. 

Ihren Vollzeit-Job in der Partei hat sie größtenteils ehrenamtlich erledigt

Zurück zu Susanne Wagner: Dass sie es mit ihrer Uneigennützigkeit tatsächlich ernst meint, lässt sich noch an einem weiteren Fakt ablesen. Denn ihre Arbeit bei der „Roten Fahne“ erledigt sie nun seit rund 30 Jahren als Vollzeit-Job. Das aber größtenteils auf ehrenamtlicher Grundlage. Und vielleicht macht dieser Fakt auch klar, warum Wagner bilanzierend feststellt: „Ich hätte mit meinem Erbe nichts Besseres anfangen können.“