Gelsenkirchen. Kinder hatten die Gelegenheit, in Gelsenkirchen-Buer ein Bestattungsinstitut zu besuchen - samt Leichenwagenschau. Welche Fragen sie hatten.
Dieser Text ist erstmals am 3. Oktober 2024 erschienen.
In der Trauerhalle des Bestattungshauses Bergermann in Buer läuft Mark Forsters fröhlich-bunter Song „Ich frag die Maus“. 13 größere und kleinere Kinder greifen munter zu Kerzen, Tüchern, Holzsternen und -Herzen und schmücken für einen fiktiven Verstorbenen. An der Hagenstraße ist heute ein besonderer Tag: Zum ersten Mal beteiligt sich das Bestattungsinstitut in Gelsenkirchen an der Aktion „Türen auf mit der Maus“ (von der „Sendung mit der Maus“). Wenn sich Tod und Trauer doch nur immer so leicht anfühlen könnten, wie an diesem Nachmittag …
Keine Angst vor dem Tod! So berührend gehen Kinder in Gelsenkirchen damit um
Drei Termine hatten sie bei Bergermanns für den Türöffner-Tag angeboten, für jeweils anderthalb Stunden durften Kinder ab fünf Jahren in Begleitung ihrer Eltern hinter die Kulissen des traditionsreichen Betriebs in der buerschen Innenstadt schauen. Alle drei Termine seien rasend schnell ausgebucht gewesen, berichtet Miriam Menge, Prokuristin bei Bestattungen Bergermann.
Und darum sollte es gehen: Wie sieht ein Leichenwagen eigentlich von innen aus? Was passiert mit ihm, wenn ein Mensch gestorben ist? Wozu braucht es einen Sarg? Und was ziehen Tote an? In mehreren Stationen erkunden diese 13 Kinder das Bestattungshaus, alles ist liebevoll und aufmerksam vorbereitet: Maus, Elefant und Ente stehen beispielsweise als Bild neben einer Urne oder hängen als Plakat im Ausstellungsraum für die Särge.
Den ersten Stopp legen die Kinder, angeführt von den beiden Trauerberaterinnen Vivien Greve und Doreen Galla, in genau diesem Ausstellungsraum ein. Hier wird Vivien Greve zum ersten Mal versichern, dass in den Ausstellungs-Stücken keine Toten liegen. Und sie erklärt, dass die toten Menschen gewaschen werden, bevor sie ihre letzte Reise antreten. Dass es so ist wie in einer Dusche oder Badewanne – nur, dass die Leichen dabei eben liegen. Dass die Haare gewaschen und die Zähne geputzt werden. Eine Frage aus Kindermund: „Dürfen die auch Nagellack haben?“ Vivien Greve versichert: „Auch das geht!“
Der nächste Stopp: der Raum, in dem die Verstorbenen aufgebahrt werden. Damit Familie, Freunde, liebe Menschen noch einmal Abschied nehmen können. In der Mitte des Raumes, in dem es angenehm warm und zurückhaltend hell ist, steht ein offener Sarg. Mit Kissen und Decke. Aber ohne Toten. Die Kinder stellen sich um den Sarg herum, zeigen keinerlei Berührungsängste.
Wie fühlt sich das Innere eines Sargs an? „Das ist aber gemütlich“
„Und wie fühlt sich das an?“, fragen Greve und Galla. „Wie ein Bett“, antwortet eines der Kinder und tatsächlich ist das ein sehr passender Vergleich. „Das ist aber gemütlich“, sagt ein anderes Kind. Sie alle können Decke und Kissen drücken, den Stoff, das Material erfühlen, das allerdings nur halb so weich ist, wie das Kissen zu Hause. Denn bei Bergermanns sind die Kissen weder mit Schaumstoff, noch mit Federn gefüllt. Es sind alles natürliche Materialien, die sich bei einem Begräbnis ohne Rückstande in der Erde zersetzen.
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Und auch hier dürfen die Kinder wieder lernen und mitmachen: Sie legen – vom Bestattungshaus bereits vorbereitet – Schmuck, ein selbstgemaltes Bild, ein Foto und das Lieblings-Bonbon des fiktiven Toten gleich mit in den Sarg. Einen kleinen Blumenstrauß gibt‘s auch mit auf die Reise. Und die Kinder machen das alles mit Leichtigkeit, mit Selbstverständlichkeit. Und sie merken: Ihren Liebsten können sie alles mitgeben. In einem Sarg ist eine ganze Menge Platz für Liebe und Erinnerungen.
Wenn Kinder für eine Trauerfeier dekorieren
Eine weitere Station zeigt: Es gibt so viele Rituale, sich zu verabschieden. Etwa Blumen an einen geschlossenen Sarg zu stecken, angelehnt an eine Tradition aus den Niederlanden. Die Kleinen und Größeren, sie alle machen gerne und eifrig mit. Und sie erfahren auch von Vivien Greve, dass es einige Menschen gibt, die ihre Bestattung schon zu Lebzeiten vorplanen. Ob das ein Trend ist? „Es werden jedenfalls immer mehr und in jedem Alter“, weiß Greve. „Keiner weiß schließlich, wann es so weit ist.“
Und nun: die Trauerhalle. „Habt ihr Lust für eine Trauerfeier zu dekorieren?“, fragen Doreen Galla und Vivien Greve. „Ja!“, rufen sie sofort alle und machen sich auf den Weg, um sämtliche Deko-Stücke, die schon im hinteren Teil des kleinen Saals warten, nach vorne zu räumen und um eine Urne herum („Auch darin befindet sich nicht die Asche eines Verstorbenen“) zu drapieren. Es ist bewegend, den Kindern zuzuschauen – die das so sorgsam und akribisch machen, als hätten sie für eine solche Trauerfeier längst schon einmal gemeinsam geübt.
Eindruck macht bei allen – auch bei den Eltern – der glänzende Leichenwagen, eine Sonderanfertigung auf Basis eines Mercedes E-Klasse-Kombis, der im Hinterhof steht. Wann kann man schon mal so einen Einblick bekommen? Sogar Reinsetzen war erlaubt. Das Innere verblüfft: Eine Trage, darauf ein großer, dunkelblauer Sack, in den die Toten gewickelt werden, ist festgeschraubt an den Boden. Der ist, wie die Seitenflächen, mit Edelstahl ausgekleidet. Das hat hygienische Gründe, wie Bestattungsfachkraft und Hygienebeauftragte Verena Urbanski den Maus-Besuchern erklärt. Denn nicht nur Trage und Sack, sondern auch die Flächen müssten nach jeder Toten-Fahrt komplett desinfiziert werden.
Dieser Tag im Bestattungshaus, er wird den Familien in schöner Erinnerung bleiben. „Wir wollten erstmal ausprobieren, wie es angenommen wird“, sagt Miriam Menge. Über die Resonanz und den Zuspruch seien sie total froh. „Es ist ganz wichtig, dass Kinder, Eltern und Familien mit dem Thema Tod und Trauer in Berührung kommen.“. Dieses große Thema, der damit verbundene Schmerz, all das sei „besser zu ertragen, wenn man mehr darüber weiß“, ist Miriam Menge überzeugt. „Es ist einfach normal, dass jeder Mensch einmal stirbt.“ Der Tod solle eben nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden – was passt da besser als der Türöffner-Tag der Maus?