Gelsenkirchen. Mit dem großen Emscher-Umbau wird auch der kleine Sellmannsbach wieder sauber. Was hier passiert, bestaunen Minister und Gäste aus Afrika.

Die großen Projekte in der direkten Nachbarschaft sind nur auf den ersten Blick größer. Zwar wird die Glückauf-Kampfbahn aufwendig umgestaltet und zeigt der Gewerbepark in Schalke schon seine Dimensionen. Der Sellmannsbach dagegen gibt sich seit Jahrzehnten eher versteckt. Kein Wunder, hat er doch bis vor drei Jahren das Abwasser aus zigtausenden Haushalten aufnehmen und in die Emscher bringen müssen. Haken dran, mit dem Emscher-Umbau geht es auch in dem Bachtal in Höhe der Hochkampstraße zurück zur Natur. Und in ein „Blaues Klassenzimmer“ ohne Türen, Fenster und Tische.

Der Sellmannsbach schlängelt sich bereits wieder ohne die typischen Beton-Schalen der „Köttelbecke“ zwischen den eigens gestalteten Böschungen, und typische Pflanzen wie Schilf sind zu sehen. Was da noch alles zurückgekommen ist und noch erwartet wird in diesem Bach, steht auf Übersichtsbildern und ist zum Teil sogar regelrecht in Stein gemeißelt, den „Möbeln“ und Nachschlagwerken des Open-Air-Klassenzimmers.

Fünf Kilometer fließt der Bach von Bulmke bis zur Emscher

Abwasserfrei ist der Sellmannsbach seit 2021 auf seinem fünf Kilometer langen Weg von Bulmke über Bismarck und Schalke-Nord, bis er den Rhein-Herne-Kanal unterquert und in die Emscher mündet. Mitten in der Brachlandschaft zwischen Kurt-Schumacher- und Alfred-Zingler-Straße nimmt er jetzt eins der „Blauen Klassenzimmer“ auf, entstanden im ersten renaturierten Abschnitt des Gewässers, wo er wieder frei fließt. Das haben die Kinder der Evangelischen Gesamtschule Bismarck und der Grundschule Marschallstraße nun in Betrieb genommen.

Eine Forscherbox übergaben NRW-Städtebauministerin Ina Scharrenbach und  Oberbürgermeisterin Karin Welge symbolisch an die Schülerinnen und Schüler der Nachbarschaft.
Eine Forscherbox übergaben NRW-Städtebauministerin Ina Scharrenbach und Oberbürgermeisterin Karin Welge symbolisch an die Schülerinnen und Schüler der Nachbarschaft. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Fliegenlarven, Schnecken, Muscheln und Stichlinge, so führt es das Arbeitsblatt auf, sollen sie entdecken und bestimmen können. Die offizielle Übergabe des Vorzeigeobjektes haben Ina Scharrenbach, CDU-Landesministerin für Bauen, Heimat und Kommunales, Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) und Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, vollzogen. Miterleben durfte das eine Reihe von Gästen aus dem afrikanischen Sambia, die gerade bei ihrer Patenschule in Bismarck zu Besuch sind. Und in deren Heimat gerade eine schlimme Dürre herrscht.

Blaue Klassenzimmer sind im Emschergebiet gefragt

Fünf Millionen Euro hat die Renaturierung in diesem Bachabschnitt gekostet, noch einmal 180.000 das „Blaue Klassenzimmer“, zu 80 Prozent vom Land finanziert. Auf inzwischen acht dieser Zimmer in Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne und Gladbeck kommt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, beim Nachzählen für das gesamte Emschergebiet. „Und das Interesse der Städte an der Emscher ist riesig“, meint er schmunzelnd, „wir müssen gar nicht mehr fragen, ob sie mitmachen wollen. Vielmehr fragen die uns, ob und wann sie denn können.“

Der Freiluftlernort direkt am Gewässer soll den „neuen“ Bach für die Menschen vor Ort erlebbar machen, steht dahinter. Hier können gerade Kinder und Jugendliche der umliegenden Schulen und Kitas hautnah die Pflanzen und Tiere im und am Wasser kennenlernen und an Umweltthemen herangeführt werden. Das Besondere in Gelsenkirchen: Der Entwurf des Klassenzimmers ist aus den Ideen der Kinder und Jugendlichen entstanden, um es zu „ihrem“ neuen Lernort zu machen.

Bachläufe werden wieder für die Menschen geöffnet

Dazu haben sie auch ein besonderes „Mobiliar“ für das Klassenzimmer bekommen. Denn auf den Sandsteinblöcken, die im Halbrund in der Bachbiegung zum Sitzen einladen, sind weitere interessante Spuren gelegt und vorsichtshalber noch mit den Verursachern der Trittsiegel versehen worden. Wie die Fährten von Fuchs, Fasan oder Kaninchen aussehen oder die Blätter von Stieleiche, Schwarzerle oder Bergahorn, das ist hier eingraviert.

Die Ministerin betonte die Bedeutung des Projektes, mit dem die Fluss- und Bachläufe wieder für die Menschen geöffnet und zugänglich gemacht würden. „Hier ist es dann leicht, von der theoretischen zur praktischen Biologie zu kommen“, meinte sie mit Blick auf die Schulen, die an der Planung beteiligt waren. Selbst wenn es sich um einen kleinen Gewässerabschnitt handele: „Am Ende hängt eben doch alles mit allem zusammen, und dreht sich alles mit, wenn wir an einem kleinen Rad drehen.“

Parallel zum „Blauen Klassenzimmer“ ist die Gewässerstation „Naturguck“ entstanden, ein Aussichtspunkt am Hochwasser-Rückhaltebecken an der Alfred-Zingler-Straße. Weitere Gewässerstationen will die Emschergenossenschaft in Bachabschnitten in Gelsenkirchen voraussichtlich schon im kommenden Jahr eröffnen.