Gelsenkirchen-Buer. Michael Scharnowski, Schulleiter des Gelsenkirchener Leibniz-Gymnasiums, hat ein internationales Theaterfestival auf die Beine gestellt.
Michael Scharnowski gerät immer noch ins Schwärmen, wenn er an die vergangene Woche denkt. „Was hier an sieben Tagen passiert, das können wir in der Schule in Jahren nicht vermitteln.“ Am Samstag ist das Theaterfestival „InterTWINed“ zu Ende gegangen, das der Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums 2010 ins Leben gerufen hatte. Für Scharnowski ist das Event nicht als „nur“ Theater, sondern ein gelebtes Stück Europa.
Sieben Jugend-Theatergruppen aus sechs Ländern waren vom 15. bis zum 22. September zu Gast in Gelsenkirchen, von Montag bis Freitag gab es im Consol-Theater jeweils zwei Aufführungen am Tag. Die Gruppen kamen aus Gelsenkirchens Partnerstädten Newcastle und Cottbus, aber auch aus Oberhausen, Viimsi (Estland), aus der polnischen Hauptstadt Warschau, aus Dublin (Irland) und aus Lodi (Italien) – als achte Gruppe und Gastgeber fungierte die Theatergruppe des Leibniz-Gymnasiums, in der aber auch Schülerinnen und Schüler des Annette-von-Droste-Hülshoff- und des Max-Planck-Gymnasiums vertreten sind.
Acht Theatergruppen nehmen an dem Festival in Gelsenkirchen teil
Insgesamt 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohnten, arbeiteten und spielten für eine Woche in Gelsenkirchen. „Die meisten waren bei Gastfamilien untergebracht“, berichtet Michael Scharnowski. „Da aber Großbritannien mittlerweile strenge Regeln für eine solche Unterbringung aufstellt, haben die Gäste aus Newcastle im Naturfreundehaus übernachtet, die Gruppe aus Irland, zu der auch autistische Jugendliche gehören, hat im Haus Heege gewohnt.“
Das Theaterfestival hat seine Wurzeln im Kulturhauptstadtjahr 2010. „2007 hat mich die Stadt Gelsenkirchen gefragt, ob ich zu diesem Anlass ein internationales Theatertreffen organisieren könnte“, erinnert sich Scharnowski. Der Pädagoge, damals noch Lehrer am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium, lehnte zunächst ab – änderte seine Meinung aber schnell. Zum Glück, wie er heute sagt: Aus der Aufgabe entwickelte sich ein echtes Herzensprojekt.
„InterTWINed“: Das bedeutet der Name des Festivals
Schon von Beginn an waren Theatergruppen aus Gelsenkirchens Partnerstädten beteiligt: Neben Newcastle waren damals auch noch Gruppen aus Olsztyn (Polen) und Büyükçekmece (Türkei) beteiligt. „Der Kontakt nach Olsztyn ist aber durch die Corona-Pandemie inzwischen eingeschlafen, und bei der türkischen Gruppe war die Sprachbarriere zu hoch“, erklärt Scharnowski – Englisch hatte sich bei dem Festival als Verkehrssprache eingebürgert. Die Beteiligung der Partnerstädte erklärt auch den Namen des Festivals: „InterTWINed“ bedeutet so viel wie „verwoben, miteinander verbunden“, das groß geschriebene „Twin“ bezieht sich auf den englischen Begriff für Partnerstadt, „Twin Town“.
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Schon nach der Premiere im Jahr 2010 war klar: Das Festival soll es auch weiterhin geben, idealerweise im Zwei-Jahres-Rhythmus. 2012 war Newcastle Gastgeber, 2015 Gelsenkirchen und Oberhausen (das für 2014 vorgesehene Festival in Mailand war ausgefallen), 2017 und 2019 fand es in Cottbus statt. „2021 wollten wir nach Dublin gehen, aber Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt Scharnowski. Der Neustart erfolgte dann in diesem Jahr in Gelsenkirchen, 2026 soll „InterTWINed“ dann wieder in Cottbus stattfinden.
Festival begründet Freundschaften über Ländegrenzen hinweg
Dass Scharnowski so viel Herzblut und Leidenschaft in das Festival investiert, hat auch mit seiner Biografie zu tun: In Dublin war er als Student und später als Lehrer tätig, Lloyd Collins, Leiter der Dubliner Theatergruppe, war vor 20 Jahren einmal sein Schüler. Als junger Lehrer hatte Scharnowski in den 1990er-Jahren für einige Zeit an einer Cottbuser Schule unterrichtet und dort die Bekanntschaft mit dem Jugendtheater „Piccolo“ gemacht, das ebenfalls bei „InterTWINed“ vertreten waren. Und auch seine Zeit als Lehrer am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium hat ihre Spuren hinterlassen: „Bei der Unterbringung der Schüler haben alle drei Buerschen Gymnasien, also außer dem AvD und dem Leibniz auch noch das Max-Planck-Gymnasium, mitgeholfen“, sagt der Schulleiter.
Scharnowski schwärmt von der Qualität der Darbietungen, aber vor allem auch von der Atmosphäre an den sieben Tagen, dem Geist der Zusammengehörigkeit über Ländergrenzen hinweg. „Am ersten Tag haben wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durcheinandergewürfelt und auf eine Rallye durch Gelsenkirchen geschickt – das hat sich als echter Eisbrecher erwiesen.“ Zwischen den zweimal täglich stattfindenden Theatervorführungen absolvierten die 120 Teilnehmer Workshops zu bestimmten Themen, ebenfalls in gemischten Gruppen. „Im Laufe der Jahre haben sich durch das Festival schon viele dauerhafte Freundschaften entwickelt“, sagt Scharnowski – sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Verantwortlichen. „Wir vermitteln den Jugendlichen ein Europa, das greifbar ist.“
Ins Zeug gelegt hat sich Scharnowski auch, was die Finanzierung angeht: „Ich konnte einen Europa-Scheck der Landesinitiative NRW in Höhe von 18.400 Euro akquirieren“, zählt er auf, „auch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung hat uns mit einem sehr hohen Betrag unterstützt, und zwar im Rahmen der Ausschreibung ,150 Jahre Villa Hügel – 150 Projekte für das Ruhrgebiet‘. Zudem erhalten wir sowohl von der Bürgerstiftung Gelsenkirchen als auch von der Stadt Gelsenkirchen, unter anderem über das Referat Städtepartnerschaften, jeweils 4000 Euro.“