Gelsenkirchen. Auf Gelsenkirchener Konsumenten einer Partydroge wartet immer öfter eine böse Überraschung. Drogenberatung warnt auch vor Fentanyl in Heroin.
Steife Muskeln, unrunder Gang, „eckige“ Bewegungen: Wie sich der Langzeit-Konsum von Fentanyl auf Abhängige auswirkt, ist auch für Laien schnell sichtbar. Kein Wunder, dass das synthetische Opioid als „Zombie-Droge“ gilt. Schon seit Längerem mahnen Fachleute: Fentanyl macht sehr schnell süchtig, ist 100-mal tödlicher als Heroin - und in Deutschland auf dem Vormarsch. Inwiefern es schon in Gelsenkirchen angekommen ist, hat die Redaktion bei der Drogenberatungsstelle nachgefragt. Und auch eine eindringliche Warnung vor einer unterschätzten Partydroge mit auf den Weg bekommen.
Schlucken, spritzen, rauchen, schnupfen: Es gibt viele Wege, Fentanyl zu konsumieren. Sogar als Pflaster lässt sich der Wirkstoff auf die Haut kleben, völlig legal: Wird es doch von Ärzten als schnell wirkendes, schmerzstillendes Medikament verordnet, etwa an Krebspatienten.
Gelsenkirchener Drogenberatung warnt: Straßenheroin wird immer wieder mit Fentanyl gestreckt
Während die sorglose Verschreibung von Fentanyl in Amerika verantwortlich ist für mehrere zehntausend Todesopfer jährlich, gehen deutsche Mediziner deutlich umsichtiger damit um. Fentanyl kann allerdings auch günstig illegal im Labor hergestellt werden, etwa um Heroin zu strecken, das seit dem Anbau-Verbot von Schlafmohn in Afghanistan durch die Taliban deutlich knapper geworden ist.
„Abhängige wissen ja nie, welche Substanzen sich nun wirklich im Straßen-Heroin befinden. Sogar mit Rattengift wird es mitunter gestreckt. Aber seitdem verstärkt immer mal wieder Fentanyl beigemischt wird, ist das Risiko einer tödlichen Überdosis größer geworden“, berichtet Sozialpädagogin Rita Mlezek vom Café Kontaktcentrum an der Ringstraße 91, einer Einrichtung der Gelsenkirchener Drogenberatung. Konkret heißt das: Bei (reinem) Heroin können 200 Milligramm tödlich sein - bei Fentanyl aber bereits zwei Milligramm.
Gelsenkirchener Drogen-Abhängige können Heroin auf Fentanyl testen
„Deshalb bieten wir in unserem Café auch kostenlose Tests an, die bei der Beimischung von Fentanyl sofort ausschlagen“, so Rita Mlezek weiter. Dafür werden einige wenige Krümel der Droge in ein Röhrchen mit Flüssigkeit gegeben, in das ein Teststreifen getaucht wird. „So weiß man schon nach weniger als einer halben Minute, ob dem Heroin das synthetische Opioid beigemengt war“, erläutert Gerrit Mahn, stellvertretende Leitung bei der Drogenberatung.
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Dadurch seien Abhängige vorgewarnt und könnten entweder ganz Abstand von der Substanz nehmen oder weniger konsumieren. „Die Gelsenkirchener Szene ist durchaus über die Gefahren von Fentanyl informiert, zumal wir im Café Kontaktcentrum über die Folgen aufklären“, so Mahn weiter. Stark nachgefragt seien die Tests bislang allerdings nicht, sagt Rita Mlezek.
Gelsenkirchener Drogenberater wünschen sich Ausstattung mit Notfall-Medikament
Deshalb können die Beraterinnen und Berater auch nicht nachprüfen, inwiefern Fentanyl in Gelsenkirchen tatsächlich „angekommen“ ist und in welchem Ausmaß es womöglich Heroin beigemischt wird. „Dazu haben wir keine belastbaren Zahlen“, sagt Mahn. Allerdings kämen Klienten immer mal wieder auf das synthetische Opioid zu sprechen. „Einer hat es sogar regelrecht für sich entdeckt, weil er Fentanylpflaster von jemandem bezogen hat, der diese verordnet bekommen hatte.“
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Dass von dem Stoff eine große Gefahr für Leib und Leben ausgeht, davon sind Experten allerdings überzeugt. Deshalb unterstützt Mahn auch die Forderung der Aidshilfe, das Notfall-Medikament Naloxon unkomplizierter zur Verfügung zu stellen - etwa in Anlaufstellen wie dem Kontaktcentrum an der Ringstraße, wo Suchtbetroffene zwar keine Drogen konsumieren dürfen, sich aber aufhalten, um sich beraten zu lassen oder auszutauschen.
Partydroge Ecstasy taucht in Gelsenkirchen mit immer höherer Konzentration auf
Das Nasenspray könne einen Atemstillstand bei einer Überdosierung verhindern und damit buchstäblich Leben retten, sei aber verschreibungspflichtig und mit mehr als 40 Euro nicht gerade preiswert. Überdies müsse es zügig nach der Überdosierung verabreicht werden. Immerhin, so Mahn, seien die Rettungswagen mit Naloxon ausgestattet, das nicht nur bei Überdosierungen durch Fentanyl, sondern auch durch andere Opioide wirke.
Fentanyl ist freilich nicht die einzige Droge, die den Drogen-Beratenden die Sorgenfalten auf die Stirn treibt: „Wir haben in den letzten Monaten vermehrt festgestellt, dass Ecstasy-Pillen recht häufig einen vielfach höheren Wirkstoffwert haben, als zu erwarten wäre, teils 80-mal so viel. Das birgt gerade für sehr junge Konsumenten riesige Gefahren“, betont Mahn und mahnt: Nutzende sollten erst einmal ein Viertel einer solchen Tablette einnehmen, sich gleichsam an die Dosierung „herantasten“, wenn sie denn überhaupt nicht darauf verzichten wollten. Ecstasy wird synthetisch hergestellt und gilt wegen seiner euphorisierenden Wirkung als „Partydroge“.
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Etwas entspannt habe sich demgegenüber die Situation in Sachen „Baller-Liquids“. Die synthetischen Cannabinoide werden E-Zigaretten beigemischt, können zu Erbrechen, Aggressionen und Halluzinationen führen und machen laut Mahn schneller süchtig als Cannabis. „Gelsenkirchen war Ende 2022 bei diesem hochgefährlichen Trend ganz vorne dabei. Mittlerweile ist er zum Glück abgeflacht, auch weil viele Jugendliche vorgewarnt sind.“