Gelsenkirchen. 2. Sinfoniekonzert der Neuen Philharmonie Westfalen beschert dem Publikum im Musiktheater einen beeindruckenden Abend. Unsere Kritik.

Tief in sich versunken verharrte Olga Scheps am Flügel, während die Neue Philharmonie Westfalen (NPW) unter der Leitung von Rasmus Baumann das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-moll von Johannes Brahms anstimmte. Dunkel, bedrohlich und dramatisch baute sich der Klangkörper des Orchesters am Montagabend im Musiktheater im Revier unter Paukenwirbel auf. Die renommierte, international gefragte und hochdekorierte Pianistin strahlte trotz der grazilen Erscheinung noch vor ihrem ersten Ton geballte Energie aus. Wie eine Katze, die sich zum Absprung bereit macht, bis zu den Haarspitzen gespannt, und das bei der ungewöhnlich langen Einleitung dieses Klavier-Orchesterwerkes.

Ein ständiges Auf und Ab der Dynamiken

Scheps entlud kontrolliert ihre Kraft und begann mit der ausdruckstarken Entfaltung des Themas. Ab da gab es kein Halten mehr, das Werk an sich beschert ein ständiges Auf und Ab der Dynamiken, manchmal etwas sperrig und unvermittelt. Scheps stieg klar und dezidiert in diese Brüche ein, peitschte die Oktaven mit Macht, vollgriffig und intensiv. Sie fühlte sich sichtlich wohl in den vor Kraft nur so strotzenden Passagen, legte ihren Akzent in die Kontraste, auf das Kolossale. Zuweilen schien der geballte Klang den Großen Saal im MIR zu sprengen.

Pianistin Olga Scheps begeisterte beim 2. Sinfoniekonzert mit der Neuen Philharmonie Westfalen in Gelsenkirchen.
Pianistin Olga Scheps begeisterte beim 2. Sinfoniekonzert mit der Neuen Philharmonie Westfalen in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Orchester wie Solistin zeigten im zweiten Satz, dass sie nicht nur „Maestoso“, sondern auch „Adagio“ in wundervoller Einheit beherrschten. Baumann schaffte es, die NPW auf den Punkt durch die komplizierten Dialoge zu führen. In den weichen Passagen zeigte sich einmal mehr der homogene wie brillante Klangkörper des Orchesters, ein schmeichelndes Zusammenspiel, das hier den perlenden, gedankenverlorenen Einwürfen des Klaviers einen kongenialen, ebenbürtigen Partner bot. Scheps zeigte neben ihrem exzellenten technischen Repertoire auch ein intrinsisches lyrisches Verständnis.

Beherzte Umarmung nach dem Schlussakkord

Das abschließende Rondo führte durch schwungvolle, fast volkstümliche Passagen. Scheps begleitete die fröhlichen pizzicati der Celli mit tanzendem Oberkörper. Der Satz wurde zu einer grandiosen musikalischen Zelebration, die nach dem Schlussakkord zu einer beherzten Umarmung des Generalmusikdirektors führte. Großer Applaus aus dem Publikum, auch wenn es keine stehenden Ovationen gab. In der leisen Zugabe eines Intermezzos von Robert Schumann zeigte sich, dass der Flügel unter dem Kraftakt des Klavierkonzertes gelitten hatte.

Nach der Pause führte Baumann die NPW durch die Sinfonie Nr. 8 von Antonin Dvorak und somit ging es weiter mit gewaltigen Klängen. Etwas geschmeidiger, gefälliger als der Brahms, aber gleichermaßen von einer mitreißenden Intensität. Vier Sätze voller Klangbilder zogen vorbei wie Landschaften, Blechbläser und Schlagwerk türmten die fortissimi auf, zuckersüße Streicher breiteten herzergreifende Mäntel der Harmonie aus. Baumann schien wie entfesselt, nahm sein Orchester mit körperlichem Einsatz, marschierend, drehend, lockend oder fordernd mit durch Passagen von musikalischer Brillanz. Die Komposition bot einigen Mitgliedern der NPW kurze Solo-Passagen, eine wunderbare Querflöte dort, eine strahlende Trompetenfanfare hier. Das Orchester verjüngt sich zusehends und setzt immer wieder erfrischende Akzente.