Gelsenkirchen. Die Vestische startet ins Wasserstoff-Zeitalter und hat fünf Busse mit Brennstoffzellenantrieb angeschafft. Sie fahren auch durch Gelsenkirchen.

Für die Vestische beginnt ab diesem Montag, 26. August, eine neue Zeitrechnung: Denn die Wasserstoff-Ära hat begonnen! Das Verkehrsunternehmen setzt nun erstmals fünf Brennstoffzellenbusse ein. Und diese kommen ab sofort auch auf den Straßen im Gelsenkirchener Stadtnorden zum Einsatz.

Das Lauteste in den neuen Wasserstoffbussen ist die Klimaanlage

Die nigelnagelneuen Fahrzeuge wurden am Freitag auf dem Betriebshof in Herten vorgestellt. Und der erste Eindruck nach einer kurzen Probefahrt ist bestens: Denn statt des dröhnenden Dieselmotors, der die herkömmlichen Modelle kräftig zum Vibrieren bringt, fabriziert der neue Antrieb außer einem leisen Surren keinerlei Geräusche oder andere Störfaktoren. Vestische-Geschäftsführer Martin Schmidt stellt deshalb mit einem Lächeln auf den Lippen fest: „Das Lauteste in den neuen Bussen ist nun die Klimaanlage.“

Dieses Fahrzeug-Quintett fährt mit Wasserstoff. Darüber freuen sich auch: (v. l.) Landrat Bodo Klimpel, Dr. Babette Nieder (WiN Emscher-Lippe GmbH), Maximilian Lohrer und Martin Schmidt.
Dieses Fahrzeug-Quintett fährt mit Wasserstoff. Darüber freuen sich auch: (v. l.) Landrat Bodo Klimpel, Dr. Babette Nieder (WiN Emscher-Lippe GmbH), Maximilian Lohrer und Martin Schmidt. © Vestische | Evelin Niermann

Bei der Einordnung dieser Neuerung griffen die Verantwortlichen verbal in die oberste Schublade: Von einem „ganz besonderen Tag in der Unternehmensgeschichte“ war da die Rede. Und von „einem Meilenstein in der Mobilitäts- und Verkehrswende“. Letztere Einschätzung stammte von Bodo Klimpel, Landrat im Kreis Recklinghausen und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Vestischen. Diese neue, umweltschonende Technologie helfe bei der Verfolgung des Kernziels, so Klimpel: der Reduzierung des CO2-Ausstoßes (Kohlendioxid) im Verkehrssektor. Dies sei nur eine Maßnahme, die im Rahmen des 2019 beschlossenen Vestischen Klimapaktes nun umgesetzt worden sei.

Ein Wasserstoffbus kostet derzeit rund 630.000 Euro

Denn statt Stickoxiden, Feinstaub und CO2 stößt der Brennstoffzellenantrieb als Überbleibsel im Energiegewinnungsprozess nur eines aus: Wasser! Doch diese Errungenschaft für die Umwelt hat auch ihren Preis: Kostet ein moderner Dieselbus derzeit rund 230.000 Euro pro Stück, sind es für einen Wasserstoff-Bus noch 630.000 Euro. Die Differenz in Höhe von 400.000 Euro wird zu 80 Prozent durch das Bundesverkehrsministerium gefördert.

Diese Förderung wird von der NOW GmbH koordiniert. Maximilian Lohrer ist dort der für den Bereich Wasserstoff zuständige Programm-Manager. Er betonte, dass diese finanzielle Unterstützung der Vestischen nur eines von bundesweit 130 geförderten Projekten sei. In der gesamten Republik sei bislang bereits die Anschaffung von rund 4000 klimafreundlichen Bussen (mit Wasserstoff- oder Elektroantrieb) mit gut 1,3 Millarden Euro gefördert worden. Und das ehrgeizig Ziel laute, so Lohrer: Bis zum Jahr 2030 gut die Hälfte der rund 80.000 Stadtbusse in ganz Deutschland entsprechend umgerüstet zu haben.

Bis zum Frühjahr 2025 sollen weitere fünf Wasserstoffbusse folgen

Die Vestische verfügt derzeit über 260 Busse. Fünf davon - allesamt gebaut vom portugiesischen Hersteller Caetano - werden nun mit Wasserstoff betankt. Die nächsten fünf befinden sich bereits in der Entstehung, diesmal beim nordirischen Hersteller Wrightbus. Geplante Auslieferung: Frühjahr 2025. Und bis 2027 werden noch weitere sieben Exemplare folgen, verriet Thomas Krämer, Betriebsleiter bei der Vestischen.

630.000 Euro kostet jeder der neuen Wasserstoffbusse. Das Bundesverkehrsministerium fördert die Anschaffung.
630.000 Euro kostet jeder der neuen Wasserstoffbusse. Das Bundesverkehrsministerium fördert die Anschaffung. © Thomas Richter

Laut Krämer hätten die Wasserstoff-Modelle auch große Vorteile im Vergleich zu den Elektro-Bussen, die bei der Vestischen bereits seit 2019 testweise im Einsatz sind. Denn diese kämen heute mit einer voll geladenen Batterie rund 150 Kilometer weit. Das reicht auf den meisten Linien nicht, um ohne Aufladeprozess durch einen herkömmlichen Arbeitstag zu kommen. Bei den Wasserstoffbussen läge die Laufleistung hingegen bei bis zu 450 Kilometern. Und das sei genug, um am Tag nicht nachtanken zu müssen.

In Herten befindet sich die größte Wasserstoff-Tankstelle Deutschlands

Apropos Tanken: Das erledigen die neuen Modelle derzeit bei der AGR Herten. Auf dem Gelände des Entsorgungsunternehmens befindet sich die größte Wasserstoff-Tankstelle Deutschlands. Perspektivisch plane die Vestische auf dem Areal in Herten aber den Bau einer eigenen Tankstelle, so Geschäftsführer Schmidt.

Und wie sieht es nun mit dem Verbrauch aus? Wo ein herkömmliches Modell rund 35 Liter Diesel auf 100 Kilometern benötigt, sind es bei den neuen Fahrzeugen sechs Kilogramm Wasserstoff. Das entspreche einer Einsparung von mindestens 16,5 Tonnen CO2-Emissionen pro Bus und Jahr. Würde „grüner Wasserstoff“ genutzt, läge die Einsparung sogar bei 89 Tonnen.

Auch die Busfahrerinnen und -fahrer mussten geschult werden

Aufgrund der Neuanschaffungen hätten laut Torsten Kastner, dem Centerleiter Technik bei der Vestischen, die Werkstätten umgebaut und das Personal auch entsprechend geschult werden müssen. 350 der insgesamt 430 Fahrerinnen und Fahrer am Standort Herten seien nun bereits eingewiesen. Die Erwartung ist, dass die Wasserstoffbusse wartungsärmer sind als die Diesel-Modelle. Ob das tatsächlich so ist, müsse sich erst zeigen, so Kastner.

Einer der eingewiesenen Fahrer ist Christian Dorna. Er erklärt, dass das Starten des Fahrzeugs etwas länger dauern würde: „Den fährt man hoch, ähnlich wie einen Computer.“ Zudem seien die neuen Busse mit 3,48 Meter rund 30 Zentimeter höher als die Vorgänger. Der Grund dafür: Die Brennstoffzelle und die fünf Tanks für den Wasserstoff sind allesamt befestigt - auf dem Dach! Zwölf Jahre sollen sie möglichst halten. Und helfen, den klimaschädlichen CO2-Ausstoß zu mindern.