Gelsenkirchen. „Auschwitz vor Gericht“ heißt eine Veranstaltungsreihe in Gelsenkirchen, die mit Vorträgen und einem besonderen Theater-Ereignis aufrütteln will.

In den Jahren 1963 bis 1965 fand vor dem Landgericht Frankfurt am Main der erste Auschwitzprozess statt. Angeklagt waren damals jene Täter, die an der Tötung von mindestens einer Million Menschen im Konzentrationslager Auschwitz beteiligt waren. Eine Veranstaltungsreihe in Gelsenkirchen, die an diesem Mittwoch, 11. September, beginnen wird, will noch einmal an die Gräueltaten und ihre juristische Aufarbeitung erinnern - etwa mithilfe eines eindringlichen Theaterstückes, das gleich mehrfach aufgeführt werden soll.

Kooperation von ISG, Amtsgericht und Trias-Theater

Bei diesem Projekt handelt es sich um eine Kooperation des Instituts für Stadtgeschichte (ISG), des Amtsgerichts Gelsenkirchen und des hiesigen Trias-Theaters. Die drei Partner nahmen es zum Anlass, dass der erste Auschwitzprozess vor genau 60 Jahren stattfand und die Gesellschaft spaltete. Denn viele Deutsche wollten damals nicht mehr mit den unmenschlichen Verbrechen konfrontiert werden, stattdessen lieber einen Schlussstrich ziehen und nur noch nach vorne schauen. Für andere war die juristische Aufarbeitung der millionenfachen Verbrechen von größter Bedeutung, weil zahlreiche Amts- und Funktionsträger aus der NS-Zeit ihr privates und berufliches Leben nach Kriegsende beinahe unbehelligt fortführen konnten. Obwohl sie nachweislich am Holocaust beteiligt waren.

„Heute scheint vielen Menschen diese Vergangenheit weit weg zu sein“, sagte Daniel Schmidt, der Leiter des ISG. „Wir wollen die Erinnerung wachhalten und laden mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen dazu ein, sich mit dem ersten Auschwitzprozess, seinem historischen Kontext und seinen Folgen auseinanderzusetzen.“

Veranstaltungsreihe in Gelsenkirchen zum ersten Auschwitzprozess läuft bis Dezember

Knapp drei Monate läuft die Veranstaltungsreihe in Gelsenkirchen. Zum Auftakt am 11. September gibt es den Vortrag „Die Würde des Menschen zu achten ist Auftrag aller staatlichen Gewalt“. Referentin Katharina Rauschenberger vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt wird ab 18 Uhr in der Neuen Synagoge (Georgstraße 2, Altstadt) sprechen. Im Fokus steht besagter hessischer Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der damals den Auschwitzprozess maßgeblich ins Rollen gebracht hatte. Er hatte auch maßgeblichen Anteil daran, dass mit Adolf Eichmann eine nach Südamerika geflohene und dort untergetauchte Nazi-Größe noch aufgespürt und letztlich in Israel zum Tode verurteilt werden konnte.

Der Vortrag findet in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen und der Gesellschaft für Jüdisch-Christliche Zusammenarbeit statt. Der Eintritt am 11. September ist frei. Eine vorherige Anmeldung ist aber erforderlich unter: 0209 155 23 10 oder per E-Mail an anfrage@jg-ge.de.

Wanderausstellung macht im Justizzentrum Gelsenkirchen Halt

Eine Woche später, am 18. September, startet im Foyer des Justizzentrums an der Bochumer Straße 79 in Ückendorf die Wanderausstellung „Justiz und Nationalsozialismus“. Die Vernissage beginnt um 18 Uhr und ist für alle Interessierte zugänglich. Zu besichtigen ist die bis zum 4. Dezember laufende Ausstellung von Montag bis Freitag (8.30-15 Uhr). Führungen können im Amtsgericht gebucht werden unter: 0209 148 99 400. Der Eintritt ist frei.

In der Ausstellung werden laut Mathias Kirsten, dem Direktor des Amtsgerichts, wichtige Fragen aufgeworfen: Welche Rolle spielte die Justiz in der NS-Zeit? Welche Nachwirkungen hatte die NS-Diktatur auf die Gründung der Bundesrepublik? Aber auch: Wofür steht unser heutiger Rechtsstaat?

„Wir müssen eine gerechte, offene und tolerante Gesellschaft mit den Mitteln des Rechtsstaates absichern“, betont Kirsten. „Ohne eine unabhängige Justiz wäre eine Gesellschaft, die in Rechtssicherheit leben kann, nicht vorstellbar.“ Und die jüngsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen würden zeigen, „dass wir unseren Rechtsstaat beschützen müssen“.

Trias-Theater führt „Die Ermittlung“ im Gerichtssaal auf

Eine zentrale Rolle innerhalb der Veranstaltungsreihe soll das Stück „Die Ermittlung“ von Autor Peter Weiss werden, das das Gelsenkirchener Trias-Theater aufführen will. Und das nicht irgendwo. Sondern in Raum 212 des Justizzentrums. Das ist der Strafgerichtssaal und der größte im gesamten Haus. Dort werden bei jeder Aufführung (Start: 12. Oktober) rund 60 Besucher Platz finden. Mindestens fünf Abendvorstellungen für ein erwachsenes Publikum wird es geben. Karten zum Preis von 15 Euro gibt es bereits im Vorverkauf in der Tourist-Info im Hans-Sachs-Haus, in beiden Filialen der Buchhandlung Kottmann sowie unter: 0209 39 169.

Laut Theater-Leiter Ulrich Penquitt und Regisseur Jens Dornheim wird es aber auch sechs Schulvorstellungen am Vormittag geben. „Wir kommen für eine Vor- und Nachbereitung des Stückes auch gern in den Unterricht“, verspricht Penquitt. Interessierte Lehrer (ab Klasse acht aufwärts) können sich anmelden unter 0209 169 85 51 oder per E-Mail an isg@gelsenkirchen.de. Nur hier ist die Teilnahme kostenlos.

Das Stück fasst den Verlauf des ersten Auschwitzprozesses noch einmal anhand der Aussagen von Verfahrensbeteiligten in elf Kapiteln zusammen. Zu Gehör kommen Angeklagte, Opfer und Justizbeteiligte. Und durch die Schilderungen der Überlebenden werden die menschenverachtenden Gräueltaten der Nazis im Todeslager noch einmal für alle Zuhörenden greifbar. Autor Weiss war selbst einer der Prozessbeobachter. Sein Stück veröffentlichte er bereits kurz nach dem Ende des Prozesses im Jahr 1965.

Eine Übersicht über alle Veranstaltungen der Reihe und weitere Infos gibt es im Netz unter: www.gelsenkirchen.de/isg.