Gelsenkirchen. Olympisches Gold für Gelsenkirchener Sportler? Beim Ruderverein, der seinen Sitz im Stadthafen hat, ist dieser Traum schon in Erfüllung gegangen.
„Wir sind stolz darauf, dass wir noch diesen Blick auf eine echte Ruhrgebietskulisse haben“, sagt Maximilian Rossetto. Der Vorsitzende des Rudervereins Gelsenkirchen steht auf der Dachterrasse des Vereinshauses und hat tatsächlich vor hier aus einen beeindruckenden Blick: Auf die beiden Becken des Gelsenkirchener Hafens, auf die Hafeneinfahrt, die industriellen Anrainer und die so bekannte Kanalbrücke der Uferstraße.
Die Geschichte des Ruderns in Gelsenkirchen ist untrennbar verknüpft mit der des Kanalhafens. Er ist damals wie heute das Tor zu den Wasserwegen der Region. Im Spätherbst 1920 gründet sich der Ruderverein – nur sechs Jahre nach der Fertigstellung des Hafens. „Der Verein war getragen durch die Mitarbeitenden der umliegenden Industrie“, weiß Rossetto. Diese hätten nicht nur hier Sport getrieben, sie packten auch mit an beim Aufbau des ersten Bootshauses und Vereinsheims.
Gelsenkirchener Ruderer gewinnen Gold im Zweier bei Olympia 1960
Teile der alten Bauten seien bis heute erhalten. „Bis 1967 wurde hier gebaut“, erzählt der Vorsitzende. Gerade sei man dabei, alles von Grund auf zu sanieren. Angefangen habe man im Mai. „Zum Jahresende wollen wir fertig sein.“ Dann erstrahle alles in neuem Glanz – von den Umkleiden bis zu den beeindruckenden Sälen im Obergeschoss, in denen der Zeitgeist von einst deutlich spürbar ist: hölzerne Böden, große Fenster, kleine runde Tischchen. Im Geiste sieht man sie vor sich, die Freunde des Rudersports und ihre Herzensdamen, die an Sonntagen hier saßen und bei einer gemütlichen Tasse Kaffee aus dem Fenster blickten und den Ruderern auf dem Kanal zuschauten. Bei sommerlichem Wetter habe sich dies natürlich draußen auf der Dachterrasse abgespielt.
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So prominent die Lage des Vereins gleich an der Uferstraße ist, so wenig steht er für viele im Blickpunkt. Dabei ist der Club nicht nur einer der traditionsreichsten der Stadt. Historisch betrachtet ist er der erfolgreichste Amateurverein Gelsenkirchens. Das erfolgreichste Jahr der Geschichte ist 1960. „Da hat unser Zweier bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille gewonnen“, sagt Maximilian Rossetto stolz. An Bord: Bernhard Knubel, Heinz Renneberg und Klaus Zerta als Steuermann – mit damals 13 Jahren der jüngste deutsche Olympiasieger überhaupt. Von der großen Freude und dem Stolz darüber erzählt die Vereinschronik: „Mehrere tausend begeisterte Menschen warteten auf dem Bahnhofsvorplatz in Gelsenkirchen und bereiteten Renneberg, Knubel und Zerta einen rauschenden Empfang.“
„Im Rudern ist die Besten-Auslese sehr brutal“
Ein sportlicher Erfolg, der noch einmal wiederholt werden kann: 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul gewann Thomas Domian, der im Gelsenkirchener Rudervereins groß wurde, mit dem deutschen Achter die Goldmedaille. Und heute? „Im Rudern ist die Besten-Auslese sehr brutal“, erzählt Maximilian Rossetto, während er die Außentreppe von der Dachterrasse hinab steigt und zum Bootshaus geht. „Wir haben definitiv Talente auf Juniorenebene.“ Wie sich die entwickeln, das liege meist bei den jungen Rudernden selbst. Denn: „Rudern ist ein Fulltime-Job. Irgendwann muss man entscheiden, ob man seine Ausbildung schnell beenden möchte oder erfolgreich rudern will.“ Offen für Nachwuchs sei man immer. „Anfangen können Interessierte, wenn sie gut schwimmen können. Wir setzen ein Sportschwimmabzeichen in Bronze voraus.“
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Vor dem Bootshaus tut sich jetzt was: An diesem sonnigen Sonntagmorgen kommen die Ruderer langsam an und wollen gleich aufs Wasser. So wie Johannes Rengeling. „Ich habe 1975 angefangen zu rudern und war als Student sehr aktiv. Durch meinen Beruf ist das in den Hintergrund getreten. Da bin ich nur ein-, zweimal in der Woche rudern gegangen.“ Nun habe der begeisterte Sportler wieder mehr Zeit für seine Leidenschaft. Und er hat sich einen modernen Renn-Einer gekauft. „Damit fahre ich meist sonntags raus. Das will ich auch in zwanzig Jahren noch machen. Denn rudern kann man bis man neunzig Jahre alt ist und älter. Ich habe schon einen Mann gesehen, der wurde im Rollstuhl zu seinem Boot gefahren – und ist dann eingestiegen und gerudert.“ Für ihn, erzählt er, bevor er aufs Wasser geht, seien die Ausfahrten beinahe meditativ. Da gebe es nur ihn, sein Boot und den Kanal.
Gelsenkirchener Verein will Talente an die Weltspitze bringen
Mittlerweile ist auch Jona Sadlowski auf dem Wasser. Zeitgleich macht Jochen Wittor, sein Trainer, das Begleitboot fertig. Sein Schützling sei eines der angesprochenen Talente, berichtet er und erzählt, der junge Mann sei in seiner Altersklasse der Siebzehn- bis Achtzehnjährigen der fünftschnellste in Deutschland. Die Bedingungen jedoch seien hierzulande nicht so gut wie andernorts. „Wir kämpfen hier gegen die professionellen Bedingungen in anderen Ländern an.“ Stichwort: Sportförderung. Dennoch betont Maximilian Rossetto: „Wir, als Gelsenkirchener Verein, sind in der Lage, unsere Sportler an die Weltspitze zu bringen.“